Wohnungskampf: Mieter bieten alles - außer Sex

München - Pündterplatz, Schwabing, Spielplatz und schmucke Cafés vor der Tür. Beste Lage – und die Wohnung erst! 96 Quadratmeter unrenovierter Altbau, dreieinhalb Zimmer, 3,30 Meter hohe Decken, Stuck, Fischgrätparkett. Für 950 Euro warm. Das Vermieterpaar ist nicht gierig. Makler gibt’s keinen. Der Hammer. Anfang März sind Carsten Zehm (40) und seine Frau Noch-Mieter dieses Schmuckstücks. Nun ziehen sie ins Umland.
Der Agenturinhaber soll einen Nachmieter suchen. Was dann passiert, „hat mich völlig umgerissen“, sagt er. Kaum hat Zehm die Anzeige ins Internet gestellt, erhält er die erste Mail. Gleichzeitig klingeln seine Handys – und hören nimmer auf. 150 Interessenten, an einem Tag. Und für die Wohnung sind sie zu (fast) allem bereit. Zehm: „Sie boten mir alles – außer Sex.“
TAG 1
14.36 Uhr: Zehm erstellt die Internet-Anzeige. Um ihn herum Kartons, am nächsten Tag zieht er um. Zehm tippt Handy- und Geschäftsnummer in die Online-Maske ein, Badmöbel und Küchenzeile gibt’s für 3500 Euro Ablöse. Auf den Fotos: ein Quadratmeter Parkett, eine Ecke der Decke, Hausflur, Küche und die Außenwand des Hauses. Nichtssagende Bilder – eigentlich. Klick. Anzeige gebucht.
15.06 Uhr: Anzeige ist online. 15.07 Uhr: Erste Mail, erster Anruf.
15.08 bis 15.28 Uhr: Zwölf Mails. Anrufe auf beiden Handys.
15.30 Uhr: Interessenten an der Tür – die ersten von vielen. „Das ging bis 22.30 Uhr!“ Eine Frau klingelt und drückt Zehm ihren Säugling in die Arme. „Das ist der Moritz, der würde gerne hier wohnen.“ Ganz schlechte Idee.
15.38 Uhr: Zwei Mails.
15.39 Uhr: Mail. Drei Kinderkrankenschwestern wollen die Wohnung. Beide Handys klingeln gleichzeitig.
16.17 Uhr: Zehm löscht seine Geschäfts-Handynummer aus der Anzeige. Es klingelt wieder an der Tür. 16.37 Uhr: Weitere Mails.
16.55 Uhr: Eine Frau klopft an. „Ich habe eigentlich keine Zeit“, sagt sie, „aber ich hab’s einfach nicht ausgehalten!“
17.38 Uhr: Mail voller Fehler. Interessent wohl aufgeregt.
17.41 Uhr: Mail von drei Studenten – mit der Frage: „Was bedeutet 3500 Euro Ablöse?“
17.52 Uhr: Frau W. schickt eine Mail – und schreibt ihren Namen falsch. Es ist die 63. Mail. Ein Mann will den Keller sehen. Er ist der einzige.
18.02 Uhr: Ein Pärchen schickt eine Mail und ruft parallel an. Zehm reagiert längst nicht mehr; seine Wohnung ist voll mit Besuchern: „Am ersten Tag waren es 130.“ Zehm teilt die Massen in Zimmer-Gruppen ein.
18.24 - 18.31 Uhr: Zwei Mails – beide Absender fragen, ob eine WG möglich ist. Zehm sammelt Selbstauskünfte mit Angaben wie: „Papas Monatseinkommen über 6000, bürgt für alles“, oder: „fünfstellig“. Oder: „Arztsohn.“
18.44 Uhr: Nach drei Stunden, 38 Minuten löscht Zehm die Anzeige – die Seite gratuliert: „Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Vermietung Ihrer Immobilie.“
20.17 Uhr: Zehm vereinbart Termine für Freitag, Samstag und Montag. 21.57 Uhr: Zweite Mail von Frau W:. „Wir sind Nichtraucher, keine Haustiere, keine Musikinstrumente.“ Sie bittet um einen Termin.
TAG 2
8 bis 11 Uhr: Besichtigungstermine – und wieder ein Bestechungsversuch. „Viele wollten sich in dem Andrang abheben“, sagt Zehm. Ein Tabakhändler offeriert Zigarren, eine Konditorin Kuchen, einer Whisky, einer Schampus, ein weiterer 600 Euro bar auf die Hand. Zehm lehnt ab.
11.30 Uhr: Zehms Umzugswagen fährt los. Einzug bis spät in die Nacht.
14.53 Uhr: Mail 18.10 Uhr: Erste Absage – von nur fünf insgesamt. Eine Frau ruft an und flötet: „Es war wirklich schön gestern!“
TAG 3
10 bis 12 Uhr: Ein Dutzend Interessenten in der Wohnung. Darunter zwei Unternehmensberater aus dem Norden, die eine Party-Wohnung wollen. Zehm streicht sie von der Liste. Die meisten wollen zentraler wohnen: „Ein Pärchen hätte sogar seine 140 Quadratmeter in Trudering für diese Wohnung eingetauscht.“
22.37 Uhr: Mail: „Hallo Herr Zehm, Sie haben uns ein schlafloses Wochenende bereitet.“
TAG 4
Relative Ruhe. Eine Mail.
TAG 5
19 Uhr: Zwölf Besucher.
TAG 9
Zehm geht mit dem Verwalter alle Interessenten durch. Drei bleiben übrig: Paar mit Kleinkind, junges Paar, sie schwanger – und drei Studentinnen.
TAG 12
Die Wohnung geht ans Pärchen mit Kind. „Sie waren sympathisch“, sagt Zehm. Das Haus ist kinderfreundlich, hier wohnt eine Hebamme. „Sie passten einfach hierher.“