Wohnen in und um München: Mieter zeigen ihr Zuhause

München - Wer in München und Umgebung eine bezahlbare Wohnung sucht, tut sich bekanntermaßen sehr schwer: Das Angebot ist knapp, die Nachfrage hoch und mit einem neuen Mietvertrag schneidet man in der Regel beim Quadratmeterpreis deutlich schlechter ab. Und so kommt es, dass Mieter in ihren Wohnungen bleiben, obwohl ihnen diese eigentlich zu groß geworden sind oder ihren Bedürfnissen nicht mehr entsprechen.
"Immer weniger Mieter ziehen um, obwohl sie es gerne würden", bestätigt Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter. Dieser Effekt wird auch "Lock-In-Effekt" genannt - man sperrt sich quasi in seiner Wohnung ein. Und der Teufelskreis bleibt bestehen: Je weniger Mieter ausziehen, umso weniger werden frei.
Mieterverein fordert Mietenstopp
Die Corona-Krise lässt die Münchner derzeit zusätzlich vor einem Umzug zurückschrecken: Laut Statistischem Amt sind im März 20 Prozent weniger Münchner innerhalb der Stadt umgezogen als im Vorjahresmonat. Im April waren es sogar 42 Prozent weniger als im April 2019. Auch nach Ende des Lockdowns im Mai haben 34 Prozent weniger Münchner ihre Wohnung gewechselt.
Der Mieterverein fordert einen Mietenstopp und dass Bestandsmieten nicht weiter steigen - etwa nach Modernisierungen oder durch Erhöhungen alle drei Jahre.Wie viel Platz braucht man eigentlich zum Wohnen? Das muss jeder individuell für sich beantworten. Hier berichten fünf Mieter, wie sie leben...
Ein kleines Zimmer und ganz viel Freiheit
Die Landschaftsarchitektin Carla L. (Name geändert) hat sich ganz bewusst für ein minimalistisches Zuhause entschieden. Früher lebte sie in einem gemieteten Haus mit 120 Quadratmetern. Heute wohnt die 49-Jährige in einem Zimmer mit integrierter Küche. Zum Schlafen klettert sie auf eine Empore.
Eine Dusche oder Badewanne hat Carla L. nicht, nur einen kleinen Sanitärraum mit Waschbecken und Toilette. "Ich weiß, da scheiden sich die Geister", sagt sie. "Viele empfinden Duschen auch als Genuss, nutzen es zum Runterkommen." Aber sie vermisst es nicht: "Mir fehlt das nicht. Zum Waschen benutze ich das Becken. Und zum Entspannen gehe ich in die Sauna."
Das bescheidene Zuhause ermöglicht der Landschaftsarchitektin viel Freiheit: Denn sie bezahlt für ihre Mini-Wohnung am Ammersee nur 150 Euro Miete. Das ermöglichte ihr, die Arbeitszeit zu verringern, weil sie deutlich weniger Geld zum Leben braucht.
Und das bedeutet auch: Carla L. hat mehr Freizeit und damit mehr Zeit für sich. Auch ihren persönlichen Besitz hat Calra L. radikal reduziert. Sie stapelte alles, was sie weggeben wollte. "Bücher, Geschirr, Kleidung: Die Kinder meiner Nachbarn, die gerade ihren ersten eigenen Hausstand gründeten, haben vieles davon genommen." Die 49-Jährige fühlt sich befreit - und kann sich auf die Dinge konzentrieren, die ihr wichtig sind.
Glück gehabt! Und das Piano passt auch rein
Nora K. (30) und Dominik M. (31) sehen sich als Glückspilze: Das Paar wohnt in einer 70 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung mit Wohnküche und Balkon in der Schleißheimer Straße. Dafür zahlen die beiden rund 1.100 Euro warm. Als sie vor zwei Jahren nach ihrer ersten gemeinsamen Wohnung suchten, konnten sie zwischen mehreren Angeboten entscheiden. "Wir haben echt Glück gehabt", sagt Dominik M.
Für das Paar ist die Wohnung, die beim Einzug frisch saniert war, von der Größe her genau richtig. Das Klavier konnte mit umziehen. Und es gibt auch genügend Wände, an denen all die Filmplakate von Dominik Platz gefunden haben. Der 31-Jährige arbeitet bei einem TV-Sender, seine Freundin ist bei einer Versicherung angestellt.
Nora und Dominik, die seit sieben Jahren ein Paar sind, laden gern Freunde ein, mit denen sie abends an dem ausziehbaren Tisch im Wohnzimmer gemeinsam spielen. Außerdem wird gemeinsam gekocht. Ihre Wohnung ist ein echtes Zuhause, ein guter Ort zum Sein. Auch wenn es irgendwann mal ein Zimmer mehr sein könnte.
170 Quadratmeter für zwei
Richtig viel Platz haben Dagmar B. (65) und ihr Mann Hans-Peter (68). Die beiden leben in Schäftlarn auf 170 Quadratmetern. In einem Mietshaus mit bodentiefen Fenstern und Ausblick in den Garten rundum, auf den Walnussbaum, die Tomatenstauden und die Hortensienbüsche.

Seit ihrer Schulzeit kennen sich die zwei, ihr Leben lang sind sie schon überzeugte Mieter. Doch jetzt ist das Haus für die beiden schon groß, die Miete mit knapp 2.000 Euro warm auch nicht gerade wenig. "Mein Gefühl ist, dass wir über unsere Verhältnisse leben", sagt sie. Das Problem: Für eine kleinere Wohnung würde das Paar bei den jetzigen hohen Preisen nicht unbedingt weniger bezahlen. Außerdem sind die beiden in ihrem Wohnort fest verwurzelt.
Trotzdem stört sie die fehlende Gemeinschaft, die aus Vierteln mit vielen Einfamilienhäusern wie ihrem entsteht. "Wir leben in einer Vereinzelungsarchitektur." Bei einer bezahlbaren Wohnung in einem Wohnkomplex mit Gemeinschaftsgarten und mit gemeinschaftlich genutzten Werkstätten könnten sich Dagmar und Hans-Peter B. vorstellen, eines Tages doch noch mal umziehen.