Interview

Wohnen in der ehemaligen Pressestadt: "Nichts zu verbessern!"

Seit 40 Jahren lebt Veronika Linden in der ehemaligen Pressestadt - und kennt in dem Viertel hinter dem Olympiagelände zahlreiche Geheimnisse.
von  Paul Nöllke
Schattige Plätze und viel Grün: Am Werner-Friedmann-Bogen. F: D v. Loeper
Schattige Plätze und viel Grün: Am Werner-Friedmann-Bogen. F: D v. Loeper © Daniel von Loeper

München - Zehn Jahre nach den Olympischen Spielen zieht Veronika Linden in die ehemalige Pressestadt. Hier hatten 1972 tausende Journalisten aus aller Welt gearbeitet.

Im AZ-Interview erzählt Linden vom Alltag der früheren Bewohner, dem Leben zwischen viel Grün und stillgelegten Gleisen und einem großen Protest, der alle Bewohner enger zusammenbrachte.

Veronika Linden vor dem Brunnen in der Pressestadt. Sie lebt in dem Viertel schon seit 1982.
Veronika Linden vor dem Brunnen in der Pressestadt. Sie lebt in dem Viertel schon seit 1982. © Daniel von Loeper

AZ: Frau Linden, Sie wohnen seit 1982 in der Pressestadt. Heute geben Sie auch Führungen durch das Viertel. Was fasziniert Sie an diesem Ort?
VERONIKA LINDEN: Es ist ein besonderes Viertel! Schauen Sie sich um, es gibt so viel Grün. Sie können von hier in den Olympiapark gehen, ohne eine Straße zu überqueren, und auf der anderen Seite haben Sie das Einkaufszentrum. Außerdem herrscht in unserem Viertel ein guter Zusammenhalt!

Pressestadt: Einige Dinge erinnern noch an die Vergangenheit

1972 lebten hier viele Tausende Journalisten, um von den Olympischen Spielen zu berichten. Haben sie Spuren hinterlassen?
Ich glaube, viele Menschen wissen gar nicht, dass während der Olympischen Spiele die Journalisten hier wohnten. Man muss genau hinschauen. Es gibt noch den Pavillon, der Bushaltestelle für den Shuttlebus war, der die Journalisten ins Olympiagelände brachte. Der ist aber leider in einem schlechten Zustand ... Und es gibt natürlich die Häuser, in denen die Journalisten lebten.

In einem dieser Häuser leben Sie?
Genau, im Hochhaus.

Wissen Sie, welcher Journalist damals in Ihrer Wohnung lebte?
Nicht genau, aber es muss ein deutscher Journalist gewesen sein - die waren im Hochhaus untergebracht. Die internationale Presse lebte ja drumherum.

1972: Zwei Journalisten im Stadion.
1972: Zwei Journalisten im Stadion. © imago sportfotodienst

"Soldaten arbeiteten damals als Etagenstewards"

Wie muss man sich das Leben hier 1972 vorstellen?
Alles war ganz neu. Die Journalisten wohnten in kleinen Zimmern, die Wohnungen waren damals in kleinere Räume unterteilt. Die Journalisten wurden von Soldaten betreut, die als Etagenstewards arbeiteten. Es wusste keiner, dass es Soldaten waren. Sie sollten dem Schutz der Journalisten dienen. Es gab ein Restaurant, Busse, Autos und medizinische Versorgung - die war kostenlos, und das wurde auch genutzt.

Inwiefern?
Anscheinend ließen sich viele Journalisten aus dem Ausland hier kostenlos die Zähne richten! Mein Zahnarzt war da damals auch da.

Wie kommt es, dass Sie heute durch die Pressestadt führen?
Mein Mann hat sich immer sehr für die Geschichte dieses Orts interessiert. Ich bin da immer dabei gewesen. Nach seinem Tod habe ich das dann übernommen, ich habe so viele Unterlagen von ihm. Er wurde auch immer angefragt, wenn über die Pressestadt berichtet wurde. Vor mehreren Jahren fragten ihn auch Studenten an, die an einem Projekt arbeiteten, was man in der Pressestadt verbessern könne ...

"Wir Bewohner haben eine wirklich gute Gemeinschaft"

Und, was kam dabei heraus?
Es gibt fast nichts zu verbessern. Hier wurde vor 50 Jahren sehr vorausschauend geplant! Daher hat sich in den 50 Jahren auch gar nicht so viel geändert.

Auch weil sich die Bewohner dafür eingesetzt haben?
Ja! Wir haben wirklich eine gute Gemeinschaft hier in der Pressestadt. Ein großes Thema war, als hier der Transrapid gebaut werden sollte.

Wo sollte der gebaut werden?
Dort, wo früher die S-Bahn entlang fuhr - also nur 50 Meter vom Hochhaus. Der Protest dagegen hat uns wirklich zusammengebracht!

"Es soll Spielplätze und Sitzecken mit viel Natur geben"

Wie haben Sie protestiert?
Wir haben große Plakate am Hochhaus anbringen lassen und haben viele Demonstrationen organisiert. Und als klar war, dass der Transrapid endlich vom Tisch war, haben wir gefeiert!

Nun liegen die S-Bahnschienen heute noch brach ...
... das soll sich ändern. Schon vor Jahren sollte hier ein Fuß- und Radweg gebaut werden, es soll Spielplätze und Sitzecken geben mit viel Natur. Vor Kurzem hat der Stadtrat erfreulicherweise das Thema wieder aufgegriffen.


Am Sonntag führt Linden für die Volkshochschule durch die Pressestadt. Die Veranstaltung ist bereits ausgebucht, es gibt eine Warteliste.
Für eine Führung am 27. Juni gibt es aber noch freie Plätze. Diese ist auf der Webseite der VHS zu buchen unter: www.mvhs.de

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