Wohnen im Alter: Betreut, aber selbstständig
MÜNCHEN - Die Bevölkerung wird immer älter – doch wohin im Alter? Laut einer Umfrage können sich nur 15 Prozent der heute 50-Jährigen vorstellen, später in einem Altersheim zu leben. Am liebsten würden sie so lange wie möglich in ihrer Wohnung bleiben, und wenn sie schon umziehen müssen, dann in eine barrierefreie Wohnung im eigenen Viertel. So viel Hilfe wie nötig, so viel Selbständigkeit wie möglich – das ist der Wunschtraum. Doch es gibt viel zu wenige barrierefreie Wohnungen in der Stadt.
Die Gewofag versucht, eine Perspektive zu bieten. „Wohnen im Viertel” heißt das Projekt. Das städtische Unternehmen hat gestern den Stützpunkt Gern offiziell eröffnet, der Betrieb läuft seit vergangenem Herbst.
Das Konzept: Innerhalb der Gewofag-Wohnanlagen gibt es einen ambulanten Pflegedienst, der rund um die Uhr eingesetzt werden kann. Die Mieter müssen keine Betreuungspauschale zahlen, sondern nur die Dienste, die sie nutzen. Wer keine Hilfe braucht, zahlt normale Miete.
Der erste Stützpunkt wurde 2007 am Innsbrucker Ring eröffnet, nach Harlaching, Riem und Obergiesing ist Gern der fünfte. In der Anlage Gern 64 mit 188 Einheiten gibt es sechs barrierefreie Wohnungen und eine Pflegewohnung für Menschen, die vorübergehend besonders viel Unterstützung brauchen.
Heinz Vesner wohnt seit Februar in der Anlage. Der Rentner hat 50 Quadratmeter: ohne Schwelle, ohne Einstieg, der bei der Dusche zu überwinden ist. Vesner ist 68 Jahre alt und hat einen Unfall hinter sich. „Ich bin gestürzt, weil mich ein Radfahrer ohne Licht übersehen hat”, erzählt er. Doppelter Beckenbruch, Krankenhaus, Reha. „Nach der Reha konnte ich gleich in diese Wohnung.”
Die Gewofag arbeitet dort mit dem evangelischen Pflegedienst München e.V. zusammen, der dann auch berät, wo und wie man Zuschüsse beantragen kann und wo weitere Unterstützung zu kriegen ist. Für die barrierefreien Wohnungen können sich Münchner bewerben, die einen hohen Hilfs- oder Pflegebedarf haben und nur über ein geringes Einkommen verfügen. Es profitieren aber auch andere. Alle anderen Gewofag-Mieter und alle, die im Umkreis von 800 Metern wohnen, können den Pflegedienst in Anspruch nehmen.
Die Idee von „Wohnen im Viertel” ist auch, dass die Menschen in Kontakt kommen, dass die Generationen miteinander leben. Ein Wohncafé gehört zu jedem Stützpunkt, als Nachbarschaftstreff für Jung und Alt. Die Gewofag will das Konzept in den Wohnanlagen in ganz München verwirklichen. Geplant sind 15 weitere Stützpunkte. Die Zeit drängt: Bis zum Jahr 2030 werden 280000 Menschen in München über 65 Jahre alt sein, und rund 91000 über 80.
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