Wohn-Wahnsinn: Stadt reißt dieses Haus ab

Seit 68 Jahren steht am Hirschgarten ein Haus mit einem traumhaften Garten. Doch jetzt wird es abgerissen, weil die Stadt es so will.
von  Tina Angerer

Seit 68 Jahren steht am Hirschgarten ein Haus mit einem traumhaften Garten. Doch jetzt wird es abgerissen, weil die Stadt es so will

MÜNCHEN - Hinter der Tankstelle in der Nähe der Friedenheimer Brücke denkt man, da kommt nur noch ein grauer Hinterhof. Doch genau da tut sich auf einmal ein Idyll auf: Zwischen Bäumen und Sträuchern führt ein Kiesweg zu einem Holzhaus. Ein Feldhase hoppelt über den Weg, rauf auf den Hügel, der gleich neben dem Haus steht.

Nur ein Holzzaun trennt das Grundstück vom Hirschgarten. Jetzt will die Stadt das Haus abreißen, weil es zum Teil auf privatem Grund, zum Teil auf städtischem Grund steht. „Dabei könnte dort doch wirklich noch jemand wohnen”, sagt Besitzer Max Nußbaumer.
Nußbaumer ist 79 Jahre alt, seine Eltern haben das Haus 1944 hingestellt. Mitten im Krieg kaufte Nußbaumers Vater das Grundstück. Damals, so erzählt er, war das noch Gelände der Reichsbahn, also staatlich. Hitler wollte im Münchner Westen einen riesigen Bahnhof bauen, die Bahnlinie ging direkt neben dem Grundstück vorbei.

Anfangs standen dort nur ein Schafstall und eine Kohlenhandlung, später betrieb Nußbaumers Vater die Tankstelle hier, die noch heute in Betrieb ist. In dem Holzhaus wohnte die Familie, im Keller bauten sie einen Bunker, direkt daneben noch einen Bunker – unter dem Hügel, den der Hase gerade erklommen hat. „Ich habe hier als Kind die Bombennächte erlebt”, erzählt Max Nußbaumer.
Nach dem Krieg wurde die Bahnlinie verlegt. Ein Teil des Grundstückes, etwa 120 Quadratmeter, gehört seitdem der Stadt München – die Grenze verläuft an der Treppe zum Haus. Gestört hat das jahrzehntelang niemanden. Die Nußbaumers zahlten jedes Jahr Pacht an die Stadt. „Es gab da keinen schriftlichen Vertrag. Als mein Vater starb, habe ich diese Pacht einfach weiterbezahlt.”

Bis sich irgendwann ein städtischer Beamter fragte, was das denn für Zahlungen seien, die da ohne Vertrag eingehen. „Man hat uns daraufhin einen Pachtvertrag angeboten”, erzählt Nußbaumer. Einen, der nur ein Jahr gültig war. Das wollte Nußbaumer aber nicht. „Das Haus war ja vermietet, ich wollte Planungssicherheit.”

Heute bereut er diesen Widerspruch. Denn so wurde die Sache offiziell aufgerollt und landete vor Gericht. Das Problem: Weder Nußbaumer noch die Stadt besitzen noch Unterlagen über den Grundstückskauf und eine Baugenehmigung von vor 68 Jahren. „Damit ist das ein illegaler Bau”, sagt Katja Strohäcker vom Planungsreferat.

Vor Gericht einigte man sich auf einen Vergleich: Zehn Jahre sollten die Nußbaumers das Haus noch behalten dürfen, dann würde es abgerissen. Jetzt sind die zehn Jahre um. Ende September kommt der Bagger.

Je näher der Termin kommt, umso absurder erscheint es Nußbaumer, dass das schöne Haus einfach weggerissen wird. Seiner Verwandten, die dort zur Miete wohnte, hat er gekündigt. Das Areal ist Landschaftsschutzgebiet, es wird also auch nicht mehr bebaut. „Überall in München suchen Leute eine Wohnung. Und da reißt man einfach ein Haus ab”, sagt der Rentner kopfschüttelnd. „Da ist doch wunderbar Platz für eine Familie.”
Nußbaumer weiß natürlich auch, dass er rechtlich keine Handhabe hat. Ihm geht es aber nicht ums Geld. „Ich würde das Haus auch einem gemeinnützigen Verein zur Verfügung stellen. Oder als Unterschlupf für einen Naturkindergarten oder was auch immer.”

Für die Stadt ist die Sache aber eindeutig. „Das Haus steht illegal da. Mit dem Abriss stellen wir den rechtlich korrekten Zustand wieder her”. sagt Strohäcker. Da geht Bürokratie vor. Idyll hin oder her.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.