Wohin mit Münchens Tauben?

MÜNCHEN - Sie verschmutzen Gebäude und Gehwege und übertragen Krankheiten: 40000 Tauben flattern durch die Stadt. Jetzt sucht das Umweltreferat eine tierfreundliche Lösung
Früher hatte die Taube einen guten Ruf. Sie überbrachte Liebesbriefe oder trug geheime Botschaften durchs Sperrfeuer der Schützengräben. Heute ist das Ansehen der grauen Vögel dahin. Weil es zu viele von ihnen gibt, weil sie Krankheiten übertragen und die Innenstädte verschmutzen. Das ärgert auch die Münchner. Experten des Umweltreferats suchen jetzt nach einer Lösung für das Problem – und tun sich denkbar schwer.
Im Stadtgebiet München flattern etwa 10000 bis 40000 Tauben. Ihre Vorfahren waren Zuchttiere, die freigelassen wurden oder ihren Besitzern entkommen sind. Problematisch: Während die wilde Felsentaube nur vier Junge pro Jahr aufzieht, brütet die Stadttaube in diesem Zeitraum bis zu acht Mal. Und ihr Nachwuchs hat weit bessere Chancen zu überleben. In München ist das Taubenfüttern zwar seit 1996 verboten. Hungern müssen die Tiere aber nicht – dank weggeworfener Pommes Frites, Semmeln oder anderer Nahrungsreste. Das Ergebnis: Die Population wächst und mit ihm der Unmut der Bürger.
Der Stadtrat hat deshalb das Umweltreferat beauftragt, sich der Tauben anzunehmen. Der Tierschutzverein schlug das „Augsburger Modell“ vor. Seit 1997 wurden dort von der Kommune insgesamt zehn Taubenschläge gebaut, unter anderem in denkmalgeschützten städtischen Gebäuden, auf dem Dach der Uni-Bibliothek und im Dachgeschoss eines Bahnhofs. „Die Tauben werden kontrolliert, gefüttert und ihre Eier regelmäßig durch Attrappen ausgetauscht“, sagt Kurt Perlinger. Er ist Vorstand des Münchner Tierschutzvereins, der auf dem Tierheim-Gelände ebenfalls ein Taubenhaus betreibt, in dem 400 Stadttauben untergebracht sind. Das Ergebnis ist in Riem dasselbe wie in Augsburg: Die „Ratten der Lüfte“ fliegen nicht mehr bettelnd durch die Stadt und verschmutzen alles. Sie bleiben gesund und vermehren sie sich nicht mehr explosionsartig.
„Das ,Augsburger Modell’ ist sinnvoll, tierschutzgerecht und nachhaltig“, bestätigt Günter Wegrampf, Leiter der Abteilung Umweltschutz im Umweltreferat. Deswegen würde er es gerne auch in München einführen. Doch bislang spielen die Münchner nicht mit. Wegrampf: „Wir finden einfach keine Hauseigentümer, die bereit sind, auf ihrem Dach eine Taubenstation einrichten zu lassen.“ Freistehende Taubenhäuser seien in der Innenstadt aus Platzgründen nicht sinnvoll. „Deshalb haben wir rund um den Viktualienmarkt und in anderen Gebieten, in denen es Probleme gibt, etliche städtische, kirchliche und private Eigentümer angeschrieben – und nur Ablehnung geerntet.“
Nur ein Immobilienbesitzer sei bereit gewesen, sein Dach entsprechend umzugestalten. „Aber sein Haus steht in der Nähe eines Kindergarten und da hat die Gesundheitsabteilung in unserem eigenen Referat aus Hygiene-Gründen abgelehnt“, sagt Wegrampf.
Doch so schnell will der Stadtdirektor nicht aufgeben. Nach der Sommerpause wird er dem Stadtrat über die Probleme berichten – und erneut an die Münchner appellieren, ihre Oberstübchen für die Tauben zu öffnen.
N. Kettinger