Wo in München doch schöne Neubauten stehen

München - Austauschbar und uninspiriert - so lautet das Urteil, das viele Münchner über Neubauten in der Stadt fällen. Auch Architekt Rainer Hofmann, der mit seinem Büro Bogevischs den Elisabethmarkt neu plant, hat in der AZ vor kurzem geschimpft. Es gebe zu viel Architektur, "die keiner braucht".
Doch wenn man aufmerksam durch die Straßen geht, finden sich an vielen Ecken der Stadt doch gelungene zeitgenössische Bauwerke, findet Hofmann. Der AZ hat er einige von diesen gezeigt.

Sein Lieblingsprojekt dürfte vielen Münchnern bekannt sein: das Bellevue di Monaco an der Müllerstraße, in dem Geflüchtete leben, in dem es ein nettes Café im Erdgeschoss und einen Sportplatz auf dem Dach gibt.
Als eine Sozialgenossenschaft das Gebäude vor gut sechs Jahren übernahm, war es stark renovierungsbedürftig. Inzwischen sei "aus dem hässlichen Entlein", mit wenigen Mitteln, ein spannender Stadtbaustein geworden, sagt Hofmann. "Das Dach ist eine Wucht!"

Aber auch an weniger zentralen Orten kann man Neubauten entdecken, um die man die Bewohner beneiden kann. An der Hansastraße etwa (Bild oben) hat das Büro Dreisterneplus einen Komplex geplant, wo sich Wohnen und Arbeiten gelungen zusammenfügt, wie Hofmann meint. Er würde sich für die Stadt noch mehr gemischt genutzte Häuser wünschen - vor allem, was die soziale Zusammensetzung betrifft.
Doch es gibt aus seiner Sicht etwas, um das andere Städte München beneiden sollten: Das Prinzip der sozialgerechten Bodennutzung, das Bauherren oft dazu verpflichtet, einen Anteil der Wohnfläche preisgedeckelt zu vermieten. Hofmann hält das für einen großen Erfolg der Münchner Stadtplanung.
Welche Neubauten Rainer Hofmann außerdem gelungen findet:
Schwabinger Tor: Ein Feuerwerk der Gestaltung
Nein, Schwabing endet nicht an der Münchner Freiheit. Dahinter, entlang der Leopoldstraße, ist vor ein paar Jahren ein urbanes Quartier entstanden: das Schwabinger Tor, das sich wegen seiner Hochhäuser ein bisschen wie New York anfühlt. In neun Gebäuderiegeln gibt es 210 Wohnungen, viele Büros, Geschäfte und ein Fünf-Sterne-Hotel.

Architekt Rainer Hofmann lobt die feine Fassadengestaltung als ein „Feuerwerk“. Außerdem sei am Schwabinger Tor tatsächlich „ein Stück Stadt in der Stadt“ entstanden. Entwickelt hat das Maximilian Hurler, der eine Reihe Architekten dazu holte.
Riem: Grün im Grün
Am S-Bahnhof Riem hat eine Baugemeinschaft ein Wohnhaus im Grünen mit Grün entwickelt. Haus und Landschaft verzahnen sich miteinander ganz wunderbar“, findet Hofmann.

Vor etwa einem Jahr zogen die ersten Bewohner in die 35 Wohnungen. Beim Holzbau wurde Wert auf Nachhaltigkeit gelegt.
Werkswohnungen: Wo Mitarbeiter wohnen
Wohnraum ist knapp, Fachkräfte auch. Deshalb setzen mehr Firmen auf Werkswohnungen. So wie die B&O Gruppe (die selbst in der Wohnungswirtschaft tätig ist). Am Domagkpark in Schwabing hat das Büro Fink + Jocher für das Unternehmen diesen fünfgeschossigen Bau entworfen.

Für gelungen hält Hofmann die extravagante Holzaußenwand und den Dachüberstand. Innen gibt es außerdem ein mondänes, von oben belichtetes Treppenhaus. Und in Lounge-Wohnzimmern ist viel Platz zum Feiern, Kochen und Diskutieren.
Genossenschaftsbau: Bunt, aber nicht kitschig
Erst seit Oktober 2020 ist das Haus mit dem Namen „San Riemo“ bezogen. Es ist das erste Projekt der Genossenschaft Kooperative Großstadt und liegt, wie der Name vermuten lässt, in der Messestadt.

Neben Wohnungen mit günstigen Mieten gebe es ein riesiges Angebot an Gemeinschaftsflächen, sagt Hofmann. Gleichzeitig sei die Architektur vielfältig, bunt und doch nicht kitschig.
StudentenWohnheim: Aufregende Fassade in Schwabing
Sogar die Stadt fand für dieses Studentenwohnheim an der Werneckstraße 6a in Schwabing vor einem Jahr lobende Worte, als sie den Preis für Stadtbildpflege verliehen hat. Denn das Münchner Büro 03 Architekten sei mit der Umgebung, wo noch Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert stehen, besonders sensibel umgegangen.

Außerdem ermögliche die Gitterfassade ein lebendiges Spiel von Licht und Schatten, hieß es damals von der Jury. Auch Rainer Hofmann gefällt das vierstöckige Gebäude, weil es sich „wunderbar zwischen zwei Bestandsgebäude hineinfaltet und sich doch eine feine Eigenständigkeit bewahrt“.
Beim Dantebad: Wohnen über dem Parkplatz
In München gibt es Tausende Parkplätze und darüber ist in den meisten Fällen nichts als Luft. Am Dantebad ist das anders. Dort hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag gleich zwei Parkplätze mit Wohnungen überbaut. Rainer Hofmann bezeichnet das als „echte Win-Win-Situation“. Beide Gebäude hat der Münchner Architekt Florian Nagler gebaut. Das eine liegt direkt am Dantebad und wurde 2016 fertig. Das andere befindet sich ganz in der Nähe am Reinmarplatz. Hier entstanden 144 Wohnungen. Darunter können 144 Autos parken. Denn das ganze Gebäude wurde auf Stelzen errichtet. Eine Tiefgarage verwarf die Gewofag aus Kostengründen.

Die Miete in dem Stelzenbau liegt zwischen 9,60 Euro und elf Euro pro Quadratmeter. Einziehen können auch einige Familien, denn ein Großteil der Wohnungen hat drei oder vier Zimmer. Nicht nur für Kinder könnte die Dachterrasse spannend werden: Denn da steht eine Rutsche, aber auch Hochbeete soll es im Sommer geben, erzählte die Gewofag bei einem Rundgang. Neben Parkplätzen bieten laut Gewofag auch Flächen über Supermärkten Potenzial. An der Tübinger Straße überplant die Gewofag ein Lidl-Grundstück.
Togal-Werke: Wohnen an der Tablettenfabrik
Einst wurden auf dem Togal-Gelände in Bogenhausen Schmerztabletten produziert. Heute heißt der Komplex „Lagot“. Rückwärts gelesen kommt man wieder bei den Schmerztabletten heraus. Produziert wird auf dem Areal aber nichts mehr. Dort liegen nun Wohnungen und Büros – in der gehobenen Preisklasse.

Warum es Hofmann gefällt? Weil sich hier Alt- und Neubauten ein Quartier teilen, weil sich das Neue zwar einordnet, „aber nicht unterordnet“. Tatsächlich ist der Altbau etwas Besonderes. Er steht unter Denkmalschutz. Einst befand sich darin die Verwaltung der Togal-Werke. Inzwischen wurde sie zur noblen Stadtvilla umgestaltet. Im Erdgeschoss liegen Büros, oben Wohnungen.