Wo, bitte, sind moderne Folterinstrumente?
Zum 50. Jubiläum von Amnesty International engagieren sich auch Polt und Pelzig. Die beiden Kabarettisten stehen im AZ-Interview Rede und Antwort.
München - Im Mai 1961 rief der britische Anwalt Peter Benenson dazu auf, sich für vergessene Gefangene einzusetzen. Daraus entstand Amnesty International, die Organisation mit Stacheldraht und Kerze im Logo. Die Menschenrechtsorganisation zählt nach eigenen Angaben mehr als drei Millionen Mitglieder und Unterstützer weltweit. Zum Jubiläum hat sich die AZ mit zwei prominenten Unterstützern unterhalten.
AZ: Herr Barwasser, Herr Polt, Sie engagieren sich für Amnesty International, und der Thementisch ist reich gedeckt: ein international gesuchter Terrorist wird erschossen, in Libyen und Syrien richten Diktatoren ihre Panzer auf das eigene Volk.
FRANK-MARKUS BARWASSER: Wenn sich die deutsche Kanzlerin über den Tod von Bin Laden so offensiv freut und es in den USA ausgelassene Autokorsi gibt wie nach einem Fußballspiel, dann ist das eine besondere Gelegenheit für einen wie Erwin Pelzig, über Freude nachzudenken. Erkennt man die Kultur einer Gesellschaft auch daran, worüber sie sich freuen kann?
Sie sind bei einer ausverkauften Gala zugunsten von AI aufgetreten. Bereitet man sich darauf anders vor als auf einen gewöhnlichen Auftritt?
BARWASSER: Man sucht nach deutlichen Bezügen zum Thema Menschenrechte, und ich habe dafür einige Passagen neu geschrieben. Die Nachrichtenlage ist in der Tat eine reiche Inspiration.
Herr Polt, Ihre Geschichte vom Fremdenführer, der die Folterkammer stolz als Höhepunkt der Burgführung präsentiert, hat man auch schon vor 20 Jahren gehört. GERHARD POLT: Ja, das ist eine uralte Geschichte, aber ich habe sie lange nicht mehr erzählt. Diese unschuldige Zurschaustellung von Folter ist auch nach 50 Jahren Amnesty International nicht ausgestorben. Und dass dann Gäste fragen, ob sie nicht moderne Folterinstrumente sehen können, wie ich es auf der Bühne erzähle, ist eine wahre Geschichte. Das habe ich wirklich einmal so erlebt.
Was kann ein Kabarettist hier bewirken?
POLT: Vielleicht bleibt etwas hängen von dem, was ich sage, aber darauf habe ich keinen Einfluss. Deswegen ist es banal, darüber nachzudenken. Mir geht zum Beispiel Karl Valentins Traum von einer Ente nicht aus dem Kopf. Ein anderer hat sie längst vergessen.
BARWASSER: Man kann die Wirkung von Kabarett gar nicht genug überschätzen. Ich bilde mir jedenfalls nicht ein, dass ich etwas verändere.
Wenn Sie befürchten müssen, dass Ihre Gags bald vergessen sind: Warum gehen Sie immer noch auf die Bühne?
POLT: Die Motivation kommt von innen, nicht aus der möglichen Wirkung des Gesagten.
BARWASSER: Dennoch: Pelzig geht es bei Menschenrechten wie bei anderen Themen darum, Verbindungen aufzuzeigen – zum Beispiel, dass Hartz-IV-Empfänger vorgeschlagen wurden, um erst Laub, dann Schnee und schließlich Hundescheiße wegzuräumen. Nun kommt für mich die Pointe: Jetzt sollen sie Senioren pflegen. Laub kann sicher jeder wegfegen, aber alte Menschen pflegen? Das ist ganz schön respektlos gegenüber den Alten aber auch gegenüber gelernten Pflegekräften.