Wo, bitte, sind die Fachkräfte in der Landeshauptstadt?

Knapp 45 000 Münchner waren im vergangen Jahr arbeitslos. Darunter befinden sich laut Agentur für Arbeit jedoch wenige gut ausgebildete Fachkräfte - ein Luxusproblem.
Anja Perkuhn |
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Die Agentur für Arbeit hat die Jahresbilanz für München veröffentlich.
dpa Die Agentur für Arbeit hat die Jahresbilanz für München veröffentlich.

München - Die bayerische Landeshauptstadt hat ein Luxusproblem: München hat verhältnismäßig wenige gut ausgebildete Arbeitslose.

Das bedeutet: Es gibt recht viele schwer vermittelbare Jobsuchende – und viele gut ausgebildete Menschen mit einem Job. „Der Münchner Arbeitsmarkt hat 2014 ein Erfolgsjahr erlebt, das Jahr hat sehr gut geendet“, sagt Harald Neubauer von der Agentur für Arbeit.

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Arbeitslos waren aber durchschnittlich mehr als 45 000 Münchner. Außerdem sind Fachkräftemangel und fehlende Azubis weiterhin ein Problem. Eine Übersicht zum Arbeitsmarkt-Bericht 2014.

42 083 Menschen waren im Dezember 2014 im Raum München arbeitssuchend gemeldet – 30 mehr als im Vormonat, aber 565 weniger als im Dezember 2013. Die Arbeitslosenquote lag in beiden Monaten bei 4,4 Prozent, so niedrig wie im gesamten Jahr 2014 nicht.

Ab einer Quote von 3,0 Prozent spricht man von einer „Vollbeschäftigung“ der Bevölkerung. „Im Landkreis München wären wir isoliert betrachtet bereits in der Vollbeschäftigung“, sagt Neubauer – die Quote dort lag im Dezember bei 2,7 Prozent (4727 Menschen); in der Landeshauptstadt waren es 4,8 Prozent.

Die Arbeitslosenquote Münchens lag im Jahresüberblick.

12 008 arbeitslose Münchner kamen im Dezember neu dazu

Zum Vergleich: In Stuttgart lag die Arbeitslosenquote bei 5,4 Prozent, in Mannheim bei 5,9 – in Hamburg sind es sogar 7,2 Prozent, in Berlin 10,5. „Menschen, die Probleme in ihrem sozialen Umfeld haben, wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, tendieren dazu, in die Stadt zu ziehen“, erklärt Neubauer. So bestehe immer ein gewisses Land-Stadt-Gefälle.

Durchschnittlich waren im vergangenen Jahr 45 947 Münchner arbeitslos – 2013 sind es 44 966 gewesen. Im sehr guten Jahr 2012 waren es nur 41 798. Der Wendepunkt für den guten Abschluss im Arbeitsjahr 2014 war nach Agenturangaben der Juli: Die Münchner Wirtschaft hatte so viel Bedarf, dass zunehmend auf Arbeitslose zugegriffen wurde. Vorher hatte zwar die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zugenommen, die Arbeitslosigkeit war aber nicht im selben Maß zurückgegangen: Die Arbeitgeber hatten eher auf zugezogene Arbeitnehmer gesetzt.

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2014 wurden mehr Menschen entlassen als 2013: 12 008 Männer und Frauen haben sich im Münchner Raum im Dezember als neue Arbeitssuchende gemeldet – 1547 mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. 5779 kamen dabei aus einer Erwerbstätigkeit, wurden also entlassen oder – was seltener der Fall ist – haben selbst gekündigt beziehungsweise hatten in einem befristeten Job gearbeitet. Diese Zahl ist im Grunde beunruhigend, „dahinter muss man ein Aufrufezeichen setzen“, sagt Neubauer.

11 917 Frauen und Männer haben ihre Arbeitslosigkeit im Dezember beendet. „Im Zusammenhang mit den Neu-Arbeitslosen bin ich da schon erleichtert“, sagt Neubauer. Damit fanden 1161 Menschen mehr eine Beschäftigung als im Vorjahres-Monat.

„Wir bräuchten den Beruf des Metzgertronikers.“

Die Jugendarbeitslosigkeit war 2014 geringer als 2013: Im Dezember waren 2642 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren beschäftigungslos (2,9 Prozent) – 109 weniger als im Vorjahr. Im November 2014 waren es noch 2722. Es wurden im Berufsausbildungsjahr 1553 offene Ausbildungsstellen nicht besetzt. Dabei handelt es sich zum größten Teil um Azubi-Stellen im Handwerk. „Da wird es von Jahr zu Jahr schwieriger“, sagt Neubauer. „Der Trend zum Bäckerberuf ist vorbei, bei den jungen Menschen sind vor allem Berufe beliebt, die mit den Worten ,Management’ oder ,Gestaltung’ enden, oder ,-tronik’.“ Und ergänzt scherzhaft: „Wir bräuchten den Beruf des Metzgertronikers.“

Die Jugendarbeitslosigkeit ist gesunken. Die 2,9 Prozent im Dezember waren der tiefste Wert von 2013/2014.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften war im Dezember auf dem Jahres-Höchstniveau: Im Dezember wurden der Agentur 3195 freie Stellen gemeldet - damit standen 1688 Stellen mehr zur Verfügung als noch 2013. Allerdings fällt es laut Agentur für Arbeit weiterhin schwer, diese Stellen zu besetzen. Grund ist der Fachkräftemangel, vor allem im Pflege- und Sozialbereich, im Handel und bei den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) – von den nicht besetzten Jobs handelt es sich etwa bei 80 Prozent um Fachkräftestellen. „In der Pflege explodiert der Bedarf, die Ausbildung hält aber nicht Schritt“, sagt Neubauer. „Pflegeberufe sind als weniger attraktiv angesehen als andere, deshalb ergreifen viele sie nicht.“

Fachkräfte mit Arbeitserfahrung finden sich bei den älteren Arbeitslosen 50+, die wegen der bei Arbeitgebern oft noch vorhandenen Vorurteile wie häufigerer Krankschreibungen aber nach Agentur-Angaben von Neubauer immer noch ungern eingestellt werden. Die Zahl der älteren Arbeitslosen lag im Dezember 2014 bei 13 144. Das entspricht einer Quote von 5,7 Prozent – 0,2 Prozentpunkte weniger als im Dezember des Vorjahres.

Die Arbeitslosenbilanz bei älteren Menschen in der Jahresbilanz 2014.

Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, der seit dem 1. Januar gilt, hat laut Neubauer so gut wie keinen Einfluss auf den Münchner Arbeitsmarkt. „Das Lohnniveau ist hier ohnehin schon hoch und wer vor dem Mindestlohn schwarz gearbeitet hat, der arbeitet leider auch weiter schwarz.“

Grafiken: Agentur für Arbeit

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