Wissenschaftsminister Heubisch diskutiert mit Studenten
MÜNCHEN - Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) wagt sich in die Höhle des Löwen und diskutiert mit den Besetzern des Audimax in der Ludwig-Maximilians-Universität.
Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) wagt sich in die Höhle des Löwen – und die Löwen verteidigen ihr Revier mit großer Kampfeslust. Das besetzte Audimax der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) platzt am Montagabend aus allen Nähten. Noch in den Türen drängen sich die Studenten, um mitzuerleben, wie sich Heubisch in ihrer Arena schlägt. Ihnen wird ein Kampf auf hohem rhetorischem Niveau geboten.
Besonders als es um die Studiengebühren geht, prasselt von allen Seiten aus dem Kreis der rund 1200 Studenten ein Feuerwerk aus Paragrafen und Artikeln auf Heubisch ein. Vom „Recht auf Bildung“ ist die Rede, „Reiche Eltern für Alle!“ fordert ein Plakat im größten Hörsaal der Uni. Stoisch wiederholt der Wissenschaftsminister, dass die Studiengebühren bleiben werden. „Trotz Studiengebühren haben wir in Bayern 30 Prozent mehr Studierende“, sagte er und fügt hinzu: „Die Studiengebühren haben einen nachhaltigen Erfolg gezeigt.“
Die Studenten pfeifen nicht. Stattdessen kreuzen sie wortlos die Arme vor ihrem Körper – das lautlose Zeichen für „Nein“, das die resolute Moderatorin zuvor mit ihnen eingeübt hat. Schon nach dem ersten Satz von Heubisch, in dem er von seinen Studienerfahrungen in eben diesem Audimax vor 40 Jahren erzählen wollte, haben die Studenten mit ihren Händen einen imaginären Punkt in die Luft gezeichnet – das Zeichen für „Komm auf den Punkt“. Malte Pennekamp, Sprecher der Landesastenkonferenz Bayern, greift Heubisch mit den Worten an: „Sie können Ihr Basta noch tausendmal wiederholen. Unser Protest wird länger Bestand haben als Ihr Basta.“ Da erhebt sich mit etwas Zeitverzögerung tosender Applaus aus dem Hörsaal nebenan. Dort verfolgen noch einmal Hunderte Studenten die Diskussion auf einem Live-Screen.
Seit dem 11. November halten Münchner Studenten das Audimax der LMU besetzt – in allabendlichen Plenarsitzungen haben sie einen Forderungskatalog ausgearbeitet, den sie Heubisch nun präsentieren. Neben der Abschaffung der Studiengebühren verlangen sie vor allem mehr Mitsprache der Studenten in allen Belangen der Hochschule. Wie es in 14 anderen Bundesländern der Fall ist, fordern sie auch für Bayern „verfasste Studentenschaften“, die ein politisches Mandat tragen und über ihre finanziellen Mittel selbst bestimmen. Heubisch sagt zu, diese Möglichkeit zu prüfen, doch ein Student erwidert: „Die verfasste Studierendenschaft wird seit 36 Jahren geprüft – bis sie kommt, habe sogar ich graue Haare.“
Heubisch hat es nicht leicht mit den Studenten, die zwar diszipliniert sind, aber auf jedes seiner Argumente zehn Gegenargumente haben. Auch wenn er wie bei einer Reform der Bachelor- und Masterstudiengänge Kompromissbereitschaft signalisiert und überflüssige Studieninhalte aus dem Lehrplan werfen will, kritisiert ihn Germanistik-Studentin Roxanne P.: „Es geht nicht darum, Studieninhalte rauszuwerfen. Studierenden sollen selbst entscheiden, was ihre Schwerpunkte sein sollen.“
Auch die Unterfinanzierung der Hochschulen wird angesprochen. „Wie wäre es denn, wenn man im Landtag zwei Abgeordnete auf einen Abgeordnetenstuhl setzt – das würde nicht gehen, aber das macht man bei uns“, wirft ein Student angesichts chronisch überfüllter Hörsäle ein. Und ein anderer wundert sich, dass die Naturwissenschaften „unglaubliche Geldberge“ zur Verfügung haben, es bei den Geisteswissenschaften aber oft nur einen Professor für 2000 Studenten gebe.
„Sie rechtfertigen sich nur, aber unternehmen nichts“, bemängelt Studenten-Sprecherin Maria. Heubischs Vorschlag, die Situation an den Hochschulen bald auch mit Vertretern anderer Parteien „breit zu diskutieren“, findet nicht überall Anklang. „Sie wollen mit jedem reden, aber Sie hören auf niemanden“, wird ihm vorgeworfen. „Ich habe gesagt, dass ich das einsehe! Was soll ich denn noch mehr sagen“, entgegnet der bis dahin äußerst gelassen gebliebene Heubisch mit wachsender Verzweiflung. Die Löwen haben ihre Beute gefunden.
Nicole Grün, dpa