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"Wird Licht ausgeblasen": Experte rechnet nach Benko-Aus und Signa-Insolvenz mit Schließung aller Galeria-Kaufhäuser in München

René Benkos Signa Holding ist zahlungsunfähig. Damit ist das Aus für die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof nicht mehr abzuwenden, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann. Auch für München rechnet er damit, dass alle Filialen nach dem Weihnachtsgeschäft schließen müssen.
von  Nina Job
Das Erbe von René Benko macht der Münchner Innenstadt noch zu schaffen.
Das Erbe von René Benko macht der Münchner Innenstadt noch zu schaffen. © Marcel Kusch/dpa

München - Nun sind die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden: Die Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko ist zahlungsunfähig. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Konzern am selben Tag in Wien Insolvenz in Eigenverantwortung anmelden wird. Dies wird das Aus für die Kaufhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof bedeuten, meint der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann . Der 63-Jährige aus NRW ist Experte für E-Commerce, Online-Handel, Multi-Channel-Handel und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Zukunft des Handels.

Der Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann rechnet damit, dass alle Kaufhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof schließen müssen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann rechnet damit, dass alle Kaufhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof schließen müssen. © privat

Seit 2005 ist Heinemann Professor für BWL, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, wo er das eWeb Research Center leitet. Er sagte zur AZ, dass die Insolvenz der Signa-Holding "eines der aufwendigsten und langwierigsten Insolvenzverfahren überhaupt" nach sich ziehen werde. Der Grund seien die "starken Verflechtungen" und die Intransparenz innerhalb des Signa-Konzerns, in dem sich -  wenn überhaupt - nur eine Person auskennt: René Benko. "Deshalb ist der Ausgang des Insolvenzverfahrens völlig unberechenbar", so der Wirtschaftsprofessor.

Wirtschaftsexperte: Signa hat nicht genug gezahlt – nun fehlt Geld für den Insolvenzplan von Galeria

Teil der Signa ist auch der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, er gehört Signa zu 100 Prozent. "Tatsache ist, dass die Signa nur einen Bruchteil der Zuschüsse für Galeria Karstadt Kaufhof  getätigt hat, die die Holding aufgrund der Auflagen aus der jüngsten Insolvenz hätte tätigen müssen – es sollten 200 Millionen Euro in die Warenhaus-Gruppe eingeschossen worden", sagte Heinemann der AZ.

"Offenbar ist nur ein Bruchteil des Geldes an GKK (Galeria Karstadt Kaufhof/die Red.) gezahlt worden. Der Rest fehlt und wird auch nicht mehr kommen." Aus diesem Grund werde der Insolvenzplan, der nach der zweiten Insolvenz aufgestellt wurde, für Galeria nicht mehr aufgehen.  

Die Galeria-Filiale am Marienplatz in München. Droht auch ihm das Aus?
Die Galeria-Filiale am Marienplatz in München. Droht auch ihm das Aus? © IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Galeria Kaufhäuser: Nach dem Weihnachtsgeschäft werden die Geschäfte schließen müssen – auch in München

"Es ist aus diesem Grund nicht verwunderlich, dass das Management von Galeria bereits über das Aussetzen von Mietzahlungen spekuliert, die beträchtlich sind", sagt Gerrit Heinemann. "Sie bewegen sich offenbar in einer Größenordnung von 200 Millionen Euro pro Jahr. Das kann der Insolvenzverwalter der Dachgesellschaft nicht zulassen. Das ist auch rechtlich nicht möglich." Der Handels-Experte aus NRW sieht für die Zukunft der 92 Galeria-Häusern (insgesamt 13.000 Mitarbeiter) schwarz. Aktuell gibt es in  München noch vier: Galeria am Marienplatz, am Rotkreuzplatz in Neuhausen, im Olympiaeinkaufszentrum (OEZ) und in Schwabing.

Heinemann zur AZ: "Damit ist völlig klar: Im Weihnachtsgeschäft werden die Lichter in den Warenhäusern noch brennen - auch weil aktuell noch ausreichend Cash in die Kassen kommt. Aber spätestens Anfang nächsten Jahres, wenn die Lichter am Weihnachtsbaum ausgeblasen werden, wird auch das Licht von Galeria ausgeblasen".  Der Wirtschaftsprofessor hatte bereits mit seiner Vorhersage, dass die Signa Holding diese Woche Insolvenz anmelden würde, recht. Lediglich mit dem Tag hatte er sich leicht vertan. Er hatte diesen Schritt bereits für Dienstag vorhergesagt. Nun ist es Mittwoch geworden.

Aus für Kaufhauskette Galeria? Unternehmen will sich nicht äußern

Der Unternehmenssprecher von Galeria wollte sich auf Anfrage zu einem möglichen Aus für die Kaufhauskette nicht äußern. Aus Unternehmenskreisen erfuhr die AZ, dass Galeria aktuell keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Geschäft befürchte. Die Häuser würden schwarze Zahlen schreiben, das Vorweihnachtsgeschäft laufe gut bis sehr gut. Lediglich die Pläne für zwei Galeria-Neubauten müssten vorerst auf Eis gelegt werden.

Eine von Benkos Großbaustellen in München: In das Warenhaus-Denkmal gegenüber vom Hauptbahnhof sollte eigentlich Galeria wieder einziehen. Das Versprechen wurde gebrochen.
Eine von Benkos Großbaustellen in München: In das Warenhaus-Denkmal gegenüber vom Hauptbahnhof sollte eigentlich Galeria wieder einziehen. Das Versprechen wurde gebrochen. © anf

Galeria beabsichtigt offenbar, Mietzahlungen an die Signa, vorerst auszusetzen. Diese betragen knapp 200 Millionen Euro. Damit könnte die Summe, die Galeria laut Insolvenzplan von der Signa eigentlich in den kommenden Jahren bekommen sollte -  und die in der aktuellen Situation nicht mehr zu erwarten sind - quasi ausgleichen. Ob dies rechtlich zulässig ist, wird sich zeigen. Gut möglich, dass sich Signa und Galeria wegen ausstehender Millionensummen wechselseitig verklagen werden.

 Laut Immobilienzeitung gehört die Bayern LB zu den größten Finanzierern der Signa

Erst einmal fein raus scheint momentan der Freistaat, der die Alte Akademie mitten in der Fußgängerzone in München an eine Signa-Tochter im Erbbaurecht verpachtet hat. Pachtzahlungen stehen offenbar keine  aus. Man habe eine Einmalzahlung erhalten, teilte die Immobilien Bayern der AZ mit. Einen Plan, wie verhindert werden kann, dass die Baustelle mitten in der Stadt für Jahre stillliegt, hat der Freistaat aber offenbar nicht. 
Wie berichtet, wurden die Bauarbeiten vor kurzem von der Signa gestoppt. Der Freistaat will nun erst mal abwarten, "inwieweit sich die Insolvenz der Signa Holding auf Projektgesellschaften auswirkt", so die Immobilien Bayern.


Finanzielle Auswirkungen könnten dem Freistaat aber in anderer Hinsicht drohen: Wie die "Immobilienzeitung" (IZ) am Mittwochabend berichtete, gehört die Bayern LB, die Hausbank des Freistaats, mit zu den größten Finanzierern der Signa.   

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) konnte sich gestern einen Seitenhieb gegen den Freistaat nicht verkneifen. Er sagte: "Man muss aufpassen, an wen man was veräußert. Es ist ein Signal, dass man staatliches Eigentum nicht veräußert." Andere Städte hätten "Exit-Strategien" in ihre Verträge reinverhandelt. "Ich bin gespannt, ob das der Freistaat auch getan hat", so Münchens OB.

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