„Wir wollen in München die Führung übernehmen“

Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Rathaus über das derzeit diffuse Bild der Schwarzen in München, die schwierige Lage der Volksparteien, seine Zukunftsthemen und OB-Ambitionen
von  Abendzeitung
CSU-Ratsfraktionschef Josef Schmid (l.) im Gespräch mit AZ-Rathaus-Reporter Willi Bock
CSU-Ratsfraktionschef Josef Schmid (l.) im Gespräch mit AZ-Rathaus-Reporter Willi Bock © Gregor Feindt

Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Rathaus über das derzeit diffuse Bild der Schwarzen in München, die schwierige Lage der Volksparteien, seine Zukunftsthemen und OB-Ambitionen

AZ: Herr Schmid, die Münchner CSU zeigt inzwischen ein diffuses Bild: Manchen Mitgliedern geht es mit Ihnen zu sehr nach links, Bezirkschef Otmar Bernhard schielt nach den Grünen, Stadtrat Georg Kronawitter rebelliert gegen das CSU-Wunschprojekt 2.Stammstrecke, und Fraktions-Vize Hans Podiuk deckt den konservativen Bereich ab. Wohin geht diese CSU?

JOSEF SCHMID: Die Fraktion gibt überhaupt kein diffuses Bild ab, sondern durchdenkt weitreichende politische Entscheidungen – anders als die SPD – offen. Das ist eine Stärke, die aus der Verantwortung gegenüber den Bürgern und dem Charakter einer Volkspartei erwächst. Früher gab es an die Fraktion die Erwartung, die Dinge, die die frühere Staatsregierung schon beschlossen hatte, ganz schlicht zu übernehmen. Wir nehmen für uns in Anspruch, politische Fragen noch einmal zu durchdenken, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln oder auch nur vor einer Entscheidung kritische Fragen zu stellen. Das habe ich bei meinem Amtsantritt angekündigt. Das ist das Gegenteil eines diffusen Bildes. Das ist für mich die verantwortungsvolle Ausübung unseres Amtes.

Dass nach fast 20 Jahren Planung ausgerechnet die Münchner CSU die Stammstrecke anzweifelt, hat Brisanz.

Die Planungen haben sich seit 2001 verändert: z. B. kein 10-Minuten-Takt mehr, weniger Haltestellen in der City. Wenn die für die 2. Stammstrecke und die Flughafenanbindung mindestens benötigten drei Milliarden Euro einmal ausgegeben sind, ist das Geld weg. Also muss man nachdenken, was die beste Lösung ist, denn es gibt neben diesen beiden noch ein weiteres großes Schienenverkehrsproblem: die Fernbahnanbindung, die Magistrale für Europa.

Wo setzen Sie neue Themen und Positionen?

Das beginnt bei der Integrationspolitik. Wir haben uns auch im Zusammenhang mit der Nachvereidigung des rechtsradikalen Stadtrats als Partner im Kampf gegen den Extremismus, ob links oder rechts, im Münchner Rathaus als ein Eckpfeiler der Demokratie bewährt. Auch beim Thema Großstadtgefühl und im Sozialbereich gab es eine offene und mitfühlende CSU-Politik.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel, dass wir die staatlichen Unterkünfte für Asylbewerber nicht für menschenwürdig gehalten haben. Darin ist uns die CSU-Landtagsfraktion gefolgt. Auch dass wir uns um die von China unterdrückten Uiguren kümmern, denen es ähnlich geht wie dem Dalai Lama und den Tibetern.

Gerade das Thema Uiguren hat zu heftigen Debatten an der CSU-Basis geführt.

Ja. Ich bin zu Ortsverbänden gegangen, zu Verbänden der Senioren Union und Jungen Union. Nachdem ich erklärt habe, dass der Kampf für deren Menschenrechte auch nach der Lehre von Franz Josef Strauß eine urchristlich soziale Politik ist und dass sich ein kommunistisches Regime nicht an die Menschenrechte hält, wurde das sehr schnell verstanden.

Wie sehen Ihre neuen Akzente in der Integration aus?

Wir haben viele muslimische Gruppen, Vereine und Institutionen besucht und werden es weiter tun. Wir haben klipp und klar erklärt, dass wir bei der Gründung eines islamischen Ausbildungszentrums von Anfang an dabei sein werden. Weiter haben wir in der CSU München den Fachausschuss „Integration“ gegründet. Sie glauben nicht, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund sich an die CSU wenden, weil sie die Integration als wichtiges Thema ansehen und sich da bei der CSU gut aufgehoben fühlen.

Sehen Sie die Moschee am Gotzinger Platz inzwischen mit anderen Augen?

Nein. Ich glaube nicht, dass sie kommen wird. Der Moscheeverein Ditim scheint nicht besonders erfolgreich zu sein, Gelder zu akquirieren. Die Moschee wäre dort auch falsch.

Manchem an der Basis geht die neue Entwicklung zu weit.

Wir sind eine Volkspartei, und die Zeiten für Volksparteien sind schwerer geworden. Wir erleben gerade einen gesellschaftlichen Wandel. Das gilt auch für unsere Partei.

Was schließen Sie daraus?

Dass da stärker diskutiert werden muss. Das ist auch die Rosskur, die ich der Stadtratsfraktion verschrieben habe. Denn wir haben es in diesen Zeiten des Wandels nötig, über die Standortbestimmung der CSU zu diskutieren und gegebenenfalls neu zu definieren: Was ist eine moderne, weltoffene, aber dennoch im besten Sinne des Wortes wertkonservative Großstadtpartei? Das ist ein Spagat.

Wir erleben an der Stärkung der kleinen Parteien, dass es den großen Parteien immer weniger gelingt, die ganze Bandbreite abzudecken. Deshalb bin ich froh, dass wir konservativere Mitglieder in der Fraktion haben und liberalere. Das hat die CSU schon immer ausgemacht. Unsere Bandbreite müssen wir im 21. Jahrhundert auch verorten können. Dann können wir in München mit einem Führungsanspruch regieren, weil wir dann die stärkste Fraktion sein werden. Auf diesen Weg haben wir uns gemacht.

Womit werden Sie München 2010 überraschen?

Wir wollen uns der von Rot-Grün verfehlten Schulpolitik, dem immer noch schwächelnden Wohnungsbau, der Kinderbetreuung und dem Problem der Arbeitslosigkeit stärker widmen und mit eigenen umweltpolitischen Initiativen verstärkt Akzente setzen.

Wenn die CSU so das Kräftemessen mit den Grünen sucht, wird die schwächelnde SPD dann zwischen Schwarz und Grün zerrieben?

Der Wettkampf findet heute zwischen allen politischen Parteien statt. Die alte Lagerbildung gibt es nicht mehr. Und die Zahl der Stammwähler geht dramatisch zurück. Immer mehr Menschen entscheiden sich immer kürzer vor der Wahl, wen sie wählen. Da muss man einen Politik-Mix anbieten. Darum bietet die Münchner CSU auch kein diffuses Bild, sondern wir haben viele Themenfelder, auf denen wir uns um neue Positionen bemühen. So entsteht ein Gesamtbild, das möglichst viele Menschen in der Stadt anspricht. Ich halte unsere Themen für Zukunftsthemen, bei denen wir als CSU Führungspositionen einnehmen müssen.

Das hört sich so an, dass Sie bei allen Spekulationen um andere Namen 2014 wieder OB-Kandidat werden wollen.

Natürlich will ich eine tragende Rolle spielen. Unser Konzept ist, dass der Kandidat ein zweites Mal zur Verfügung stehen soll, weil er im ersten Anlauf gegen einen populären Amtsinhaber Christian Ude keine reelle Chance hatte. Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit mit zu vielen OB-Kandidaten gelernt. Deswegen stehe ich zur Verfügung.

Wer ist Ihr Wunsch-Gegner?

Die SPD ist stark vernetzt und verankert. Deshalb wird es gegen keinen SPD-Kandidaten leicht. Frau Strobl ist eine gestandene und für viele Münchner akzeptable Kandidatin. Herrn Reissl fehlt es an Bekanntheit, aber er versucht, durch eine volkstümliche Art auch potenzielle CSU-Wähler anzusprechen. Nida-Rümelin wäre am ehesten in der Lage, in die intellektuellen Fußstapfen Christian Udes zu treten. Aber ob er auch die Menschen in ihren Alltagsproblemen wahrnimmt? Über diese kann man nicht hinweg philosophieren. Interview: Willi Bock

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