Wir haben Neonazis unterschätzt

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gibt zu, die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremisten unterschätzt zu haben: Morde hätte er ihnen nicht zugetraut.
von  wbo
Der Innenminister von Bayern, Joachim Herrmann (CSU).
Der Innenminister von Bayern, Joachim Herrmann (CSU). © dapd

MÜNCHEN - Jahrelang haben die Neonazi-Mörder der Zwickauer Terrorzelle die Ermittler und Verfassungsschützer an der Nase herumgeführt. Fünf ihrer zehn Morde sind in Bayern geschehen.
Jetzt gibt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu: „Wir haben dem Großteil der Szene Morde nicht zugetraut.” Und: „Brutale Gewalt gegen Ausländer war nicht auszuschließen, aber derart kaltblütig geplante Morde haben alle überrascht.”

Er habe die Gewaltbereitschaft von Rechtsextremisten selbst unterschätzt, gestand er im Interview mit der „SZ”. Späte Selbstkritik.
Die neun so genannten „Dönermorde” an Türken und Griechen und der Mord an einer Polizistin werden den mutmaßlichen Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt (†) und Uwe Mundlos (†) vorgeworfen. Jahrelang konnten Ermittler keinen Zusammenhang feststellen.

Nachdem die Mordserie aufgedeckt worden war, hatte Herrmann gehofft, „dass die Mitläufer in der Szene nun auf Distanz gehen würden”, weil sie mit Mord nichts zu tun haben wollten. Das Gegenteil sei eingetreten: „Leider beobachten wir aber eine stärkere Solidarisierung in der Szene. Die Rechtsextremisten treten dreister und aggressiver auf.”

In München hatten sie kürzlich bei einer Demo das Paulchen-Panther-Lied gespielt: quasi eine Erkennungsmelodie der Neonazi-Mörder.

Die fünf Morde in Bayern: Am 9. September 2000 wird in Nürnberg ein türkischer Blumenhändler erschossen, am 13. Juni 2001 in Nürnberg türkischer Änderungsschneider, am 29. August 2001 in München der türkische Gemüsehändler Habil Kilic, am 9. Juni 2005 in Nürnberg ein Dönerstandbesitzer, am 15. Juni 2005 in München der Grieche Theodorous Boulgarides.

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