Wingly: So werden Hobbypiloten und Flugbegeisterte verbunden

Mitflugzentrale Wingly vernetzt Hobbypiloten und Fluginteressierte. Die heben gemeinsam ab – und teilen die Kosten. AZ-Reporterin Katharina Burkhard ist mitgeflogen.
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Über die Wolken für 89 Euro: AZ-Reporterin Katharina Burkhard ist in dieser Zweisitzer-Cessna bei der "Berge & Seen After Work Week Tour" mitgeflogen.
Katharina Burkhard Über die Wolken für 89 Euro: AZ-Reporterin Katharina Burkhard ist in dieser Zweisitzer-Cessna bei der "Berge & Seen After Work Week Tour" mitgeflogen.

Fliegen liebt Jan Bonitz (49) aus der Nähe von Landsberg am Lech. Besser gesagt: Er liebt es jetzt. Denn in seinen Jugendjahren litt er unter Flugangst. Keine zehn Piloten konnten ihn in einen dieser Zwei- oder Viersitzer lotsen.

Eine Bekannte schlug ihm vor einigen Jahren vor, sich mit einem befreundeten Fluglehrer zu treffen und es "einfach mal auszuprobieren". Nach einiger Überwindung setzte sich Bonitz in die Maschine, das Abheben "überlebte" er und als sie sich in der Luft befanden, sagte der Pilot plötzlich: "So, und jetzt fliegst du." Zurück bei Freunden verkündete Bonitz später: "Ich glaube, das taugt mir. Ich will den Flugschein machen."

"Keine Gefühle, dafür viel Konzentration", sagt er. Dann hebt er ab

20.000 Euro, 63 Flugstunden und knapp zwölf Jahre später befinden sich Jan Bonitz und die AZ-Reporterin auf dem Flugplatz Jesenwang, 40 Minuten westlich von München. Bonitz hat inzwischen die PPL (Private Pilot Licence). Das Wetter spielt nach einem bereits verschobenen Flug endlich mit. Eiskalt ist es, die Felder sind leicht mit Schnee bedeckt, aber die Sonne scheint strahlend.

Über Wingly, eine selbst ernannte Mitflugzentrale, haben wir zueinandergefunden. Seit zwei Jahren bietet die deutsch-französische Firma mit Sitz in Paris Flüge in Deutschland, Frankreich und Großbritannien an. "Das Ziel von Wingly ist es, die allgemeine Luftfahrt zu demokratisieren", heißt es vonseiten der Firma. Was das bedeutet, erklärt Mitgründer Lars Klein: "Wir möchten es den Menschen einfacher machen, in die Luft zu kommen, einen schönen Flug zu haben, eine schöne Zeit zu genießen."

Wingly vernetzt Fluginteressierte mit Hobbypiloten. Wichtig: Der Pilot darf dabei nichts verdienen. Die Flüge basieren auf einer Kostenteilungsbasis – die Kosten werden gleichermaßen aufgeteilt. Denn Fliegen ist ein teures Hobby: Pro Flug zahlen Piloten knapp 200 Euro. Mitflieger zahlen für einen 45-minütigen Chiemsee-Rundflug zum Beispiel 60 Euro.

Auch die Fluglizenz bleibt gesichert

Für die, die fliegen, sinken also die Kosten. Und es gibt noch einen Vorteil: Fluglizenzen sind für zwei Jahre gültig. In den zwölf Monaten, bevor die Lizenz ausläuft, müssen Piloten zwölf Flugstunden nachweisen, damit sie verlängert wird. Diese Stunden kann Jan Bonitz nun mit anderen Menschen verbringen und seine Begeisterung teilen.

So auch an diesem Tag: Jan Bonitz schiebt das Flugzeug in Position, geht fokussiert die Checkliste Punkt für Punkt durch. Er kontrolliert die Schrauben an den Tragflächen, erzählt, dass heute am frühen Morgen einige Flugzeuge enteist werden mussten. Er setzt sich ins Cockpit, drückt Knöpfe, erklärt technische Begriffe und Namen, die zumindest an diesem Tag nur er versteht.

"Keine Gefühle, dafür viel Konzentration": So beschreibt Bonitz seine Lage, kurz bevor er und die Reporterin zur "Berge & Seen After Work Week Tour" (86 Euro pro Person) in die Luft abheben. Denn für Gefühle bleibe nicht viel Raum, die Konzentration sei das Wichtigste. "Würde ich einen Schritt meiner Checkliste vergessen, hätten wir ein Problem."

Das Flugzeug startet, wird immer schneller, Jan Bonitz zieht den Flieger in die Luft. Der kurze Moment, in dem man Erde für Himmel tauscht, bleibt immer etwas besonderes.

Aus 1.300 Metern Höhe sieht man unter sich den Ammersee, friedlich und unglaublich blau, die Landschaft mit ihren Bäumen und leichten Tälern wirkt wie das Nagelspiel von früher, unter das man seine Hand schob und so verschiedene Formen kreieren konnte.

"Das Schwierigste ist die Landung"

Nicht weit ist auch das Kloster Andechs, in der Ferne sieht man die Alpen, so nah und mächtig. Die Sonne blendet angenehm, der Motor ist laut, aber die Stille in der Luft ist überwältigend. Der Pilot erhält während des Fluges per Funk Informationen, ob jemand entgegenkommt und auch das Okay, den Flugplatz wieder anfliegen zu dürfen.

Bonitz unterhält sich mit der Reporterin, erklärt, erzählt, beschreibt. "Wenn ich Start, Fliegen und Landung bewerten müsste, ist Fliegen das leichteste." Der Start mache knapp 20 Prozent aus. "Das Schwierigste ist die Landung." Dann kommt sie. Die halbe Stunde verging wie im Flug, die Zweisitzer-Maschine landet sicher auf der Rollbahn.

Rundflüge, Einzelstreckenflüge und Ausflüge vermittelt Wingly. "Die meisten Flüge sind Rundflüge", sagt Landesmanagerin Melanie Engl. Im Frühling würden mehr Ausflüge gebucht, an die Nordsee, die Ostsee, nach Venedig und Prag.

9.000 Piloten gibt es auf der Plattform, davon 3.000 in Deutschland Die Community der Luftfahrt-Begeisterten ist weniger Jahre stark angestiegen – auf 125.000 Nutzer. 9.000 Wingly-Piloten gibt es insgesamt auf der Plattform, davon 3.000 in Deutschland. Nutzen dürfen sie europaweit 3.000 Flugplätze.

Bald soll es eine App geben

2015 schloss sich der deutsche Web-Programmierer Lars Klein mit den Franzosen Emeric de Waziers und Betrand Joab-Cornu – beide Piloten – zusammen, weil sie die gleiche Idee hatten. "Der Zugang zur Luftfahrt war schwierig, deshalb haben wir es selbst entwickelt", so Klein. 13 Leute arbeiten heute im Team, tüfteln an Ideen, und bald soll es eine App für leichtere Buchungen geben.

Wer nutzt das Angebot? Auf dem Wingly-Blog berichten Freundinnen von einem Kurztrip nach Italien, ein Sohn, der seinem Vater einen Flug schenkte – und ein Pärchen, das sich über den Wolken verlobt hat.

"Meine Familie ist noch nicht mitgeflogen", sagt Bonitz. Er hofft, dass sich das bald ändern wird. Er landet. Bonitz schiebt die DEGOJ Cessna 152 zurück an ihren Platz, wo sie von einem anderen Piloten erwartet wird. In ein paar Tagen wird er wieder fliegen. Der nächste Mitflieger hat schon über Wingly gebucht.

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