Wildes München: Sturmfrei bei Oma

Das Café Kosmos war mal ein Foto-Geschäft. Heute schaut es aus wie eine 50er-Jahre-Wohnung – besetzt von Astra schlürfenden Studenten.
von  Abendzeitung
Jeden Abend sturmfrei im Café Kosmos.
Jeden Abend sturmfrei im Café Kosmos. © Klaus Primke

MÜNCHEN - Das Café Kosmos war mal ein Foto-Geschäft. Heute schaut es aus wie eine 50er-Jahre-Wohnung – besetzt von Astra schlürfenden Studenten.

Sturmfrei: Das waren die Partys, die nur ausarteten oder total in die Hose gehen konnten. Jeder bringt jeden mit, einen Nudelsalat und einen Kasten – fertig, los. Im Café Kosmos ist jeden Abend sturmfrei.

Es war mal ein Fotogeschäft am Hauptbahnhof, Florian Schönhofer und Andreas Rehm haben daraus ein Café im Look der Fifties gemacht. Eltern gibt es keine, stattdessen die lässig netten Jungs hinter der Theke. Man könnte das Kosmos übersehen, stünden nicht immer Gäste vor dem Schaufenster. An ihnen vorbei, an die Bar, die sich durch das ganze schmale Erdgeschoss zieht bis zu der schwindelsteilen Wendeltreppe. Getränke balancieren, Platz suchen.

Das Wohnzimmer ist immer besetzt

Oben führt ein Flur mit Küchenzeile ins Wohnzimmer. Teppich, Bücherschrank, Retro-TV – alles, wie bei Oma, gäbe es nicht Risse in den nackten Wänden. Sofas und Hocker sind immer besetzt, genau genommen ist das gesamte Wohnzimmer immer besetzt. Zwei Monate im Voraus ist es an den Wochenenden ausgebucht.

Die Café-Bar-Retro-Wohnung ist voller Leute. An die Bar und an die Wand gelehnt, auf den Sofas, auf der Wendeltreppe, auf dem Boden sitzen sie. Sie sind Studenten, machen was Kreatives. Stylisch: ja, Schicki-Micki: nein. An der Wand lehnt ein Fotograf und drückt auf seine Kamera. Zwei hübsche Mädels stolpern die Treppe nach oben. Es ist heiß, getanzt wird nicht, Musik ist der Klangteppich für’s Gequatsche. Ins Gespräch kommt man immer, weil man nicht von Bar zu Platz kommt, ohne um Durchlass zu bitten.

Jessica aus Seattle ratscht mit einem Italiener, der bei EADS seine Doktorarbeit schreibt. Das Publikum ist freundlich und offen, Backpacker strömen hierher. Sie freuen sich über Wodkanella: eine Barbie mit Taucherhelm, die für einen Euro Wodka ins Stamperlglas pinkelt. Die Party im Wohnzimmer ist voll im Gang, Ipods sind angestöpselt, selbstgemachtes in Schüsseln wird verteilt. Oben wird geraucht, die Luft ist zum Schneiden, wenn sich die Party auflöst, wird das Wohnzimmer zurückerobert und übriggelassene Chipstüten werden durch den Flur gereicht; die Schlange zum Damenklo reiht sich jetzt an Leuten vorbei, die sich mit Bier und Kippe an die Flurwand pressen, leere Astraflaschen stehen auf der Theke, Stummel liegen auf dem Boden, überall überdrehtes Gelächter, Küsse.

Sturmfrei at it’s best. Irgendwann leert sich das Kosmos. Bis morgen.

Laura Kaufmann

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