Wiggerl Hagn: Wiesn-Wirt sucht neue Wirtschaft
Unionsbräu: Der Mietvertrag von Löwenbräu mit der Stadt läuft aus. Wiggerl Hagn baut vor, verschickt 45 blaue Briefe für die Belegschaft – will aber seine bewährten Kräfte mitnehmen.
München - Die gewaltigste Stimme auf dem Oktoberfest hat „Lööööwenbräääu”. Alle sechs Minuten brüllt das überlebensgroße Symbol-Tier mit tiefer Stimme den Namen des weltberühmten Gerstensafts, einem der urmünchner Reinheits-Produkte. Der Super-Löwe krönt die Stirnseite des gleichnamigen Wiesn-Zelts, wo Paradewirt Wiggerl Hagn mit tougher Tochter Stephanie seit Jahren die Hausherrn sind.
Ebenso wie im „Unionsbräu” in Haidhausen. Doch nach 20 Jahren ist hier jetzt Schluss. Die Familie Hagn geht – und sucht ein neus Lokal in der Innenstadt. 45 treue, langjährige Mitarbeiter der Haidhauser Traditions-Wirtschaft „Unionsbräu” bekamen jetzt rein vorsorglich einen blauen Brief von Parade-Wirt Wiggerl Hagn. Der Hintergrund: Am 30. November des Jahres läuft der „Löwenbräu”-Miet-Vertrag mit der Stadt für den „Unionsbräu” aus. Und somit auch Hagns Pachtvertrag mit der Brauerei.
"Ich musste so handeln und fair an alle die Kündigung herausgeben. Manche sind seit zwanzig Jahren dabei. Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich liebe das Bier Löwenbräu, aber es gibt keine Signale”, so Hagn. „Wie verhält sich die Stadt, was plant der Brau-Konzern? Ich stehe völlig dazwischen. Da kriegst gleich Magengeschwüre vor lauter Sorgen", klagt Hagn.
Die Tendenz spricht eher gegen ein Aufpäppeln von „Löwenbräu”: Aus, Äpfe, Amen. In diesem Monat gibt es zwischen der Behörde und dem Bier-Giganten ein letztes Gespräch. Ausgang offen.
Wiggerl und sein Gastro-Family-Clan wollen sich wappnen, weil die Zeit drängt. Hagn: „Ich suche für meine Familie eine bayerische Wirtschaft in der Innenstadt. Am besten zum Kaufen. Die entfallende Miete buttere ich lieber in das eigene Haus, das macht mehr Sinn. Meine guten Mitarbeiter nehm’ ich natürlich mit.” Im Auge hatte Wiesn-Wirt Hagn, der in seiner beruflichen Steinzeit mit dem „Rheinhof” am Hauptbahnhof" seine Sporen verdiente, das Lokal im gerade entstehenden Neubau der „Münchner Bank” beim Dom. Mitbewerber „Augstiner” hat sich aber dort bereits als Mieter etabliert.
Mit einem weinenden, vielleicht auch lachenden Auge wird Wiggerl Hagn den „Unionsbräu” verlassen, wo es viele Stammtische gibt und neben der Haidhauser Laufkundschaft der Landtag und das Klinik-Personal vom Rechts der Isar vorbei schauen. Für die Zukunft benötigt die Gaststätte ein feinfühliges Make up. Die Kellergewölbe und unterirdischen Gänge des historischen Hauses müssten aktiviert werden. Ein Disco-Reich unter Tage, eine gepflegte Neuauflage des Kulturparks Ost, ließe sich denken.
Seit „Löwenbräu” in ein multinationales Konzern-Gehege gepfercht wurde, hat sich eben viel verändert. Was man auch am Telefon der Münchner Zentrale mit der Nummer Tel.52000 erkennt, wo sich das Fräulein mitten im München mit „Anheuser-Busch” meldet. Wer zahlt, schafft eben an. „Löwenbrau” gehört schon lange nicht mehr „Löwenbräu” und auch nicht mehr Baron August von Finck, für den der Immobilien-Schatz der Brauerei ein Lottotreffer war. „Löwenbräu” gehört längst einem internationalen Konsortium, darunter sind Brailianer, Amis und Belgier. Ein Fremdeln hat sich breit gemacht, die Konzern-Ferne lässt Streicheleinheiten mit „Löwenbräu”, einem der fünf Biere Münchens, absterben.
Bei den Bier-Multis in Bremen zählen nur Zahlen. Auf die Seele der Wirtshäuser wird weniger geachtet. So kam’s wohl, dass über Nacht im „Alten Wirt” in Ramersdorf kein Löwenbräu mehr sprudelt. Auch im Moosacher Alten Wirt fließt längst kein Löwe mehr – sondern Augustiner.