Wieviel Leid kann sie tragen?

Krista B. verliert durch das Erdbeben in Haiti ihre Tochter Olivia, jetzt ist ihr Mann dort gestorben. Noch ist die 65-Jährige in der Karibik. In München muss sie in ein leeres Haus zurückkehren.
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Stolz drücken die Eltern Olivia an sich. Sie hat gerade ihr Zeugnis von der Modeschule bekommmen. Jetzt lebt nur noch die Mutter.
Thomas Gaulke Stolz drücken die Eltern Olivia an sich. Sie hat gerade ihr Zeugnis von der Modeschule bekommmen. Jetzt lebt nur noch die Mutter.

MÜNCHEN/PORT-AU-PRINCE - Krista B. verliert durch das Erdbeben in Haiti ihre Tochter Olivia, jetzt ist ihr Mann dort gestorben. Noch ist die 65-Jährige in der Karibik. In München muss sie in ein leeres Haus zurückkehren.

Sie reiste nach Haiti, um ihre Tochter zu suchen. Und verlor dort mit ihrem Kind auch ihren Mann. Ganz München nimmt jetzt Anteil am Schicksal von Krista B.

Olivia (26) wird es geschafft haben, hofften die Eltern, als sie nach Haiti flogen, um ihre Tochter zu suchen. Doch Olivia-Elisa wird tot aus den Trümmern geborgen (AZ berichtete). Meriadeg, ihr 69-jähriger Vater, hält das nicht aus. Der liebenswerte Mann stirbt in der Dominikanischen Republik an einem Herzinfarkt.

Er heuert Hubschrauber und Spürhunde an

Es war nicht der erste, schon vor Jahren hatte Meriadeg B. einen Infarkt. „Er ist mit dem Wissen um sein angeschlagenes Herz nach Haiti geflogen“, sagt ein Vertrauter. Aber um sich selbst machte sich Meriadeg B. keine Gedanken. Er brach auf, um seine Olivia zu finden. Von der Dominikanischen Republik aus heuerte er Hubschrauber an und engagierte Trupps mit Spürhunden. Und er grub selbst mit, unter den Trümmern, unter denen er seine Tochter vermutete – 15 verzweifelte Stunden lang.

Die Eltern hatten die Leiche ihrer geliebten Tochter in das Nachbarland gebracht und dort einäschern lassen. Kurz darauf muss Krista B. das gleiche mit ihrem Meriadeg tun.

„Ich hoffe, dass ihr jetzt beisammen seid“, schreibt eine Freundin von Olivia. Auf einer Internetseite erinnern sich Freunde an die lebensfrohe junge Frau – jetzt auch an ihren Vater. „Ich kannte ihn, ein so liebenswerter Mann, eine Seele wie aus Gold gemacht.“

Meriadeg B. war sozial engagiert, auch bei der Haiti-Kinderhilfe in München. Mit dem Inselstaat war die Familie eng verbunden: Olivia besuchte dort eine Cousine, als die Erde zu beben begann und die Familie B. auseinanderriss.

Der Horror um ihn herum war zuviel für Meriadeg B.

„Ich bin mir sicher, dass Meriadeg B. nicht nur das eigene Leid, der Schmerz um den Verlust seiner Tochter, sondern auch das Leid der Menschen dort so zugesetzt haben“, sagt eine Mitarbeiterin der Umweltstiftung, in deren Beirat Meriadeg B. tätig war. „Er hat sich für eine bessere Welt eingesetzt, dafür, dass alle Menschen in Würde leben können.“ Der Horror um ihn herum, die Leichen, die Trauernden, die Verletzten – es muss ein unüberwindbarer Schlag für den Mann mit dem großen Herz gewesen sein.

Der Franzose lernte seine Krista in Paris kennen. Als sie die kleine Olivia aus Brasilien adoptierten, war das Familienglück vollkommen. Erst leben die drei in Paris, später in München, in einem Haus in Denning. Meriadeg zieht einen Reitsporthandel in Kirchheim auf, Olivia geht auf die französische Schule, später auf die Akademie Mode und Design. Die Leiterin der AMD will bald Kontakt zu Krista B. aufnehmen – auf der nächsten Modenschau will die Schule der beliebten Schülerin gedenken.

"Unglaublich talentiert und engagiert"

Erst letzten Sommer ermutigt Olivia ihren Vater, in einem Stück des französischen Theaters Jean Renoir mitzuspielen: Er bekommt die Hauptrolle, Don Juan. Olivia schneidert die Kostüme. „Sie war unglaublich talentiert und engagiert“, sagt der Bekannte der Familie. „Und Meriadeg ist so aus sich herausgekommen.“

Auch Krista B. hat sich selbst verwirklicht, nach einer Auszeit, um für Olivia da zu sein: Sie entdeckete die Spiriualität für sich. Die 65-jährige, die Sprachen und Kunst studiert hat, führt eine Praxis in Schwabing. Sie arbeitet als Therapeutin mit einer Imaginationsmethode und gibt Seminare in ganz Deutschland.

Krista B. glaubt an ein Leben nach dem Tod

„Ich hoffe, dass sie den Schicksalschlag auch als Prüfung ansehen kann“, sagt ein Bekannter von Krista B. Der Tod ist für sie nicht das Ende. Vielleicht eine Hilfe für Krista B, die jetzt den Verlust der einzigen Tochter und des geliebten Mannes verkraften muss. „Sie glaubt an die Reinkarnation. Ich glaube, sie kommt da durch.“

Möglicherweise sucht Krista B. erst noch Kraft bei einer guten Freundin in der Schweiz. Dann muss sie zurückkehren, in das jetzt so leere Haus ihrer Familie.

Laura Kaufmann

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