Wiesncamperurlaubsglück: Oktoberfestfans zelten in Thalkirchen

Thalkirchen – Natürlich ist das Spanplattending, das sie neben dem Biertisch in die Wiese gezimmert haben, ein Gaudischild. "Privat Area", Privatgelände? Ja mei, wie freudlos wäre das denn! Zu Nova (23) und Ren (29) vom Personal haben sich längst die Amerikaner und Australierinnen gesellt, die rundum schon aus den Zelten gekrochen sind.
Wiesn-Erwachen wie im Bilderbuch: Entspannte Oktoberfestfans
Auf dem Biertisch stehen Kaffeebecher und Orangensaft. Frühstück nach einem langen Tag gestern, der auf der Wiesn begonnen, um Mitternacht beim Grillen hier seine Fortsetzung genommen – und in einem Schlafsack sein ermattetes Ende gefunden hat.
Es ist gegen 11 Uhr an diesem sonnigen Donnerstag am Campingplatz in Thalkirchen, der Himmel über München strahlt blau, die Wiese grün, aus einer Box trällern die Bee Gees leise ihren Hit "More than a Woman". Kann ein Wiesn-Erwachen entspannter sein, als das hier?

Energisches Kopfschütteln von jedem, der hier schon halbwegs die Augen offen hat. Man lächelt, grinst, blödelt, freut sich, soviel lässt sich sagen, gerade sehr am Leben.
Weniger Campinggäste als möglich – und als erwartet
Nicht nur wegen der morgendlichen Geselligkeit und der neuen Freunde. Es ist auch die himmlische Ruhe über dem Gelände, die ein Urlaubsgefühl herzaubert. Hinterm Zaun plätschert die Floßlände, zwischen eng platzierten Minizelten steht das ein oder andere Wohnmobil. Vereinzelt aalen sich Camper beim Auskatern in der Sonne. Aber der große Auflauf, wie in früheren Oktoberfestzeiten, ist es heuer nicht.

Eigentlich wäre Platz für 3.000 Wiesn-Narrische auf dem Areal, gerade sind aber maximal 300 da, erzählt Campingplatzbetreiber Klaus Bartl (55) – was überraschend sei, weil ihm viel mehr angekündigt waren. "Aber viele, die reserviert haben, kommen einfach nicht", erzählt er, "vielleicht liegt's an den viel mehr Hostels und Hotelbetten, die München inzwischen hat", vielleicht aber auch an Coronasorgen. Mal sehen, was das Wochenende an Gästezahlen bringt.

Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb: Wer hier ist, strahlt fröhlich und maximal entspannt heute Morgen.
"Ochsenbraterei, Hofbräuzelt, Spatenzelt, Löwenbräu. Wunderbar!"
Jan (51), aus Holland, zum Beispiel. Auf seinem Campingtisch vor seinem Volvo-SUV hat er seine weiß-blaue Tischdecke ausgebreitet und lässt sich die Sonne auf die Nase scheinen, erkennbar mit sich und der Welt im Reinen.

Zum zwölften Mal schon sei er während der Wiesn hier. Sogar letztes Jahr, wo nur Wirtshauswiesn war. "Ich habe gestern ab Mittag eine Tour gemacht. Ochsenbraterei, Hofbräuzelt, Spatenzelt, Löwenbräu. Wunderbar!" Weil: Jetzt habe er wieder ein paar italienische Bekanntschaften mehr.
Wiesn- und Polizeifans aus aller Welt
Schon einwandfrei in seine Lederhose gewandet verlässt nebenan gerade Facundo (26) aus Argentinien sein Zelt - auf dem Weg, natürlich, noch ein zweites Mal zur Wiesn, die ihm gestern schon Freude gemacht hat. Auch drei junge Italiener, Studenten aus Rimini, machen sich langsam bereit. Was Besseres als Campen zu Wiesnzeiten? Gibt es nicht, meinen sie. Hier aufwachen und Energie auftanken? Perfekt!

Und noch einen Vorteil hat dieses Campingplatzleben, erklärt Jordan (31) aus Kanada, die hier arbeitet. "Alle Gäste bekommen ein Bändchen an den Arm, da ist ihre Zeltnummer draufgeschrieben." Man könne also jeden Gast, und sei er nachts noch so bierselig verwirrt, in sein Zelt hineinbugsieren, "da geht keiner verloren oder bleibt in der Wiese liegen".

"Gibt's auch nur in München, so eine nette Polizei"
Vor ein paar Tagen sei sogar die Polizei vorbeigekommen, um ein verlorenes Handy vorbeizubringen, das man einer Zeltnummer zuordnen
konnte. Gibt's auch nur in München, so eine nette Polizei, sagt sie.
Zum Wochenende haben sich etliche Hundert Neugäste angesagt, Australier, Engländer, Deutsche, Italiener vor allem. Es könnte also ab jetzt bald voll(er) werden.
Und wenn nicht? "Dann ist es halt so", sagt Betreiber Bartl. "Ich tröste mich, dass wir hier wegen dem Superwetter finanziell einen guten Sommer hatten. Dann schau ich mich um, wie schön es da ist, und sag mir selber: Was soll's, glücklich ist eh das neue reich."