Wiesn-Prozess: Drei Täter, kein Opfer

Eine junge Frau soll nach der Wiesn betäubt und in Obersendling mehrmals vergewaltigt worden sein. Der einzige Geständige rudert jetzt zurück – und von dem jungen „Liserl“ fehlt jede Spur
Fotos einer Nacht voll Koks, Schnaps und K.O.-Tropfen und eine Aussage, die der Geständige nur teilweise bestätigt: Der Prozessauftakt des Falles „Liserl“ vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts gestaltete sich als Stochern in vagen Erinnerungen. Denn das Opfer, das die Angeklagten betäubt und vergewaltigt haben sollen, bleibt verschwunden – vielleicht weiß sie nichts mehr von dem Abend.
Der Staatsanwalt wirft Peter M. (25), Ignaz Ö. (28) und Robert F. (29) schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor. Sie sollen nach einem Wiesn-Besuch im Oktober 2007 die Unbekannte in einer Obersendlinger Wohnung betäubt, missbraucht und dabei gefilmt haben. Dafür drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft.
Die Frau hätte mit allen geknutscht und sich ausgezogen.
Drei mutmaßliche Sex-Täter – und kein Opfer. Auf die Spur der Männer kam die Polizei, als sie bei einer Drogen-Durchsuchung das Video und die Handy-Bilder fanden. Sie zeigen eine schlanke dunkelhaarige Frau, an deren Kleid angeblich ein Namensschild mit „Liserl“ zu sehen ist.
Peter M. äußerte sich am Freitag als einziger zur Sache: Zu viert seien sie nach dem letzten Wiesntag 2007 zur Obersendlinger Wohnung von F. gefahren, dort hätten sie Bier und Jägermeister getrunken, Koks und K.O.-Tropfen genommen. „Nicht wenig“, so der Autoglaser. Die Frau hätte mit allen geknutscht und sich ausgezogen.
An diesem Punkt schwächte Peter M. das erste Mal seine Aussage bei der Polizei ab: Damals behauptete er, Ignaz Ö hätte die weggetretene Frau ausgezogen. „Vielleicht habe ich ein bisschen übertrieben“, sagte M. – wortkarg äußerte sich der kleine Mann mit den blonden Strähnen, Tattoos und Piercing auf Nachfragen von Richter Norbert Riedmann: „Bei der Polizei haben sie mehr erzählt, und was ganz anderes!“
„Der Ignaz hat die Frau rumgeschmissen wie einen Sack.“
War M.s Geständnis bei der Polizei ein Racheakt gegen F., der ihm zwei Monate nach der Tat anal eine Whiskeyflasche einführte und den Bewusstlosen vor die Tür warf? Oder hatte er Angst das Geständnis vor seinen Freunden zu wiederholen? Mühsam war ihm zu entlocken, dass die Frau total weggetreten war, während Peter M. die Fotos mit der Handykamera schoss. Er selbst hätte sich am Missbrauch nicht beteiligt. Ob Ignaz Ö. und Robert F. heimlich K.O.-Tropfen eingeflößt hatten – wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht – weiß Peter M. angeblich nicht.
„Es steht ja alles da“, sagte M. mit Blick auf seine Aussage, die Richter Riedmann in den Händen hielt. „Der Ignaz hat die Frau rumgeschmissen wie einen Sack“, las Richter Riedmann daraus, „es klingt zwar blöd, aber die beiden haben sie so richtig bearbeitet.“ Am Mittag des nächsten Tages sei die junge Frau aufgewacht, hätte einen Kaffee getrunken und wäre dann gegangen, sagte Peter M., „Ich war da noch high und wach“. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.
Laura Kaufmann