Wiesn-Gäste in die Irre geführt

Eine Event-Agentur ködert Firmen mit angeblichen Plätzen auf dem Oktoberfest. In Wirklichkeit landen die Gewinner aber am Stiglmaierplatz.Die dreitse Masche...
von  Julia Lenders

Eine Event-Agentur ködert Firmen mit angeblichen Plätzen auf dem Oktoberfest. In Wirklichkeit landen die Gewinner aber am Stiglmaierplatz. Die dreiste Masche...

München - Das Angebot klingt verlockend: „Gewinnen Sie 100 Plätze für Ihren Oktoberfestbesuch!“, steht in der Betreffzeile der E-Mail, die auch bei der AZ eintrudelte. „Sicher gehen Sie auch gerne mit Kunden oder Ihren Mitarbeitern und Kollegen auf das Oktoberfest“, beginnt das Schreiben. „Dann nutzen Sie jetzt Ihre Chance, einen Oktoberfestbesuch für 100 Personen zu gewinnen!“

Darüber ist ein Bild zu sehen, das einen malerischen Blick auf die Festwiese zeigt. Zehn Tische werden vom Absender, der Münchner Eventagentur „Edition Sportiva“, verlost, für den 28. September.

Zehn Tische auf der Wiesn? Jetzt noch? Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Und das ist es auch nicht. Denn erst später erfährt der aufmerksame und ortskundige Leser, dass die Plätze nicht auf dem Oktoberfest sind, sondern im „Das Wiesnzelt“ am Stiglmaierplatz. Sprich: im Festsaal des Löwenbräukellers. Aber so genau ist das dem Mail-Anschreiben nicht zu entnehmen.

Als Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl über die AZ von der irreführend formulierten Verlosung erfährt, ist sie verärgert: „Das ist ja Etikettenschwindel!“ Und ein „so dreister“ sei selten zu ihr gelangt. Die Begriffe Oktoberfest und Wiesn sind nicht geschützt – auch wenn die Stadt Anfang der 90er prüfen ließ, ob das möglich wäre. Lediglich das Oktoberfest-Logo mit den lachenden Bierkrügen ist eine eingetragene Marke. Deshalb dürfen sich nach Schätzung des Tourismusamts weltweit 2000 Veranstaltungen Oktoberfest nennen.

Trotzdem sagt Weishäupl über die Verlosungs-Aktion: „So was ist nicht seriös.“ Mitveranstalter des „Wiesnzelts“ am Stiglmaierplatz ist Festwirt Christian Schottenhamel – und der kann sich jetzt auf einen Anruf der Wiesn-Chefin gefasst machen. „Wenn ein Wirt ein Zelt auf der Wiesn hat wie er, dann sollte er sich etwas zügeln“, erbost sie sich. „Mir stinkt das.“ Das werde sie ihm auch sagen, kündigt sie an. „I’m not amused“.

Bei der Eventagentur „Edition Sportiva“ räumt man den Fehler ein. Das Ganze sei „sehr unglücklich formuliert“ gewesen, sagt Philip Greffenius, der Chef der Agentur ist und zudem Mitveranstalter der Wiesn-Sause im Löwenbräukeller. Nach der Beschwerde eines Mail-Empfängers sei das Rundschreiben, das an 30.000 Adressaten gehen sollte, gestoppt und umformuliert worden. Geschätzte 20 Prozent, also etwa 6000 Menschen, hätten aber die Ursprungsvariante erhalten.

„Es ist nicht in unserem Sinne, dass etwas falsch verstanden wird“, sagt Greffenius. Auch Christian Schottenhamel findet, dass eine Mitarbeiterin der Agentur „etwas übers Ziel hinaus geschossen ist“. Allerdings sei die Korrektur nur drei Stunden später verschickt worden. Deshalb sagt Schottenhamel: „Meiner Meinung nach hat keine Irreführung stattgefunden.“

Bei der AZ kam ein korrigiertes Schreiben jedoch nie an. Wiesn-Chefin Weishäupl gesteht zu: „Wenn es ein Irrtum war, sehe ich das Ganze milder.“ Sie nutzt den Anlass auf jeden Fall für eine grundsätzliche Kritik: Ohnehin sei es „zweifelhaft“, dass Wirte die Wiesn-Klientel nach dem Zapfenstreich in den Zelten direkt in Discos und zu Après-Wiesn-Partys lockten. Denn sonst seien die Leute nach dem Zeltbesuch noch über die Schaustellerstraße gebummelt. „Wiesnwirte, die ihr Business auf dem Oktoberfest machen, sollten sich überlegen, was der Gemeinsinn im Bezug auf die Schausteller gebietet“, findet Weishäupl.

Zum Schluss noch ein Zitat aus der dreisten Agentur-Mail: „Nach dem großen Erfolg der letzen drei Jahre vergrößern die Veranstalter Philip Greffenius und Christian Schottenhamel das Oktoberfest auch 2011 wieder um rund 30000 Sitzplätze.“ Aha. Und um fast zwei Kilometer. Denn so weit ist der Stiglmaierplatz von der Theresienwiese entfernt.

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