Wiesn-Attentat: Steckten auch Neo-Nazis dahinter?
Die Forderungen gibt es schon seit Jahren, nach der schockierenden Neonazi-Mordserie in Deutschland werden sie lauter. Der Münchner Stadtrat fordert, die Ermittlungen zum Wiesn-Attentat vor 31 Jahren wieder aufzurollen. Damals wie heute hätten die Behörden versagt.
München – Nach Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie hat der Münchner Stadtrat eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat von 1980 gefordert. Die Vollversammlung stimmte einem entsprechenden Antrag der Fraktion Die Grünen/Rosa Liste am Mittwoch einstimmig zu, entsprechende Forderungen an die Bundesanwaltschaft zu stellen.
Die Ermittlungen zum schwersten Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte mit 13 Todesopfern und 200 Verletzten seien geführt worden, „ohne rechtsextreme Hintergründe zu beleuchten“, sagte der Fraktionsvorsitzende Siegfried Benker. Der 21 Jahre alte Geologie-Student Gundolf Köhler, ein früherer Anhänger der dann verbotenen rechtsextremistischen „Wehrsportgruppe Hoffmann“, der selbst bei dem Anschlag starb, sei voreilig als frustrierter Einzeltäter abgestempelt worden.
Bis heute gibt es Zweifel, ob Köhler die Tat – gut eine Woche vor der Bundestagswahl 1980 – allein und nur aus persönlichem Frust über eine nicht bestandene Prüfung beging. Augenzeugen wollen ihn etwa vorher in Begleitung gesehen haben, wie Benker betonte. „Es gibt dutzende von Frage, die völlig ungeklärt sind.“ Bei den Ermittlungen sei die Chance vertan worden, frühzeitig einen Einblick in mögliche rechtsterroristische Strukturen zu bekommen.
Neu sind die Forderungen nicht: Seit Jahrzehnten gibt es Zweifel an der Einzeltäter-Theorie, erst in der vergangenen Woche hatten sich die SPD im bayerischen Landtag und auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) dafür ausgesprochen, den Fall neu aufzurollen, der bayerische Landtag hatte dies schon im Februar gefordert. „Der Respekt vor den 13 Todesopfern und den über 200 Verletzten des schwersten Terrorakts der deutschen Nachkriegsgeschichte gebietet es, das Ermittlungsverfahren wieder aufzunehmen“, sagte der Chef der Landtags-SPD, Markus Rinderspacher.
Die Bundesanwaltschaft lehnt diese Forderungen bislang mit dem Hinweis auf fehlende neue Erkenntnisse ab. Vor dem Hintergrund des nun bekanntgewordenen Rechtsterrorismus hofft der Münchner Stadtrat aber auf ein Umdenken der Ermittlungsbehörde. Nach seinem Willen soll außerdem eine Historikerkommission eingesetzt werden, die bayern- oder bundesweit Akten zusammenträgt und nach neuen Erkenntnissen zum Attentat forscht. Das Gremium sprach sich darüberhinaus für die Herausgabe bisher unter Verschluss gehaltener Geheimdienst-Akten aus.
Der Stadtrat gedachte am Mittwoch auch der Opfer der jüngst aufgedeckten Neonazi-Mordserie, von denen zwei aus München kamen. Ude warf den Behörden Versagen vor. „Eine staatliche Ordnung kann auch durch Versagen, durch Versäumnisse bei der Aufklärung, schuldig werden.“