Wiesn 2010: Brutalschönteuer

MÜNCHEN - Die Jubiläums-Wiesn – ein Rekord-Fest:Sieben Millionen Maß Bier sind eine Bestmarke. Aber auch die üblen Schlägereien nahmen zu.Und am Ende muss die Stadt Geld drauflegen
Aus is! Nach 17 Tagen strömten die Münchner zum letzten Mal auf die Jubiläums-Wiesn. Die Fragen zum Fest beantwortet die AZ:
War es eine Rekordwiesn?
Nein. Aber eine sehr gute: Rund 6,4 Millionen Besucher kamen, im Vorjahr waren es 5,7 Millionen. „Durch die historische Wiesn ist das aber nicht vergleichbar“, betont Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl. Mit den Besuchern von der Nostalgiewiesn schätzt Weishäupl die Besucherzahl auf 6,7 Millionen. Insgesamt tranken die Besucher sieben Millionen Maß: Das ist Rekord. Die Gäste aßen 117 Ochsen und 59 Kälber. Freuen können sich auch die Schausteller: Sie verbuchen ein Plus von 15 Prozent.
Täuscht es, oder wird die Wiesn immer aggressiver?
„Leider gibt es eine gewisse Brutalisierung“, stellt OB Christian Ude fest. Nach heftigen Prügeleien ermittelt die Polizei in 14 Fällen gegen Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung (2009 waren es 127). Die Zahl der Maßkrugschlägereien stieg um ein Drittel auf 65 (2009: 43). 45 Täter wurden festgenommen, sechs sitzen in U-Haft. Gegen zwei von ihnen wird wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt. Den Trend zum Krawall belegt auch die Zahl der vorbeugenden Gewahrsamnahmen: 240 Gäste wurden von der Polizei aus dem Verkehr gezogen, um Schlimmeres zu verhindern (2006: 58).
Gegen 76 Störer erging ein Betretungsverbot, das auch für 2011 gilt. Insgesamt sank aber die Zahl der Straftaten auf 1179 (2009:1484).
Was war das gemeinste Wiesn-Verbrechen der letzten Tage?
Eine Praktikantin (23) aus Washington ist nahe der Bavaria vergewaltigt worden. Die Frau hatte ihre Begleiter verloren, fand den Weg zur U-Bahn nicht. Zwei Männer boten ihre Hilfe an, führten sie aber nicht zur U-Bahnstation Theresienwiese, sondern in die entgegengesetzte Richtung zur Grünanlage hinter der Bavaria. Dort fielen sie über die 23-Jährige her und vergewaltigten sie abwechselnd.
Das Gedränge war enorm. Was lässt sich dagegen tun?
Am letzten Wiesn-Wochenende war der Andrang schwer zu kontrollieren. „Es war grenzwertig“, sagt Polizeivizepräsident Robert Kopp, „wir müssen uns mit allen Verantwortlichen zusammensetzen und über Lösungen beraten.“ 500 Beamte waren auf und nahe der Wiesn im Einsatz. Sein Vorschlag wäre, beispielsweise S-Bahnen und U-Bahnen notfalls an Bahnhöfen durchfahren zu lassen, um den Andrang an bestimmten Orten zu senken. Denkbar sind auch Durchsagen in den Zelten, welche Abreiserouten dicht sind, die Besuchermassen großräumig umzuleiten.
Wie lief die Nostalgie-Wiesn?
Viel besser als erwartet: 500000 Eintritt zahlende Besucher kamen, am vergangenen Samstag wurde sogar das Märzen knapp. „Wir mussten die Schänke fünf Minuten früher als sonst zumachen “, sagt Wirt Toni Winklhofer.
Wie geht es weiter mit der historischen Wiesn?
Darüber muss der Stadtrat entscheiden. Klar ist: Festleitung und Bürger sind für ein 15. Zelt, die Wiesnwirte sind noch skeptisch. Gestern überreichte eine Bürgeriniative OB Ude eine Unterschriftenliste von 18000 Münchnern, die für eine historische Wiesn im nächsten Jahr sind. „Die Botschaft ist angekommen“, sagte Weishäupl. Als Wirt ist erneut Winklhofer im Gespräch Pluspunkt: Von der Nostalgie-Wiesn wurde keine einzige Straftat gemeldet.
Wie viel zahlt der Steuerzahler?
Die Nostalgie-Wiesn wird durch Spenden der Wirte, Brauereien und den Eintritt gedeckelt. Anders sieht es mit dem Oktoberfest aus. Jedes Jahr bleibt die Stadt durch Sanierungen etwa auf 500000 Euro sitzen – heuer dürfte vor allem das neue Sicherheitskonzept Geld kosten. „Das lässt sich im Voraus nicht durchkalkulieren“, sagt Wirtschaftsreferent Dieter Reiter.
Anne Kathrin Koophamel,
Ralph Hub