Wiesn 2009: Der Mensch lebt nicht vom Hendl allein

Toni Roiderer, der Patron vom Hackerzelt spricht über die richtige Lebensführung auf dem Oktoberfest, die Mär von der guten alten Zeit und über das richtige Mittel, wenn’s eine Maß zuviel geworden ist.
AZ: Herr Roiderer, sind die Wiesnwirte die mächtigsten Männer Münchens?
TONI ROIDERER: Ach, wär’ das schön. Aber wir haben keine Macht, nur einige von uns einen mächtigen Bauchumfang – ich zum Beispiel muss bald wieder zum Heilfasten gehen. Wir Wirte machen unseren Job. Das ist eine Ehre, aber man sollte sich deshalb nicht wichtig nehmen.
Sie sind seit 20 Jahren Festwirt. Welche Wiesn war die Beste?
Die erste war die aufregendste, wie's so ist bei jedem ersten Mal. Euphorie, Angst, Freude und Pflichtbewusstsein, das ist eine gewaltige Mischung. Aber wenn du als Wiesnwirt anfängst, dann schwitzt du. Als ich vom Einzug der Wirte ins Zelt kam, war ich froh, wenn alles so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt habe.
Kann Sie heute noch was aus der Ruhe bringen?
Nein, nicht so leicht. Aber Bammel ist immer dabei. Als Wiesnwirt genieße ich die Gunst der Brauerei und der Stadt. Da will ich alles richtig machen. Da muss man doch nervös werden! Und ich habe ja auch einen Namen zu verteidigen.
Apropos Name: Ihr Sohn Markus zapft dieses Jahr zum ersten Mal an.
Der ist ein absoluter Profi und macht das viel besser als ich. Da muss schon am Fassl was kaputt sein, dass der nicht g'scheit o'zapft.
Steht ein Generationswechsel an?
Ich hoffe, dass ich noch einige Jahre dabei bin. Aber die Jugend braucht ihre Chance, wie wir sie auch hatten: Meine Frau und ich haben in zwanzig Jahren das Zelt modernisiert, da bin ich schon ein bissl stolz drauf.
Haben Ihre Söhne es als künftige Wirte leichter als Sie?
Nein, auch als Festwirt-Sohn musst du dich beweisen. Markus und Thomas haben nichts geschenkt gekriegt, sie haben das Wiesn-Geschäft von klein auf gelernt: Markus hat in der Zeltmetzgerei Knochenarbeit geleistet, Thomas alle Positionen bis jetzt zur Geschäftsführung durchlaufen. Jetzt mit über 30 Jahren sind sie reif und können mit meiner Frau und mir direkt an der Front des Betriebs arbeiten.
Wie wichtig ist die Familie?
Unheimlich wichtig, sie gibt Halt. Bei uns hat jeder seine Aufgabe, keiner mischt sich beim anderen ein.
Aber Sie sind der Chef?
Wenn die Frau nicht da ist, schon (lacht). Im Ernst: Ich bin kein Patriarch. Meine Frau und meine Buben sind meine Partner. Nur wenn wir zusammenhelfen, sind wir stark und bewegen was. Das ist unser Familienmotto.
Wie hat sich die Wiesn sonst in den 20 Jahren verändert?
Das Publikum wird jünger und die Schlägereien sind nicht mehr so wild. Früher war's aber grad abends gemütlicher. Jetzt gehen die alteingesessenen Münchner mittags raus und genießen die Wiesn wie sie früher war: gemütlich, griabig, schön. Da stimmt das Paket: Das Ambiente, ein gutes Bier und eine gute Küche wie das Wiesnhendl. Hendl, das ist wichtig.
Wie viele Hendl essen Sie?
Fünf oder sechs.
Das sind aber nicht viele für 16 Tage.
Dieser Körper lebt nicht nur vom Hendl allein. Ich bin Wirt aus Berufung und fühle mich auch als Qualitätstester. Mal probiere ich die Soße, mal das Kraut und wenn ich morgens ins Zelt komme, esse ich immer eine Weißwurst, Schweinswürstel und eine Wiener. Ich möchte wissen, was der Gast kriegt.
Entfernen Sie sich vom Zelt auch mal bis zur Schaustellerstraße?
Nein, die Karussells brauch’ ich nicht, ich vertrag's nicht. Ich bin ein Bodenständiger, in so ein wildes Fahrgeschäft, da kriegst mich nicht rein.
Jedes Jahr gibt's Diskussionen um die Musik, den Bierpreis, Reservierungen. Kann man es Münchnern recht machen?
Wer schimpft, der kauft, heißt es. Das bissl Granteln gehört zur bayerischen Mentalität. Aber bei der Musik etwa ist es nötig, abends lauter zu werden, weil der Lärmpegel der Gäste schon so hoch ist.
Wie sieht es mit den Reservierungen aus? Die werden überteuert im Internet vertickt.
Dagegen können wir Wirte kaum was tun. Mir ist es peinlich, wenn etwa ein Hacker-Tisch bei Ebay auftaucht. Wir verfolgen das dann zurück und dem Übeltäter wird die Reservierung entzogen. Allein heuer habe ich vier Stammkunden die Plätze entzogen, weil sie die weiterverkauft haben.
Stichwort: Vorglühen. Trinkt die Jugend heute anders?
Mei, zwischen 20 und 25 trinkt man vielleicht a bisserl mehr. Ich sehe das nicht so kritisch und glaube auch nicht, dass viele aus der Disco direkt vor das Zelt ziehen. Aber wenn die Jugendlichen betrunken sind, kommen sie nicht rein. Ich habe, bis ich 25 Jahre alt war, fast keinen Alkohol getrunken. Wenn ich heute drei Maß trinke, dann reicht's mir bis in die Haarspitzen. Eine oder zwei zum Genuss, das ist das richtige Maß.
16 Tage Wiesn nonstop - Ihr Geheimrezept?
Hoffen, durchzuhalten und gesund zu bleiben. Und wenn man mal ein bissl zuviel getrunken hat, dann hilft Magnesium. Wichtig ist auch, konditionell fit zu sein. Ich etwa bin gut drauf, weil ich im Sommer viel Radlfahren war - jetzt bin ich fit, jetzt kann die Wiesn losgehen.
Anne Kathrin Koophamel