Wiesn 2009: Der Countdown läuft

Bis zum Anzapfen auf dem Oktoberfest sind es noch drei Wochen - seit 22. Juni bauen die Handwerker die Bierzelte und Fahrgeschäfte auf dem 31 Hektar großen Areal auf. Eine Stippvisite.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Bis zum Anzapfen auf dem Oktoberfest sind es noch drei Wochen - seit 22. Juni bauen die Handwerker die Bierzelte und Fahrgeschäfte auf dem 31 Hektar großen Areal auf. Eine Stippvisite.

Die Chefin ist schon da. Seit zwei Tagen residiert Wiesn-First-Lady Gabriele Weishäupl in ihrem Büro auf der Theresienwiese. An die Wände hat sie ein paar alte Wiesn-Plakate gelehnt und Fotos und alte Trachtenhüte aufgehängt. Vom Schreibtisch aus sieht sie das Hackerfestzelt. Doch für gedankenverlorene Blicke aus dem Fenster ist keine Zeit. Die Präsentation des Wiesn-Kruges steht an. Weishäupl legt noch schnell ein bisschen Puder auf, bindet sich die Schürze ums Dirndl, streicht sich das Haar zurück und sagt: „Auch das gehört zu den Vorbereitungen.“ So wie der Aufbau der Festzelte und Fahrgeschäfte. Der ist auf Münchens größter Baustelle seit 22. Juni in vollem Gange.

In weniger als drei Monaten entsteht auf dem 31 Hektar großen Areal eine kleine Stadt. Über ihr thront die Bavaria. Keinen besseren Platz hätte man der Schutzpatronin Bayerns geben können. Kein Ort verkörpert die bayerische Seele besser als dieser in sich geschlossene Mikrokosmos.

Renoldi macht auf der Wiesn 50 Prozent des Jahresumsatzes

Während der Aufbauphase hat er ein ganz besonderes Flair. Überall stehen Container. Fahrer drehen mit Gabelstaplern ihre Runden, Arbeiter schneiden Holz zurecht, Maler lackieren Baumpfähle. Sie arbeiten unter Hochdruck, um der Wiesn ihr typisches Gesicht zu geben.

Wer wann aufbauen darf, ist in den Betriebsvorschriften geregelt. Zuerst sind die Festzelte dran. Dann die mittleren Betriebe. Zum Schluss die Fahrgeschäfte. Von ihnen steht erst der Höllenblitz. Es ist die größte Indoor-Achterbahn der Welt, sie gehört Klaus Renoldi Junior. Er ist der Spross einer Schaustellerfamilie, die seit sechs Generationen im Geschäft ist. Und passend zum Thema ist er schon ein bisschen in Goldgräberstimmung. 5,50 Euro kostet der Höllenritt für Erwachsene. Das Geld sitzt auf der Wiesn locker. „Für die Besucher ist das Oktoberfest ein bisschen wie Urlaub. Und für uns Schausteller eine der attraktivsten Veranstaltungen.“ Kein Wunder. Renoldi macht hier 50 Prozent des Jahresumsatzes.

Bevor Rusty, der Goldgräber, die Passagiere des Höllenblitzes mit 80 Sachen in die dunkle Mine führen kann, prüft Anton Legel jeden der 820 Schienenmeter. Die Jahresabnahme durch den TÜV Süd dauert etwa sechs Tage. Für Renoldi und seine Crew ist die Wiesn ein paar Monate im Jahr Arbeitsstelle und Zuhause. Während dieser Zeit übernachten sie auch auf dem Gelände.

Es soll sie ja geben. Menschen, die die Wiesn nicht ausstehen können. Aber 22 Tage bevor OB Ude nach ein paar mehr oder weniger Schlägen „O’ zapft is“ brüllen darf, ist von den Oktoberfest-Verweigerern nichts zu merken. Radfahrer düsen an den Bauarbeitern vorbei und bleiben immer wieder stehen. Fußgänger schlendern lässig über das Areal und versuchen, etwas in den Zelten zu erspähen. Eigentlich ist der Zutritt zur Baustelle Unbefugten untersagt.

Vor ein paar Wochen standen erst die Skelette der großen Festzelte. Jetzt wartet der Löwenbräu-Löwe schon in seiner Nische über dem Eingang zum Festzelt. In ein paar Wochen wird er dann immer wieder den Krug hochschwenken und „Lööööööööööööwenbrääääääääääuuuuuuuu“ grollen. Der Turm des Winzerer Fähndl hat den riesigen Maßkrug aufgesetzt bekommen und im Hackerfestzelt hängt der Himmel der Bayern. Darunter wird kräftig geschuftet.

Mit dem Zuckerguss haben die Architekten ein bisschen übertrieben

Während Günter Schachtner aus dem österreichischen Elmau einen Schäffler-Tänzer an den richtigen Platz hievt, steht Wiesn-Urgestein Toni Roiderer in der Mitte seines Festzelts. In gut drei Wochen ist Abnahme. Und Wirt Roiderer ein bisschen nervös. „Ich vergleiche das mit einem Künstler. Der sollte vor der Premiere auch aufgeregt sein.“

Nach der Wiesn werden die Zelte wieder abgebaut und in Containern gelagert. 40 braucht das Hackerfestzelt, doppelt so viele die Käfer-Schänke, 33 das Rischart-Zelt. Zum dritten Mal ist der Feinbäcker auf der Wiesn vertreten. Sein Zelt mit den zwei Türmen wirkt, als hätten die Architekten zu oft Hänsel & Gretel gelesen: Das mit dem Zuckerguss haben sie ein bisschen zu gut gemeint. Den Aufbau erledigt die Firma Raufer aus München. In ein paar Tagen sind Robert Kratzer und seine Kollegen fertig. Er steht auf einer Hebebühne und befestigt einen Fries in Kuchen-Optik. Die kleinen Teilchen sollen schon von Weitem verraten, worum es hier geht: um alles Süße.

Kurz nach elf Uhr. Zeit für eine Pause. „Bei dieser schweren Arbeit brauchen die Leute was Gscheits zum Essen“, sagt Franco Sgherri. Er arbeitet eigentlich als Kellner in den Bräustuben in der Landsberger Straße, während der Aufbauphase teilt er hier in der Augustiner Kantine deftige Speisen aus: Schweinshaxn, Fleischpflanzerl, Gulasch. 200 Leute kommen am Tag.

Vor Käfer’s Wiesn-Schänke, seit 1971 auf dem Oktoberfest vertreten, schleift Christian Koch ein Holzteil ab. 20 Leute arbeiten daran, das Festzelt, in dem die Magnum-Champagner-Flaschen wie Leitungswasser getrunken werden, zu einem Après-Ski-ähnlichen Bauernhaus zu machen. „Wir sind froh über das gute Wetter“, sagt Bauleiter Hubert Wimmer. Das kommt ihnen entgegen. Heuer haben sie eine Woche weniger Zeit für den Aufbau.

In München kehrt der olympische Gedanke jedes Jahr wieder

Die Stadt München ist auf der Theresienwiese das ganze Jahr vertreten. Hier findet im Winter ja auch das Tollwood Festival statt. Während der zwei Wiesn-Wochen sind im Servicezentrum die Festleitung, Sanitäter, Polizei und das Fundbüro untergebracht.

Die fünf Ringe des Olympia-Loopings liegen noch in ihre Einzelteile zerlegt am Boden. Einmal große Spiele ausrichten, davon träumen viele Städte. In München kehrt der olympische Gedanke jedes Jahr wieder: größer sein, besser sein, fairer sein. Das 176. Oktoberfest wird auch in diesem Jahr wohl wieder Rekorde brechen. Wer weiß, vielleicht schafft der OB den Anstich mit einem Schlag? Der Countdown läuft.

Verena Duregger

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