Wie viele Maß vertragen Sie, Herr Generalkonsul?

Der Amerikaner William E. Moeller über die Wiesn, betrunkene Radlfahrer, rote Ampeln, seine Bairisch-Kenntnisse, seinen Lieblingsort in München und empörte Leserbriefe in der AZ.
von  Timo Lokoschat, Prof. Martin Balle
Auf die Wiesn nur in Tracht: Generalkonsul Bill Moeller mit seiner Ehefrau Nancy.
Auf die Wiesn nur in Tracht: Generalkonsul Bill Moeller mit seiner Ehefrau Nancy. © API (c.) Michael Tinnefeld

AZ: Herr Generalkonsul, haben Sie während der Wiesn mehr zu tun als sonst – zum Beispiel, wenn angeheiterte Amerikaner ihren Pass verlieren?

WILLIAM E. MOELLER: Wir sind ganz schön beschäftigt. Ungefähr ein Viertel der Amerikaner, die jährlich Bayern besuchen, kommen zur Wiesnzeit. Das sind 150 000 Menschen. 99 Prozent haben überhaupt keine Probleme. Aber ab und zu verliert ein Amerikaner tatsächlich seinen Pass, vergisst, wo sein Hotel ist oder den Namen.

Seinen eigenen?

Den des Hotels! (lacht)

Was sorgt noch für Probleme?

Nennen wir es kulturelle Unterschiede. In den USA ist es zum Beispiel kein Thema, betrunken Fahrrad zu fahren. Das ist hier ganz anders. Einen Bierkrug aus dem Zelt mitzunehmen, ist sogar eine Straftat. Manche Besucher glauben offenbar, sie hätten ihn mit dem Inhalt bereits bezahlt. Im Konsulat gehört es zu unseren Aufgaben, auch auf solche Dinge hinzuweisen.

Bleibt da überhaupt noch Zeit, selber auf die Wiesn zu gehen?

Ich gehe fast täglich hin. Manchmal habe ich zwei bis drei Termine am Tag.

Das klingt anstrengend.

Ein Marathon!

Trinken Sie gerne Bier?

Ja. Am liebsten Helles. Wir führen eine Debatte im Konsulat, welches bayerische Bier am besten ist. Tegernseer oder Augustiner...

Und Ihr Favorit?

Zu Hause haben wir Tegernseer.

Oh, ein Diplomat, der sich festlegt.

Andere bayerische Biere sind ebenfalls sehr gut! (lacht)

Was ziehen Sie zur Wiesn an?

Als ich vor zwei Jahren als Generalkonsul in München anfing, habe ich mir zuerst eine Lederhose gekauft. Jetzt habe ich zwei.

Aus Plastik, wie manche Ihrer Landsleute?

Um Gottes willen – nein!

Was haben Sie für die Lederhose bezahlt?

300 Euro inklusive Hemd. Ein Schnäppchen.

Und Ihre Frau?

Sie war am Anfang ein bisschen zurückhaltend, aber jetzt hat sie mehrere Dirndl.

Welche Zelte besuchen Sie?

Den Schottenhamel zum Beispiel. Ich war auf Einladung des Oberbürgermeisters beim Anstich. Das Armbrustschützenzelt macht ebenfalls Spaß.

Was sagen Sie zu den Fahrgeschäften? Immerhin kommen Sie aus dem Land der großen Achterbahnen.

Mein Lieblings-Karussell ist diese kleine Rutsche.

Welche kleine Rutsche?

Dieses Band. Sehr komisch.

Hier gibt's alle News zum Oktoberfest 2014!

Der Toboggan...

...ja, der sieht einfach aus, ist es aber offensichtlich nicht.

Wie viele Liter Bier vertragen Sie an einem Wiesn-Tag?

Bei zwei darf man ja noch Autofahren – oder wie war das? Spaß beiseite: Normalerweise eine Maß in zwei, drei Stunden.

Das ist sehr maßvoll. Was gibt’s zu Essen?

Hendl! Ich liebe amerikanische und bayerische Hendl.

Wie ist es um Ihre Bairisch-Kenntnisse bestellt, die Sie laut einem Interview vor zwei Jahren verbessern wollten?

Well... Ich kann einige Dinge verstehen. Zumindest den Schwerpunkt einer Aussage.

Ihre Vorfahren kommen ja aus Deutschland.

Aus Frankfurt laut meinem Vater. Die Einzelheiten kenne ich leider nicht.

Der Nachname Moeller zeigt es.

Ja, das „ö“ haben wir wohl auf Ellis Island, der früheren Sammelstelle für Einwanderer, verloren.

Was gefällt Ihnen nicht auf dem Oktoberfest?

Das Ende!

Ein echter Diplomat.

Alle guten Dinge müssen zu einem Ende kommen.

Amerikanische Wiesn-Besucher interessieren sich auch für die Stadt. Was empfehlen Sie ihnen?

Den Chinesischen Turm, den besten Biergarten der Welt. Der Monopteros ist auch sehr schön, mein Lieblingsort in München. Ich empfehle außerdem die Kunstmuseen, zum Beispiel die Stettheimer-Ausstellung im Lenbachhaus, und natürlich die BMW-Welt, wobei die Fabrik ebenfalls sehr beeindruckend ist. Erstaunlich, wie sauber sie ist, wie automatisiert und hochentwickelt.

Sie waren in den 80ern als Soldat in Bayern. Wie hat sich das Land verändert?

Mein Eindruck ist: Die Bayern sind heute noch stolzer, Bayern zu sein. Besonders in Bezug auf ihre Tracht. Damals habe ich nicht so oft Leute in Lederhose oder Dirndl gesehen. Das galt als peinlich und altmodisch, heute ist es in Mode, auch und gerade bei den jungen Menschen.

Was ist für Amerikaner besonders ungewohnt, wenn sie nach Bayern kommen?

München ist gar nicht so gewöhnungsbedürftig für Amerikaner, deshalb fühlen sie sich hier sehr wohl. Klar, manche Dinge müssen wir lernen. Zum Beispiel: Bei Rot sollte man nicht die Straße überqueren, nie, auf keinen Fall! In den Staaten denken wir da anders. Man geht über die Straße, wenn sie frei ist.

Wie lange bleiben Sie in der Stadt?

Bis Sommer 2015.

Wohin geht’s danach? Ihr Vorgänger ist auf Kuba gelandet.

Das ist noch ganz offen. Der Auswärtige Dienst ist ein Abenteuer.

Gibt es ein Wunschland?

Deutschland war immer mein Hauptziel. Das habe ich erreicht.

Welches Land ist unter Diplomaten besonders unbeliebt?

Das zu beantworten, wäre ein bisschen undiplomatisch!

Welche Vorurteile über Amerikaner ärgern Sie am meisten?

In der Debatte über das Freihandelsabkommen gibt es Befürchtungen, dass unsere Ernährungsstandards niedriger sind als in Europa. Denken Sie wirklich, dass unser Rindfleisch oder unsere Hähnchen gefährlich sind? Laut den jüngsten Statistiken überleben die meisten deutschen Touristen ihre kulinarischen Erfahrungen in den USA – ungefähr 100 Prozent.

Gelegentlich heißt es, die Amerikaner seien oberflächlich...

Freundlichkeit wird als Oberflächlichkeit missverstanden. Klar ist aber auch: Manchmal wird ein Amerikaner etwas sagen, dass er nicht meint, er sagt etwas aus reiner Höflichkeit. Der Deutsche macht so etwas nicht.

Zum Beispiel: Besuch mich mal!

Wenn ein Deutscher das sagt, kann man sich wirklich drauf verlassen. Bei einem Amerikaner sollte man lieber noch mal nachfragen, bevor man mit den Koffern vor der Tür steht.

Auf politischer Ebene sorgt die Abhöraffäre für Missverständnisse. Belasten die Skandale um abgehörte Handys das deutsch-amerikanische Verhältnis?

Ja, auf jeden Fall. Aber wir nehmen die Besorgnisse sehr ernst und arbeiten hart daran, das Vertrauen wiederherzustellen.

Uns erreichen nach wie vor viele empörte Leserbriefe.

Das kann ich verstehen. Wir sind in bestimmten Fällen zu weit gegangen. Die Abhör-Affäre um Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein gutes Beispiel. Ich gebe jedoch zu bedenken: Nach den Anschlägen vom 11. September standen die Geheimdienste unter enormen Druck, um sicherzustellen, dass etwas Ähnliches niemals wieder passiert. Aber auch viele Amerikaner sehen die Rolle der Geheimdienste kritisch.

Ein anderes Thema, das die Deutschen sehr beschäftigt, ist der Fall Edward Snowden. Soll er in Deutschland aussagen dürfen?

Das ist eine deutsche Entscheidung. Ich betrachte ihn allerdings nicht als Helden, im Gegenteil.

Wikileaks hat veröffentlicht, dass sich Ihr Vorgänger wenig diplomatisch über Horst Seehofer geäußert hat, ihn als „unberechenbar und außenpolitisch ahnungslos“ bezeichnete. Sehen Sie das auch so?

Natürlich nicht. Ich finde Horst Seehofer sehr kompetent.

Das müssen Sie ja jetzt sagen.

Das ist meine ehrliche Meinung.

Sie pflegen ein gutes Verhältnis zur islamischen Gemeinde in München. Wie sehen die die USA?

Als ein Vorbild für die Integration von Muslimen in die Gesellschaft. Gleichzeitig schätzen sie den Schutz von Muslimen bei Konflikten wie aktuell im Kampf gegen den IS. Das Wichtigste ist ein ständiger Meinungsaustausch. Zum Beispiel, wenn ich jedes Jahr Gastgeber eines Fastenbrechens bei mir zu Hause bin.

Die USA wollen ebenfalls ein guter Gastgeber sein. Dazu passt nicht, dass die Einreise sehr oft mit endloser Warterei und mäßig freundlichen Beamten beginnt.

Das ist leider manchmal so, aber wir arbeiten daran. Es ist wichtig, die USA zu schützen, aber gleichzeitig wollen wir, dass Touristen uns besuchen und sich von Anfang an wohlfühlen. Wir wollen mehr Besucher aus Deutschland und uns für die Herzlichkeit, die ich hier in Bayern erlebe, revanchieren.

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