Wie Münchner an der Wiesn verdienen

Tausende Münchner stellen während des Oktoberfests ihre Wohnung für Touristen zur Verfügung. Tipps zur Vermietung und Erfahrungsberichte.
Thomas Gautier |
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Jede Menge Münchner verdienen an der Wiesn.
dpa Jede Menge Münchner verdienen an der Wiesn.

Immer mehr Münchner tun’s: Weil die Nachfrage riesengroß ist, kann man während des Oktoberfests seine Wohnung oder ein Zimmer gewinnbringend untervermieten.

Am Italiener-Wochenende bringen private Zimmer 120 bis 200 Euro.

Hier gibts nicht nur Erfahrungsberichte, sondern auch Tipps, wie sie ihre Wohnung selbst am besten an den Mann bringen.

Wie’s geht, wer’s macht:

 


 

Für 50 Euro die Nacht lässt Dalila Hadri Gäste bei sich einziehen – und das nicht zum ersten Mal. Was sie mit ihnen erlebt hat.

München -  Die wichtigste Frage zuerst: Erbrochenes? „Ist noch nie passiert“, sagt Dalila Hadri, „jedenfalls nicht in der Wohnung. Nur einmal vor dem Haus.“ Wurde sie denn schon mal beklaut? „Auch nicht. Die Leute setzen sich ja nicht in ein Flugzeug, um etwas zu stehlen.“ Nein, bisher war alles gut. Deshalb macht sie es heuer wieder.

Seit drei Jahren vermietet Hadri ihr ehemaliges Büro in ihrer 108-Quadratmeter-Maisonette-Wohnung im Olympiapark an Touristen, die zur Wiesn wollen: Es sind helle 20 Quadratmeter mit Doppelbett, Wlan, Telefon, Schreibtisch und Balkon mit Sicht ins Grüne. Die Gäste dürfen Bad, Küche und die Terrasse mitbenutzen, und wenn sie im Zelt feiern, saugt die Französin auch mal kurz durch. Das alles für 50 Euro die Nacht.

Bad, Küche und Terrasse zum Mitbenutzen

Die Assistentin eines Managers könnte viel mehr verlangen – gerade zur Wiesn. Immer mehr Münchner vermieten zu dieser Zeit ein Zimmer oder ihre gesamte Wohnung. Im besten Fall verdienen sie so über 4000 Euro brutto.

Der Markt boomt – aus zwei Gründen. Erstens: Mit Hilfe des Internets ist es recht einfach. Auf speziellen Webseiten wie Wimdu oder Airbnb findet man Gäste mit wenigen Klicks. Anbieter stellen ihre Wohnung kostenlos ins Netz, die Seiten bringen sie und Wohnungssuchende zusammen und verlangen dafür eine Provision (siehe unten).

Zweitens: Wegen der hohen Nachfrage zum Oktoberfest können Gastgeber viel Geld verdienen. Am Italiener-Wochenende kosten private Zimmer 120 bis 200 Euro. Einige wenige wollen gar 250 Euro. Teuer, ja, aber immer noch besser als die meisten Hotels. Dort zahlen Touristen 200 bis 350 Euro die Nacht. Wenn überhaupt noch etwas frei ist.

Viele Münchner pfeifen aber auf den Profit. Sie wollen neue Leute kennenlernen, Menschen aus anderen Ländern treffen. Ihre Zimmer sind dann unschlagbar billig. Auf Wimdu bietet „Tino“ eine Schlafcouch in seiner WG in Laim an – zehn Minuten von der Wiesn entfernt. Küche und Bad teilt sich der Gast mit den Bewohnern. „Tino“ will nur 25 Euro dafür. Auch Dalila Hadri will nicht mehr als 50 verlangen. „Da würde ich mich schlecht fühlen. Die Wiesn ist teuer genug.“

Hadri vermietet aber nicht an jeden. Australische Rugby-Spieler, die es mit dem Trinken vielleicht hin- und wieder übertreiben, hatte sie noch nie im Haus. Sie sucht sich eher gesetztere Gäste wie das Paar aus Costa Rica auf Hochzeitsreise, die zwei wohlhabenden Frauen aus Dubai oder den Rechtsanwalt aus Bonn.

Am liebsten denkt Hadri aber an die beiden Italienerinnen zurück, die vor einigen Jahren die große Hitze zum Oktoberfest ausnutzten und sich zwei Tage oben ohne auf ihrer Terrasse sonnten. „Sie haben am Ende nichts von der Wiesn gesehen“, sagt Hadri. „Fuhren aber knackebraun nach Hause.“

 

 


 

Vermietung während der Wiesn: Die wichtigsten Fragen und Antworten.

 

Welche Anbieter gibt es?

Webseiten wie wimdu.de, 9flats.de oder airbnb.de gehören zu den größten spezialisierten Portalen. Sie übernehmen die Vermittlung zwischen Gast und Anbieter. Eine Wohnung anzubieten ist kostenlos, nach erfolgreicher Buchung verlangen sie aber Provision. Man kann sein Zimmer aber auch auf Wohnungs-Suchseiten wie „wg-gesucht.de“ oder „easywg.de“ anbieten – das ist komplett kostenlos.

Muss ich den Vermieter fragen, ob ich meine Wohnung oder ein Zimmer untervermieten darf?

Ja. Prüfen Sie zunächst, ob eine Untervermietung im Mietvertrag nicht explizit verboten ist, rät Anja Franz vom Mieterverein München – wenn das nicht der Fall ist und Sie die ganze Wohnung vermieten wollen, müssen Sie den Vermieter auf jeden Fall fragen.

Handelt es sich nur um ein Zimmer, gilt das Gleiche. „Wenn Sie triftige Gründe für die Untervermietung haben, haben Sie aber Anspruch auf eine Erlaubnis“, sagt Franz. Als triftiger Grund gelten etwa schwierige finanzielle Verhältnisse. Wenn Sie unerlaubt untervermieten, kann der Vermieter Ihnen schlimmstenfalls sogar fristlos kündigen.

Muss ich bei Schäden durch Untervermieter haften?

Ja. „Schadensersatzansprüche vom Vermieter gehen an den Hauptmieter“, sagt Franz. Airbnb übernimmt aus Kulanz Schäden bis 35 000 Euro. Wimdu will bald eine Versicherung gegen Gäste-Schäden einführen.

Muss ich meinen Gewinn versteuern?

Ja. Steuerberater Andreas Mur: „Arbeitnehmer müssen ihren Gewinn aus der Untervermietung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angeben.“ Die werden nach dem jeweiligen Einkommenssteuersatz versteuert. Selbstständige sollten „auf jeden Fall mit ihrem Steuerberater klären, welche Belastungen, gegebenenfalls auch durch Umsatzsteuer, auf sie zukommen können“. Wer nichts versteuert, begeht Steuerhinterziehung – und muss mit einer Geldstrafe rechnen.

Muss ich Fotos meiner Wohnung auf die Seite stellen?

Ja – zwingend. Angebote ohne Fotos bleiben offline. Achten Sie auch darauf, dass die Fotos ein angenehmes, aber realistisches Bild Ihrer Wohnung vermitteln. Airbnb und Wimdu schicken auf Anfrage auch einen professionellen Fotografen vorbei, der gute Aufnahmen macht – kostenlos.

Wie viel kann ich für mein Zimmer verlangen?

Das kommt auf die Lage, also auf die Nähe zur Theresienwiese, zum Zentrum, zu Sehenswürdigkeiten oder U-Bahnstationen und auf die Größe der Wohnung an.

Wenn der Gast in einem echten Bett schlafen, Bad oder Küche mitbenutzen kann, kann man einen höheren Preis nennen als für eine Matratze im Keller. Darf der Gast die Wohnung allein bewohnen, rechtfertigt das ebenfalls eine höhere Miete. Wie auch bei mehreren Personen. Zur Wiesn-Zeit sind die Preise höher.

Sind Sie unsicher, sollten Sie sich den Preis von vergleichbaren Angeboten anschauen – und eventuell leicht darunter liegen. Das bringt mehr Interessenten.

Welche Preise nennen die Münchner für ein Wiesn-Zimmer derzeit?

Airbnb meldet einen durchschnittlichen Preis von 90 bis 120 Euro. Bei Wimdu beträgt die Spanne 18 bis 687 Euro – das 18-Euro-Zimmer liegt aber in Wolfratshausen.

Wie viel Provision nehmen die Vermittler?

Wimdu verlangt drei Prozent vom Anbieter und zwölf Prozent vom Gast – wer eine Wohnung für 100 Euro anbietet, bekommt also 97 Euro. Der Gast zahlt insgesamt 112 Euro. Airbnb verlangt drei Prozent vom Anbieter und sechs bis zwölf Prozent vom Gast – je länger er bleibt, desto geringer wird die Gebühr.

Wie komme ich an mein Geld?

Wimdu und Airbnb buchen den fälligen Betrag direkt von der Kreditkarte des Gastes ab – Airbnb bietet auch eine Zahlung über das Online-Bezahlsystem PayPal an. Das Geld wird 24 Stunden nach Ankunft des Gastes an den Anbieter überwiesen.

Darf ich eine Kaution verlangen?

Ja – bei Wimdu muss man die Kaution im Eintrag ankündigen. Der Gast bringt sie in bar bei der Schlüsselübergabe mit und erhält sie bei seiner Abreise zurück. Gibt es Schäden, müssen sich beide Parteien selbst einigen, betont Wimdu-Mitgründer Christopher Oster. „Wir vermitteln aber gerne.“ Airbnb friert die Kaution bei der Buchung ein – der Gast erhält sie 48 Stunden nach dem Auszug zurück. Wenn es Schäden gibt, müssen Sie sie bis dahin angeben – und am besten mit Fotos belegen.

Kann ich mit einem Interessenten vor der Buchung sprechen?

Ja. Wimdu schickt dem Anbieter den Namen und Fotos des Gastes zu. Über die Webseite kann man auch mit ihm in Kontakt treten und weitere Fragen stellen. Bei Airbnb kann man auch per Video-Chat oder über Facebook kommunizieren. Bis zur Buchung kann man Interessenten auch ablehnen, zum Beispiel, wenn man ein ungutes Gefühl hat.

Kann ich einen Gast ablehnen, obwohl er schon eingezogen ist?

Nein. Vertrag ist Vertrag. Wenn überhaupt, geht es nur bei „triftigen Gründen“. Wimdu tritt bei Problemen als Vermittler ein, sagt Mitgründer Christopher Oster. Bei Airbnb können Anbieter eine Hausordnung mit Regeln hinterlegen, sagt Sprecherin Simone Kiri. „Wenn der Gast dagegen verstößt, können Sie ihn ablehnen.“

 


 

Die AZ-Redakteure Timo Lokoschat und Thomas Gautier über das Thema Wohnungsvermietung während der Wiesn.

PRO: 

Timo Lokoschat

Okay, ich habe Teppichboden. Ansonsten spricht aus meiner Sicht aber nicht viel dagegen, meine kleine Wohnung während des Oktoberfests unterzuvermieten. Ich wohne gerade einmal drei Minuten von der Festwiese entfernt und bin ohnehin froh, wenn ich dem nervigen Trubel während der 17 Tage entkommen kann. Und dann noch ein bisschen Geld dafür bekommen? Verlockend. Klar, australische Rucksacktouristen, die mein Badezimmer in Ayers Rock verwandeln, brauch’ ich nicht. Aber zivilisierte neue Bekanntschaften, denen ich vielleicht noch zeigen darf, dass München aus mehr als Wiesn besteht – warum nicht?

 

 

 

KONTRA:

Thomas Gautier

Volles Haus zur Wiesn? Kenn’ ich. Jedes Jahr stehen sie wieder mit Schlafsäcken vor meiner Tür, die lieben Verwandten. Meist sind’s Cousins aus der Schweiz – einer Gegend, in der man die erste Weißweinflasche gern schon um elf Uhr morgens öffnet, Bier aber nur in 0,25-Liter-Größe kennt. Die Folgen: vier Stunden Herbstfest, drei Maß Festbier, zwei Promille und ein Riesensaustall. Bad, Teppich und Küchenspüle wurden schon des Öfteren von nicht zurechnungsfähigen Verwandten eingeweiht. Und da soll ich Weitgereiste empfangen, die ich nicht mal kenne? Meine Cousins reichen mir völlig.

 

 

 

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