"Wie Müllablagen, eine Schande für München": Welches Problem die Gemüter vor 50 Jahren erhitzte

München - Dass früher alles doch ein bisserl besser gewesen sei, das Gefühl gehört für viele Münchner heute dazu. Blättert man aber ausgiebig in den AZ-Bänden von vor 50 Jahren, kommen einem da doch so manche Zweifel. Zum Beispiel beim Thema Kriminalität: unglaublich, die Menge an Kapitalverbrechen wie Morden. Oder auch: beim Thema Verschmutzung.
Wie gerne man sich doch im Jahr 2024 auch im Rathaus erzählt, dass diese jungen Leute heutzutage kein Benehmen mehr haben. All die Flaschen an der Isar, all der Dreck am Gärtnerplatz. Was für ein ungehöriger Kulturverfall, sowas hätte es doch früher nicht gegeben!, grantelt man gerne.
"TOTAL VERSCHMUTZT", schreibt die AZ
Einzig: So ganz ist diese Sichtweise nicht haltbar, wie ein Blick in die AZ-Bände aus dem Juni 1974 zeigt. Am 27. Juni, genau heute vor 50 Jahren, lautet eine Überschrift in der AZ: "Leit, macht's doch aus den Brunnen keine Abfall-Eimer!"
"TOTAL VERSCHMUTZT" würden "täglich" die Münchner Brunnen, notiert der AZ-Reporter spürbar erbost. Die Münchner Brunnen seien "keine Augenweide, sie ähneln eher Müllablagen". Die Wasserwerke sähen sich "außerstande, täglich die verschmutzten und stinkenden Wasserbecken zu säubern". Ein Sprecher wird so zitiert: "Dazu bräuchten wir ein eigenes Müllkommando."
Er sagt: "Wir können machen, was wir wollen, die Leute sind unverbesserlich." Tags wüschen die Münchner ihre Füße in den Wasserbecken. "Und nachts glauben heimkehrende Kneipen-Bummler, einem infantilen Trieb nachkommen zu müssen, indem sie alles in die Brunnen werfen, was ihnen zwischen die Finger kommt."
Nun will die Münchner Polizei härter durchgreifen, berichtet die AZ. "Wir werden gegen alle Anzeige wegen Sachbeschädigung oder Verschmutzung der Straßenflächen stellen", sagt Oberamtsrat Josef Kistler. Erst wenn die Münchner Brunnen nicht mehr täglich von "Rowdies" verunreinigt würden, könne die Stadtverwaltung wieder garantieren, dass "dort kein stinkendes, sondern sauberes Wasser fließen wird".
Brunnen an der Münchner Freiheit "eine stinkende Kloake"
Erst wenige Tage zuvor hatte die AZ entsetzt über den Brunnen an der Münchner Freiheit berichtet, der "eine stinkende Kloake" sei. Überschrift zum Artikel: "Eine Schande für unser München".

Dort plätschere nicht "sauberes klares Wasser", sondern "eine dreckig-braune und stinkende Kloake". Die AZ zitiert einen München-Besucher aus Hamburg: "Ein Ort der Erholung und Entspannung ist bei diesem Dreckswasser wirklich nicht mehr geboten", sagt der, als er in der AZ-Redaktion anruft. Ein anderer Anrufer klagt, dass München "seinem Ruf als eine der saubersten Städte wohl kaum gerecht wird". Klingt wie Klagen aus dem Frühsommer 2024. Ist aber genau 50 Jahre her.