Wie man ein Bierfass anzapft

MÜNCHEN Nie konnte ich verstehen, warum OB Christian Ude vor dem Anzapfen Albträume hat. Jetzt hatte ich sie: Im Traum donnere ich auf das Fass ein, nix passiert. Mit diesem Gefühl erreiche ich die Augustiner Festhalle. Hier soll ich mein erstes Fass anzapfen.
O’zapfen: Das ist das, was wir Münchner als höchstes Privileg ansehen. Aber auch als Sport: Wer zu viele Schläge braucht, blamiert sich. Auf ewig. Mit zwei Schlägen macht’s der OB, Wirte mit einem. Ich hoffe nur, im einstelligen Bereich zu bleiben.
Schankkellner Jürgen Zierch drückt mir den Wechsel in die Hand. „Der ist einem Schankkellner heiliger als seine Frau, also pass auf“, sagt er. Der Messinghahn ist schwer, meine Hand umfasst ihn kaum. Er ist einer der letzten seiner Art: Sie werden selten hergestellt. Augustiner ist das letzte Zelt, das nur aus dem Fass ausschenkt. „Warum zapfen Wirtinnen nie an?“, hatte ich vor einer Woche einen Wirt gefragt. Und nur ein Lächeln geerntet. „Männersache.“ .
Nun stehe ich hier und überlege, ob es eine gute Idee ist, auf das 30 Jahre alte Fass einzuhämmern und mich mit Bier zu besudeln. Eine Gruppe Besucher knipst bereits fleißig das Dirndl am Fass. Jürgen zeigt, wie es geht: Wechsel leicht nach unten, Druck mit den Daumen von oben, gerade draufschlagen. 220 Fässer werden so pro Tag im Augustiner o’zapft, bis zu fünf pro Stunde in einer Schänke.
„Einfach drauf“, sagt Jürgen und drückt mir den Schlegel in die Hand. Mit voller Kraft ziehe ich durch, treffe den Wechsel, das Bier spritzt. „Weiter, ruft Jürgen – und dann nach meinem dritten Schlag: „Stop, der is’ drin.“
„O’zapft is“, rufe ich zaghaft und stemme den Schlegel in die Höhe. Die erste Maß ist purer Schaum, es spritzt, aber mir ist das egal. Ich strahle meinen Schankmeister an: Drei Schläge! „Wennst magst, kommst mal wieder.“ Spätestens als Oberbürgermeisterin.