Wie kleine Läden in München ums Weihnachtsgeschäft kämpfen: "Wahnsinnig schwer"

Die Innenstadt in München und Stadviertelzentren sind voll mit Weihnachtseinkäufern. Doch lassen die auch Geld da? Nicht alle und nicht überall.
von  Helena Ott
Viel los in der Weißenburger Straße. Die Haidhauser wollen alle noch Weihnachtseinkäufe erledigen.
Viel los in der Weißenburger Straße. Die Haidhauser wollen alle noch Weihnachtseinkäufe erledigen. © Daniel von Loeper

München - Am letzten Montag vor Weihnachten ist es wuselig-voll im Haidhauser Zentrum zwischen Weißenburger- und Pariser Platz. Der Himmel strahlt blau über den Dächern. Statt nur Eltern mit Kinderwagen oder Rentnern sind um die Mittagszeit auch viele junge Menschen auf der Straße unterwegs – am Weihnachtsmarkt und in den Geschäften. Fast als hätten sich einige vom übrigen Jahresurlaub vor Weihnachten noch den ein oder anderen Tag frei genommen, um in Ruhe die letzten Geschenke zu besorgen.

"Corona war ein richtiger Schub": So hat sich das Weihnachtsgeschäft in München verändert

Aber ist das so? Und heißt das, dass auch für die kleinen Läden das Weihnachtsgeschäft wieder stabil läuft nach drei Krisenjahren? Sind die Leute auf ihren Onlineshops hängen geblieben, oder kommen sie wieder in ihre Geschäfte, um sich beraten zu lassen? Sechs Tage vor Weihnachten ist Zeit für einen Besuch in Haidhausen, das neben Neuhausen und Schwabing für seine vielen inhabergeführten Läden bekannt ist.

Öffnet man die Tür von Doppler in der Sedanstraße findet man sich wieder in einer bonbon-bunten Ausstellung verschiedener Design-Dekoartikel: Trinkflaschen, wild-gemusterte Kinderbecher, Handtücher, Vasen und Kerzenhalter. Die Inhaberin Sabine Doppler lächelt gut gelaunt. Wegen des warmen Wetters Ende Oktober habe das Weihnachtsgeschäft zunächst auf sich warten lassen. "Aber jetzt läuft es großartig", sagt die Ladenbesitzerin. "Das hört sich jetzt widersinnig an, aber für mich war Corona ein richtiger Schub." Die Umsätze hätten sich schon seit dem letzten Jahr deutlich erhöht.

Verändertes Konsumverhalten: Wie Kunden in München heute einkaufen

Warum? Ihr Laden habe keine Top-Lage, sondern liege etwas versteckt, aber in der Corona-Zeit seien die Leute viel spazieren gewesen, viele Haidhauser hätten ihren Laden da erst kennengelernt. Die etwa 30 Quadratmeter Ladenfläche betreibt sie seit fast 20 Jahren. Das hört sich nach Auftrieb an, nach Zuversicht. Aber geht es anderen genauso? Was ist mit der Konsumzurückhaltung über die Ökonomen und Handelsverbände seit der hohen Inflation überall reden?

Sabine Doppler in ihrem kleinen Geschäft in Haidhausen. Bei ihr kaufen viele aus der Nachbarschaft ein – vor allem seit Corona.
Sabine Doppler in ihrem kleinen Geschäft in Haidhausen. Bei ihr kaufen viele aus der Nachbarschaft ein – vor allem seit Corona. © Daniel von Loeper

Will man zu Thomas Voglgsang, muss man sich einreihen in eine Schlange voller Kunden, die an der Kasse hintereinander stehen. In der Haupteinkaufsstraße Haidhausens der Weißenburger Straße betreibt er den Buchladen "Buch und Töne". Er könne sich nicht beklagen, man sei wieder auf dem Umsatzniveau von vor der Krise. Und Bücher hätten die Leute auch 2021 und 2022 weiter gekauft. "Ich hab' hier vor Ort eine sehr treue Stammkundschaft", sagt der Buchhändler. "Ohne die hätte es uns schon lange zerrissen." Thomas Voglgsang hat keine Zeit mehr zu reden, er ist gerade alleine und muss sich um die Kundenschlange kümmern.

Weiter in Richtung Wiener Platz: Als sie vor 20 Jahren ihren Kinderladen mit Bekleidung und Spielzeug aufgemacht habe, habe es noch 16 Kindergeschäfte im Viertel gegeben, sagt Petra Lock. Heute seien mit ihrem Laden, "Engel und Bengel", noch drei übrig, sagt sie. Dem Handel ginge es nicht gut, das könne sie nicht nur an ihren eigenen Umsätzen festmachen, sie tausche sich auch viel mit Kolleginnen und Kollegen aus. "Ich habe den Eindruck, es wird insgesamt deutlich weniger Geld ausgegeben", sagt die Ladeninhaberin.

Kleine Geschäfte in Haidhausen im Wettbewerb mit großen Einzelhandelsketten

Das merkt sie auch im Weihnachtsgeschäft deutlich, sagt sie. Früher sei der Laden 14 Tage vor Weihnachten "bumsvoll" gewesen und die Leute hätten weniger auf den Preis geguckt. Es seien Geschenke eher für 100 Euro, statt für heute häufig unter 30 Euro gekauft worden. "Die Einzigen, die hier noch reinkommen und Kleiderkombinationen kaufen, ohne groß auf den Preis zu achten, sind die Großeltern." Einerseits finde sie es gut, wenn die Leute bewusster einkaufen, aber gleichzeitig wisse sie nicht, wie es um die Zukunft für ihren Laden in der Inneren Wiener Straße steht.

Weihnachtsbummel in der Fußgängerzone: Die Kaufingerstraße und die Neuhauser Straße sind die Einkaufsmeilen mit den meisten Passanten. Und auch die mit den meisten Ladenketten (Filialisten).
Weihnachtsbummel in der Fußgängerzone: Die Kaufingerstraße und die Neuhauser Straße sind die Einkaufsmeilen mit den meisten Passanten. Und auch die mit den meisten Ladenketten (Filialisten). © Imago/Wolfgang Maria Weber

Dabei gilt Haidhausen als eines der Viertel mit besonders viel wohlhabendem Publikum. Aber egal in welcher Gehaltsklasse, alle haben gerade höhere Ausgaben für Lebensmittel und den täglichen Bedarf. Auch Leute, die nicht wenig Geld, aber weniger als zuvor zur Verfügung haben, reagieren mit ihrem Konsumverhalten. Das heißt vielleicht auch, so lange zu googeln, bis man das bevorzugte Geschenk irgendwo am günstigsten bekommt. Statt einfach in den Lieblingsladen zu laufen und es nach Hause zu tragen.

Bei den vielen Leuten, die die Fußgängerzone dieser Tage wieder bevölkern und die in Haidhausen ihre Weihnachtseinkäufe machen, sähe man von Außen eines nicht, sagt Petra Lock: "Es ist immer noch ein Kraftakt, für uns kleinere Läden." Sie glaubt, dass es der stationäre Handel auch im kommenden Jahr weiterhin "wahnsinnig schwer" haben wird. Eine Schmuckverkäuferin gegenüber bestätigt, dass die Leute zurückhaltender einkaufen. "Sie stürmen nicht mehr in die Läden und nehmen mit, was ihnen gefällt." Ähnliche Erfahrungen macht auch ein Frauenmodeladen in der Wörthstraße im mittleren Preissegment. "Das Geld sitzt weniger locker bei den Leuten", sagt die Verkäuferin, die gerade einer Frau im Laden die bunten Winterkleider zeigt. Sie habe den Eindruck, das Weihnachtsgeschäft sei selbst im vergangenen Jahr "deutlich besser" gewesen.

Ein Abgleich mit einem Kenner des Innenstadthandels: Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von City Partner sagt, dass er ähnliche Rückmeldungen von den Geschäften in der Stadt bekomme. In den Bereichen Einrichtung und Wohnaccessoires laufe es noch etwas besser als beim Rest, aber insgesamt "veranlasst das Weihnachtsgeschäft nicht zur Begeisterung". Schuld sei auch der Wintereinbruch am ersten Adventswochenende und dass es bis in die darauffolgende Woche gebraucht habe, bis Bahnen und Busse wieder regulär fuhren. Und das in einem so kurzen Advent, in dem Weihnachten schon auf das vierte Adventswochenende fällt. "Im Vergleich zu den Jahren vor Corona sind wir mit dem Umsatz noch deutlich davon entfernt", sagt Fischer.

Finanzielle Herausforderungen und Zukunftsängste: Die Realität für kleine Ladenbesitzer in Haidhausen

Aber, wie kommt es dann, dass Sabine Doppler vom Deko-Design-Laden die derzeitige Lage so anders wahrnimmt? Vielleicht weil die Auswahl an kleineren Geschenken, für die man nicht gleich über 50 Euro ausgeben muss, in ihrem Laden hoch ist und mancher auch bei ihren Geschenken in diesem Jahr auf eine Nummer kleiner ausweicht. Viele würden die Sachen, die sie für sich kaufen oder verschenken, im Laden vorher anschauen wollen. "Aber es geht oft auch darum, sich inspirieren zu lassen von einer möglichst spannenden Auswahl." Das müssten Passanten schon im Schaufenster sehen, für was ein Laden steht und dass es dort ein besonderes Sortiment gibt.

Das ist die Leistung vom inhabergeführten Einzelhandel. Dass jemand wie in einer kleinen Ausstellung, hübsche und nützliche Sachen präsentiert und damit die Fülle an Produkten für Kunden vorsortiert. Und natürlich das Persönliche, wo ein Mensch hinter dem Tresen steht, der vom Fach ist, sein Sortiment wirklich kennt. Dass es Orte sind, wo man sich häufig persönlich kennt, manche gar mit Namen angesprochen werden. Wo man daneben einen Plausch übers Viertel halten kann, weil die Inhaberin so in der Nachbarschaft verwurzelt ist.

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