Wie kann man Angehörigen in Heimen in der Corona-Krise helfen?

Wie kann man Senioren unterstützen, die aufgrund der Corona-Pandemie abgeschirmt in Heimen leben? Stefan Woinoff, Arzt und Psychotherapeut in Schwabing, gibt Rat.
von  Irene Kleber
Dr. Stefan Woinoff rät, seinen Angehörigen "so viel emotionale Fürsorge wie möglich" zu schenken.
Dr. Stefan Woinoff rät, seinen Angehörigen "so viel emotionale Fürsorge wie möglich" zu schenken. © AZ

München - Seit einigen Wochen schon können Angehörige ihre Lieben in den Alten- und Pflegeheimen nicht mehr besuchen. Auch Friseure und Fußpfleger kommen nicht mehr ins Haus, Heim-Veranstaltungen gibt es nicht mehr – und wenn überhaupt noch im Speisesaal gegessen werden darf (einige Häuser verbieten das und bringen Essen ins Zimmer), dann nur noch zu zweit an Vierertischen, mit großem Abstand.

Die AZ hat darüber mit dem Münchner Psychotherapeuten Stefan Woinoff gesprochen.

"Einsamkeit tut weh, Einsamkeit macht krank"

AZ: Herr Dr. Woinoff, kein Kontakt mehr mit anderen Menschen, keine Berührung – ist das nicht gerade für alte Menschen besonders schwer?
Dr. Stefan Woinoff:
Richtig, vor allem dann, wenn sie im Heim ohnehin wenig Kontakt zu anderen haben. Der Mensch ist ein Herdentier – Isolation gehört zum Heftigsten, was wir erleben können. Nicht umsonst haben wir uns als Strafe die Gefängnisstrafe ausgedacht.

Was passiert in der Seele in Isolation?
Das Gefühl der Einsamkeit ist im Schmerzzentrum im Gehirn angesiedelt. Einsamkeit tut weh! Und Einsamkeit macht krank. Es ruiniert die körperlichen Abwehrkräfte, man ist dann auch anfälliger für Viren.

Wer ist besonders gefährdet?
Frauen halten das noch schlechter aus als Männer, weil Frauen Kommunikation noch mehr brauchen.

Viel mit alten Leuten reden, aber möglichst wenig über Ängste

Wenn man nun aber Mutter, Vater, Oma oder Opa nicht im Heim besuchen kann – was lässt sich dann tun?
So viel emotionale Fürsorge geben wie möglich. Mehrmals täglich anrufen, eine Stimme gibt ja viel Nähe. Sich absprechen in der Familie, dass an keinem Tag eine Lücke entsteht. Vielleicht auch mal unters Fenster kommen, damit der Vater oder die Oma einen sehen kann.

Berührungen kann man aber auch damit nicht ersetzen.
Nein, aber wenn Sie etwas ins Heim schicken, was der alte Mensch anfassen kann, geht das in die Richtung. Ein Kissen zum Kuscheln von der Tochter, Postkarten, bemalte Ostereier – wenn das erlaubt ist.

Noch ein Tipp zur Selbstbeschäftigung?
Nicht zu viel Nachrichten hören, das macht nur verrückt. Lieber alte Fotoalben anschauen, an schöne Erinnerungen denken, die guten alten Gefühle von Geborgenheit hervorrufen. Lustige Hörbücher hören und beruhigende Musik. Noch einen Tipp für die Angehörigen?

Gerne.
Reden Sie mit den älteren Leuten nicht so viel über Ihre Angst. Viele Ältere haben gar nicht so viel Angst in dieser Krise, das höre ich oft in meiner Praxis. Sie haben den Krieg und die Nachkriegszeit erlebt, etliche Krankheiten und Katastrophen. Sie sind da viel cooler als Junge – und das ist auch gut so.

Lesen Sie hier: Coronavirus in zweitem Münchner Heim nachgewiesen

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