Wie Frauen bei den Grünen die Stadtpolitik weiblicher machen wollen
München - Hauptsache nett sein, nicht anecken, nicht auffallen - nach diesen Prinzipien sei ihre Generation erzogen worden, erzählt Ursula Harper (54). "Deshalb dachte ich lange, eine Frau wie ich ist für die Politik nicht geeignet.”
Förderprogramm der Grünen-Frauen in München
Diese Meinung hat Harper jedoch aufgegeben. Sie trat 2017 bei den Grünen ein - und seit diesem Herbst ist sie deren Vorsitzende in München. "Das Frauenbild hat sich verändert", sagt Harper. So ganz optimal läuft es aber noch immer nicht - nicht einmal bei den Grünen, die schon in den 80er Jahren eine Frauenquote erließen. Um ihre Situation weiter zu verbessern, haben die Grünen-Frauen in München schon vor zwei Jahren ein Förderprogramm gestartet. Außerdem treffen sie sich regelmäßig zur Frauenvollversammlung. Zuletzt tauschten sich im Dezember 120 Frauen in einer digitalen Konferenz aus.
Ihre Forderungen: Sitzungszeiten müssen den Bedürfnissen von Frauen angepasst werden - zum Beispiel durch digitale Formate oder indem sie auch mal am Abend oder am Wochenende stattfinden. Außerdem fordern die Frauen Kinderbetreuung - nicht nur auf Parteitagen. Und weil häufig immer noch lieber Männer als Frauen Reden halten, wünschen sie sich Rhetoriktraining. So wollen sie auch Frauen mit einem Migrationshintergrund oder einer Behinderung besser ansprechen.
Frauen in Kommunalpolitik immer noch unterrepräsentiert
In nicht einmal jeder zehnten von rund 11.000 Kommunen in Deutschland ist eine Frau die Chefin im Rathaus. Oder anders ausgedrückt: 90 Prozent der Bürgermeister sind männlich. Ein Grund dafür sei, meint Harper, dass die Strukturen oftmals nicht für Frauen geeignet seien. "Zum Beispiel gibt es im Münchner Rathaus erst seit einem Jahr, angeregt von uns Grünen, einen Wickeltisch." Ein anderer Grund ist wohl, dass an Frauen oftmals andere Maßstäbe angelegt werden. Bei einer Umfrage des Beratungs- und Forschungsinstituts EAF gaben Dreiviertel der befragten Bürgermeisterinnen an, dass bei Politikerinnen das Privatleben stärker beobachtet werde, dass sie mehr Leistung bringen müssten und dass auch ihr Äußeres eine größere Rolle spiele.
Diese Erfahrungen machte Ursula Harper eher im Job. Sie arbeitet als Grafikerin und Illustratorin. Lange seien in den Agenturen die meisten ihrer Chefs männlich gewesen. "Um beruflich voranzukommen, gab mir eine Kollegin einmal den Tipp, dass ich statt Kleider lieber Hosenanzüge tragen soll", sagt Harper. "Aber ich wollte mich nicht verbiegen." Sie hofft, dass junge Frauen es heutzutage leichter haben.
Sie fordern für alle Parteien verbindliche Quoten

Kann eine Frau heute also alles erreichen? Bei dieser Frage zögert Felicitas Berger, Sprecherin der Grünen Jugend München, kurz. "Bis jetzt hatte ich noch nie das Gefühl, benachteiligt zu werden. Aber ich habe ja auch noch keine Kinder." Felicitas Berger ist 26 Jahre alt, studiert Soziologie. Doch obwohl sie sich schon immer für Politik interessierte, brauchte sie weibliche Vorbilder.
Sie begann erst, sich bei den Grünen zu engagieren, nachdem sie andere junge Frauen kennenlernte, die in Parteien aktiv waren. Felicitas Berger und Ursula Harper sind sich einig, dass sich in der Politik die Geschlechterverhältnisse nicht von selbst umkehren. Sie fordern für alle Parteien verbindliche Quoten. Bei den Grünen zeigte das Wirkung: In den Bezirksausschüssen und im Stadtrat sitzen in ihrer Fraktion inzwischen sogar mehr Frauen als Männer.
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