Wie Fragmente der alten Münchner Synagoge an die Isar gekommen sein könnten

München - Kürzlich hat Charlotte Knobloch wieder ausführlich erzählt. Zum 85. Jahrestag des Abrisses der Hauptsynagoge durch die Nazis berichtete die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) von ihren Kindheitserinnerungen an das Gotteshaus beim Stachus – und vom schmerzlichen Verlust für die Gemeinde und für sie persönlich.
Dass Wochen später Teile der Synagoge bei Bauarbeiten an der Großhesseloher Brücke gefunden werden könnten, das hätte sich zu dem Anlass wohl keiner vorstellen können. Auch nicht Knobloch. Die Nachricht habe sie "völlig unvorbereitet" getroffen, sagte sie am Donnerstag der AZ. Sie selbst habe ja 1938 den abgeräumten Standort des Gebäudes gesehen, die Rücksichtslosigkeit des Abrisses sei gut dokumentiert.
Fund an der Isar: Bruchstücke der Synagoge als Bauschutt verwendet
"Dass trotzdem viele Bruchstücke des Gebäudes erhalten geblieben und jetzt fast ein Jahrhundert später buchstäblich wieder aufgetaucht sind, grenzt an ein Wunder." Was sie schockiere, sagte Knobloch, sei "der respektlose Umgang mit den Gebäudeteilen, die "ganz offensichtlich noch nach dem Krieg als Schutt an einem Wehr an der Großhesseloher Brücke eingesetzt wurden." Sie hoffe sehr, dass "die Bruchstücke jetzt zügig geborgen und gesichtet werden".
Bernhard Purin, der Direktor des Jüdischen Museums, sagte am Donnerstag im Gespräch mit der AZ, die bisher gefundenen Steine würden auf ein Gelände der Stadtwerke verlegt, wo sie näher untersucht werden sollen. Da es sehr detaillierte Aufnahmen der Hauptsynagoge gebe, könne man sie wohl gut zuordnen.

Stadtwerke München unterstützen Ausgrabung
Die Stadtwerke hätten sehr gut reagiert – und seien sensibilisiert. Purin hofft, dass noch mehr Teile des Tora-Schreins gefunden werden können. Und das möglicherweise schon kommende Woche. Einen Bereich am Wehr hätten die Stadtwerke schließlich bisher noch gar nicht bearbeitet. Auch für Purin kommen die Funde überraschend. Er sagt aber auch: "Im Nachhinein hat es jetzt schon eine gewisse Logik." Die Firma Moll, die die Synagoge abriss, habe ein Betriebsgelände in der Nähe gehabt. Und 1956/57 das Wehr repariert.
Unterdessen melden offenbar die Jüdischen Gemeinden beide Ansprüche auf die Teile an. Die Liberale Jüdische Gemeinde Beth Shalom erklärte in einer Mitteilung: "Wir sehen uns im Ritus als Nachfolger der ehemaligen Hauptsynagoge in München." Schließlich sei in der Hauptsynagoge bis zum Nationalsozialismus in einem liberalen Ritus gebetet worden.
Eva Ehrlich, die Vorsitzende der Gemeinde, sagte: "Wir hoffen sehr, dass zumindest einer der Steine, die dort gefunden wurden, zu uns in die Gemeinde kommt. Als Erinnerung. Der Stein bedeutet für uns ein Zeichen unserer Identität und Tradition." Bei Beth Shalom gebe es bis heute Familien, die noch in der ehemaligen Hauptsynagoge Mitglieder waren.
Jüdische Gemeinden wollen Bruchstücke der Münchner Synagoge ausstellen
So wünsche sich die Gemeinde, dass ein Teil des Funds, den noch die Vorfahren nutzten, nun für ihre Enkel eine zugängliche Erinnerung der deutsch-jüdischen Geschichte und gleichzeitig der "progressiven Tradition" werde.

Charlotte Knobloch, die den sehr viel größeren Teil der jüdischen Münchner vertritt, äußerte sich vorsichtiger. Sie sagte der AZ, sie freue sich darauf, dass "die Bruchstücke bald in der einen oder anderen Form in unsere Gemeinde zurückkehren".
Wie bald, da ist sich Museums-Direktor Purin aber nicht so sicher. Bei den Gemeinden und ihren Ansprüchen mische er sich nicht ein, sagte er. Aber er geht davon aus, dass die Untersuchungen bis zu zwei Jahre dauern könnten.