Wie die Münchner dem Coronavirus begegnen
München - Eine junge Frau mit langen dunklen Locken und blauer Jacke wankt, als die volle Trambahn losruckelt. Offensichtlich möchte sie ja keine Stange oder keinen Haltegriff anfassen – nicht mit bloßer Hand. Sie streckt die Arme von sich, balanciert weiter in den Gang der vollen Tram. Dann endlich findet sie eine Lösung: Sie stülpt über die rechte Hand ihren Jackenärmel und krallt sich jetzt den Haltegriff eines Sitzes, mit dem Stoff ihrer Jacke zwischen Hand und Griff. Corona-Risiko gebannt.
Wie München die Corona-Krise erlebt
Auch am Montag, an dem sich die Nachrichten zum Thema wieder überschlagen, die ersten Corona-Toten in Deutschland gemeldet werden, sind es eher solche kleinen Beobachtungen, die in der Stadt auf die Corona-Krise weisen. Der U-Bahn-Fahrgast mit Mundschutz bleibt die Ausnahme.

Viel häufiger greifen die Münchner zu einem anderen Mittel: Desinfektionsmittel für die Hände sind heiß begehrt in diesen Tagen. In vielen Geschäften und Apotheken ist es ausverkauft und nicht bestellbar. Zwei Apotheken, die in Eigenregie vorerst 300 Liter Desinfektionsmittel herstellen, sind an der Münchner Freiheit.
"Meine Einkäufer verbringen die meiste Zeit damit, Alkohol für die Produktion des Desinfektionsmittels zu bestellen", erzählt Frank Füßl (49), Chef der Apotheken St. Ursula und Zur Münchner Freiheit. Ohnehin sei Desinfektion ein großes Thema in seinen Apotheken.

Zwei Lager: Gelassen oder panisch
Lange vor Corona stellte er Desinfektionsgeräte für die Hände auf, die ein klares Gel ausstoßen, wenn man die Hand darunter hält. "Sehr beliebt", sagt Füßl, "wir müssen es regelmäßig auffüllen. Corona ist für viele die große Unbekannte."
Was Füßl ein wenig verwundert, ist, dass sich zwei Lager bilden. "Ich habe das Gefühl, die Leute sind völlig gelassen oder beinahe panisch. Dazwischen ist nicht viel", sagt Füßl, "wir bräuchten mehr Gelassenheit." Um sich selbst macht der Apotheker sich keine großen Sorgen, aber "in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis sind einige Personen, die etwas älter, vorerkrankt oder beides sind", so Füßl. Da mache man sich schon Gedanken. Und was ihm noch auffalle: "Einige Kunden meiden vor Infektionsangst die Krankenhäuser und Ärztewartezimmer. Sie kommen lieber zu uns, lassen sich beraten."
Mittel, die das Immunsystem stärken, seien derzeit am beliebtesten: Vitamin C, D, sowie Vitalpilze. "Die Menschen wollen bestens gewappnet sein, falls es zu einer Infektion kommt", so Füßl. Er glaubt ohnehin an eine weitere Ausbreitung des Coronavirus und findet, dass die jetzigen Maßnahmen der Regierung, wie die empfohlene Absage von Großveranstaltungen, zwei Wochen zu spät kommen.
Kräuterhandel am Stachus verkauft Immunprodukte
Mittel, die das Immunsystem stärken, sind auch bei Sarah Jungbauer (27) sehr gefragt, in der Kräuterhandelsgesellschaft Sonnentor am Stachus. "Manuka Honig, Ingwer, Kurkuma, Teesorten mit Ingwer", zählt Jungbauer auf. Ob sich das Verhalten der Kunden geändert habe? "Wir stellen immer eine kleine Verkostung auf die Theke, Tee mit Sirup oder Kekse zum Beispiel. Seit Corona sind die Kunden da zurückhaltender", erzählt Jungbauer. Und der Kundenandrang sei gesunken, was man am Wochenende bemerke – um etwa ein Drittel, seit sich das Virus ausbreitet.

Rückläufige Geschäftszahlen bemerkt auch Tien Lang Luong (44), Betreiber eines vietnamesischen Restaurants an der Fraunhoferstraße. "Bis zu 40 Prozent weniger", sagt er, "aber die Leute werden sich ja nicht verbarrikadieren und nur von Luft und Wasser leben. Das wird schon", sagt Luong, "ich ärgere mich nicht, das macht nur Kopfschmerzen. Alles hat ein Ende. Auch Corona."
"Mehr Hände waschen und Abstand halten"
Auch dem Büroleiter einer Wirtschaftsprüfung, Matthias Dietrich (34), bereitet das Virus eigentlich keine Kopfschmerzen. "Mehr Hände waschen und Abstand halten wird helfen", sagt Dietrich. Er mache sich nur etwas Sorgen um seine Frau, die schwanger sei. "Ich habe im Winter immer Handdesinfektionsmittel dabei, nicht erst seit Corona."

Zurück an der Münchner Freiheit. Ein junger Kioskmitarbeiter lacht, als er gefragt wird, was er denn von dem Virus hält. "Mein Vater kam kürzlich mit 20 Kilogramm Mehl nach Hause", erzählt er. Warum er das gekauft habe? "Er konnte es nicht erklären, sagte nur: Alle Regale im Discounter waren leer, da musste ich auch irgendwas hamstern."
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