Wie die Behörden ein soziales Projekt (fast) verhinderten

Der Fall des alten Zehentbauer-Hofs in Kirchtrudering zeigt, wie schwer es private Initiatoren im Kampf mit Behörden oft haben. Er soll eine Wohnanlage für Menschen mit chronischer Atemnot werden.
Kirchtrudering - Ein parkähnlicher Garten mit Kastanien und alten Obstbäumen, 1300 Quadratmeter behindertengerechter Wohnraum – und all das in einem alten Bauernhof. „Es hätte so schön sein können“, sagt Inge Weinzierl, „wenn nicht ständig der Ärger mit den Behörden wäre“.
Weinzierl ist gerade dabei, ihr Elternhaus, den alten Zehentbauernhof in Kirchtrudering, in eine Art Wohnanlage für Menschen mit chronischer Atemnot umzubauen. Ihre Eltern waren in ihren letzten Lebensjahren selbst gesundheitlich angeschlagen, der Vater dement, die Mutter hing an der Sauerstoffflasche. Zudem fehlen in München bis 2035 etwa 30 000 seniorengerechte Wohnungen. „Wir wollten da etwas für Leute tun, mit denen es das Leben nicht so gut gemeint hat wie mit uns“, sagt Weinzierl.
Das städtische Amt für Wohnen und Migration hat das Projekt allerdings zunächst erst einmal untersagt. 150 000 Euro Strafe drohte die Behörde Weinzierl an, sollte diese die Bauarbeiten wie geplant durchführen lassen. Die Begründung: Zweckentfremdung! Durch den Umbau werde das alte Bauernhaus schließlich dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen.
„Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, sagt Weinzierl. „Alte, Kranke und Behinderte wohnen wohl nicht mehr richtig, die vegetieren nach Ansicht der Behörde offenbar nur noch vor sich hin.“ Von Zweckentfremdung könne jedenfalls keine Rede sein – zumal nach dem Umbau viel mehr Menschen in dem alten Bauernhaus wohnen könnten als zuvor.
Das von Weinzierl mit dem Münchner Pflegedienst AKB vereinbarte Konzept sah betreute Wohngruppen für insgesamt 15 Atemwegskranke vor. „Wir wollten kein klassisches Heim bauen“, sagt die 53-Jährige. „Wir wollten nur dazu beitragen, dass diese Menschen ein möglichst normales Leben führen können.“
Eigentlich war das Konzept auch bereits abgesegnet. Die Lokalbaukommission hatte die Pläne ein Jahr lang geprüft und Mitte dieses Jahres die Genehmigung erteilt. Die Bauarbeiten auf dem Zehentbauer-Hof sind nun bereits im vollen Gange. „Alle waren total euphorisch“, erzählt Weinzierl – bis das Wohnungsamt einschritt.
Das Problem ist bei sozialen Einrichtungen kein unbekanntes. „Die Behörden verstehen oft nicht, dass die Menschen in Häusern wie dem Zehentbauer-Hof tatsächlich wohnen und nicht etwa nur untergebracht sind“, sagt Elke Dodenhoff, die Geschäftsführerin des AKB-Pflegediensts. Tatsächlich aber würden diese Häuser gerade mit dem Ziel gebaut, den Menschen dort ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Der AKB betreibt in München bereits einige – der Laie würde wohl sagen – Heime. Fast überall habe es zunächst Probleme mit dem Wohnungsamt gegeben, fast überall habe die Behörde die vermeintliche Zweckentfremdung angemahnt. So, wie es auch im Fall des Zehentbauer-Hofs gewesen ist.
Vergangene Woche hat das Wohnungsamt seine Meinung nun offenbar geändert. Der Zweckentfremdung wurde am Freitag zugestimmt. Auf wessen Druck auch immer – neben der Abendzeitung hat auch der BR an dem Fall recherchiert. Ein entsprechendes Genehmigungsschreiben ist jedenfalls nun in Arbeit. Die Bauarbeiten in Kirchtrudering können weitergehen.
Für Inge Weinzierl ist das eine gute Nachricht. Sie hatte bereits einen Anwalt eingeschaltet. Verwundert ist sie trotzdem über das Hin und Her der Behörden, schließlich hat sie ihre Idee sowohl bei der Regierung von Oberbayern als auch bei der Behindertenberatung der Stadt München vorgestellt.
Überall lobte man ihr Projekt. Von der staatlichen KfW-Förderbank bekam sie sogar ein Darlehen für behindertengerechtes Bauen zugesagt. „Es ist schon unglaublich“, sagt Weinzierl, „was die einen fördern, kassieren die anderen wieder ein“.