Wie der Circus Krone durch die Krise manövriert

Den Circus Krone hat die Corona-Krise hart getroffen. Denn Tiere fressen auch, wenn sie nicht in die Manege dürfen. Wie der Zirkus verucht kreativ damit umzugehen – und sogar aus Kot Kapital schlägt.
von  Annette Baronikians
Das Direktoren-Ehepaar Jana Lacey-Krone und Martin Lacey jr. in der Manege, in der derzeit trainiert wird, es aber keine Shows gibt.
Das Direktoren-Ehepaar Jana Lacey-Krone und Martin Lacey jr. in der Manege, in der derzeit trainiert wird, es aber keine Shows gibt. © Baronikians

München – King Tonga gibt alles. Tag und Nacht ist er damit beschäftigt, seinen Beitrag für den Circus Krone zu leisten – indem er tüchtig frisst und verdaut. Schließlich sind die Exkremente, die der stattliche weiße Löwe fleißig produziert, kostbar. Schon kleinste Mengen sollen durch den scharfen Geruch Marder von Autos fernhalten oder Nachbars Katzen aus den Blumenbeeten vertreiben.

Abgefüllt in Schraubgläsern ist King Tongas "großes Geschäft" für je fünf Euro zu haben und wurde glatt zum Verkaufsschlager: Über 2.000 Gläser aus der Herstellung des Kings und der weiteren 25 Krone-Raubkatzen gingen bereits weg. Inzwischen steht vor dem Krone-Bau in der Marsstraße sogar ein brauner Pop-up-Store namens "Mr. Poo", der aussieht wie das, was dort verkauft wird.

Diese ungewöhnliche Idee bringt dem Circus Krone dieser Tage Aufmerksamkeit und Geld für Tierschutzprojekte. Not macht bekanntlich erfinderisch, und das muss Europas größtes Zirkus-Unternehmen in Zeiten der Corona-Pandemie fraglos sein.

Glamouröses Paar: die Circus-Krone-Direktoren, Jana Lacey-Krone und Martin Lacey jr., letztes Jahr nach einer Premiere.
Glamouröses Paar: die Circus-Krone-Direktoren, Jana Lacey-Krone und Martin Lacey jr., letztes Jahr nach einer Premiere. © Circus Krone

Show-Stop im März - trotzdem keine Kündigungen

Am 13. März, ausgerechnet an einem Freitag, einem tiefschwarzen, musste Krone von einem Tag auf den anderen sein gesamtes Programm stoppen. Aus für das gefeierte laufende März-Programm im Krone-Bau in München. Schluss für die Tournee mit der Produktion "Mandana", die eigentlich durch 28 Städte ziehen sollte. Unter vielem anderen wurden dafür bereits über 100.000 Euro für Marketing-Maßnahmen ausgegeben.

Artisten und Mitarbeiter, die aus aller Welt kommen, standen vor der Entscheidung, im Münchner Krone-Stammhaus zu bleiben oder in ihre Heimat zurückzukehren, wenn das überhaupt möglich war. Anders als bei anderen Zirkus-Unternehmen (beispielsweise bei Cirque du Soleil) wurde bei Krone niemandem gekündigt.

"Wir sind doch eine Familie, eine große Zirkus-Familie, in guten wie in weniger guten Zeiten", sagt Krone-Direktorin Jana Mandana Lacey-Krone, die jeden Mitarbeiter – übrigens egal, ob zwei- oder vierbeinig – mit Namen kennt und sich selbst auch für keine Aufgabe in ihrem Zirkus zu schade ist. Selbiges gilt für ihren Mann, den vielfach ausgezeichneten Tiertrainer Martin Lacey jr., der jetzt noch viel mehr Zeit mit seinen Raubtieren verbringt: "Sie vermissen den Beifall."

Fröhliches Mutter-Sohn-Gespann: Krone-Chefin Jana Lacey-Krone mit Sohn Alexis (12) in den Stallungen, wo auch Hahn Gockerli wohnt.
Fröhliches Mutter-Sohn-Gespann: Krone-Chefin Jana Lacey-Krone mit Sohn Alexis (12) in den Stallungen, wo auch Hahn Gockerli wohnt. © Baronikians

Für Krone ist klar: Die Show muss weitergehen

Das Direktoren-Ehepaar gibt sich tapfer und zuversichtlich. Angst um das weltberühmte Zirkus-Unternehmen? Klar komme die immer wieder auf, sagen beide und lassen doch nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie es gemeinsam durch die Krise schaffen werden. Mehrfach fällt der Satz "The show must go on!" Die Show muss weitergehen!

Für viele der rund 250 Mitarbeiter wurde Kurzarbeitergeld beantragt. "Das hilft uns sehr", sagt Martin Lacey. Doch King Tonga und all die weiteren Tiere – von Pferden, Zebras und Lamas bis zu Ziegen oder Wollschweinen kann man ja nicht in Kurzarbeit schicken.

Die Einnahmen des Unternehmens sind – abgesehen von Immobilien – größtenteils weggebrochen, sehr viele Ausgaben indes geblieben. So fressen allein die Löwen pro Monat Fleisch im Wert von über 20.000 Euro. Für alle Tiere fallen jeden Tag umgerechnet 3.000 Euro für Pflege, Tierarzt, Hufschmied und Co. an.

Trotz Geldnot: Tiere sollen nicht geopfert werden

Dass einige Tierparks, auch in Deutschland, in Corona-Zeiten schon öffentlich darüber nachdenken, als letzten Ausweg Zootiere als Futter zu verwenden, lässt das Direktorenpaar geradezu erschaudern. "Bei uns wird kein Tier verkauft oder Schlimmeres. Unsere Tiere gehören zu unserer Familie", so Martin Lacey.

Damit zumindest auch etwas Geld in die Kassen fließt, sprudeln die Ideen. Unter strikter Einhaltung der Hygienevorschriften finden jetzt samstags und sonntags um 10 und 13.30 Uhr kommentierte Löwenproben im Krone-Bau statt. Ein wenig mehr als 100 Zuschauer saßen zuletzt verteilt auf den Rängen.

"Es wird auch wieder Zeiten geben, in denen wieder 3.000 Zuschauer kommen dürfen", gibt sich Jana Lacey-Krone optimistisch – und weiß doch, dass dies noch dauern kann: "Wir hoffen auf den 26. Dezember, wenn traditionsgemäß unser Winterprogramm startet." Mit rund 1.000 der eigentlich möglichen 3.000 Zuschauer ließen sich zumindest die Fixkosten annähernd decken. Außerdem denken die Krone-Chefs über verkürzte Vorstellungen nach.

Doch erstmal müssen die nächsten Monate überstanden werden, und da gibt’s als weitere kleine Einnahmequelle die neuen Aktivitäten auf der Krone-Farm in Weßling, knapp 40 Autominuten von München entfernt.

Viele Tiere sind auf der Krone-Farm untergebracht

Hier hat anno 1937 die Gründerfamilie Krone ein Gestüt gekauft, das seit jeher eine Art Senioren-Residenz für betagte Zirkus-Tiere ist. Unter fachkundiger Betreuung verbringen sie im Grünen ihren Lebensabend – wie nun auch die meisten der aktiven Krone-Tiere. Kein Wunder also, dass man in den Münchner Stallungen derzeit so wenige Vierbeiner antrifft.

Erstmals dürfen nach Voranmeldung auch Besucher nach Weßling: Samstags und sonntags finden im kleinen Kreis um 10 und um 14 Uhr Führungen statt, bei denen auch die nächste Generation der Zirkus-Dynastie schon fleißig mitwirkt: Direktorensohn Alexis (12).

Prominenter Besuch auf der Circus-Krone-Farm in Weßling, wo derzeit die meisten Tiere sind: Schauspieler Heino Ferch (l.) mit dem Direktorenpaar.
Prominenter Besuch auf der Circus-Krone-Farm in Weßling, wo derzeit die meisten Tiere sind: Schauspieler Heino Ferch (l.) mit dem Direktorenpaar. © Circus Krone

Ein weiteres neues Projekt sind Tierpatenschaften für treue Krone-Fans: Diese kosten beispielsweise 70 Euro pro Jahr für ein Pony, 120 Euro für ein Kamel oder 250 Euro für einen Löwen.

Apropos Löwe: Beim Gespräch in der leeren Manege kommt mehrfach ein Mitarbeiter angelaufen – mit der Frage nach neuem Löwenkot. In der Tat steht vor dem Krone-Bau längst eine kleine Warteschlange. "Die Lieferung ist in der Mache", ruft Martin Lacey und macht sich auf zu seinen tierischen Produzenten. "Auch hier gilt: Die Show muss weitergehen."

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