Westparkmörder: Gorazd B. pöbelt Richter an
Der Westparkmörder legt einen irren Auftritt vor dem Münchner Landgericht hin: Der 36-Jährige beschimpft die Richterin als „Hure“. Dann liest sie aus seinen Briefen vor, in denen er droht und jammert
MÜNCHEN - Auf einmal wird’s laut. „Was ist das für eine Show?“ schimpft Gorazd B. „Ihr habt echt ’ne Meise!“ Verteidiger Gunther Haberl fährt aus seinem Sitz, wirft sich nach vorne, tippt seinem Mandanten auf die Schulter und murmelt „Seien Sie still!“ Doch es ist zu spät.
Dem Westparkmörder passt es gar nicht, was in der 10. Strafkammer des Landgerichts geschieht. Eine Richterin liest aus dem ersten von insgesamt 14 privaten Briefen vor – da unterbricht er sie. Als die Richterin ihn anfährt, blafft er: „Halt’s Maul!“ Dann murmelt er „Kurva“ – „Hure“. Anwalt Haberl rauft sich die Haare. „Sie machen alles nur schlimmer“, sagt er seufzend.
Gorazd B. muss es dann doch über sich ergehen lassen. Den Rest des Tages lesen die Richter aus Briefen vor, die der Slowene (36) von Januar 1997 bis März 1998 an seine Ex-Freundin Steffi B. (Name geändert) geschrieben hat. Das Gericht will so herausfinden, ob Gorazd B. nach zehn Jahren Haft für den Mord an dem Architekten Konrad Hierl im Westpark 1993 immer noch gefährlich ist. Wenn ja, müsste er in nachträgliche Sicherheitsverwahrung.
Gorazd B. aber äußert sich nicht, beantwortet keine Fragen. „Deshalb müssen wir auf alte Briefe und Zeugenaussagen zurückgreifen“, sagt Richter Stephan Hock. „Wir wollen wissen, was für ein Mensch Sie sind.“
Die 14 Briefe sind ein daumendicker Stapel, sehr eng beschrieben, teils in Schreib-, teils in Druckschrift, adressiert an seine Ex in Garching. Bis zum November 1997 schreibt Gorazd B. aus einem kroatischen Dorf. Hier lebte er nach seiner Abschiebung 1993. Seine Ex wollte damals nicht mitgehen. Als sie ihm das am 15. Oktober sagte, schlug er sie und erstach dann den Jogger im Westpark. Das fand die Polizei aber erst im Februar 1997 heraus.
Die Briefe sind eine Mischung aus Erinnerungen an die Beziehung, die Kindheit, aus Träumen, Gebeten, selbstverfassten Liedern und Gedichten – mal wirr, mal geschliffen, mal banal. Einige Auszüge aus den Briefen, die er vor seiner Festnahme schrieb:
„Liebe Steffi. Ich sitze hier am Meer und denke, Gott, hilf mir...“
„Wer liebt, der verzeiht. Wie ich aus Deinem Brief herauslese, hast Du mir nicht verziehen, aber ich Dir.“
„Ich liebe Dich von ganzem Herzen, damals war meine Eifersucht nicht kontrollierbar. Was geschehen ist, tut mir leid. Ich habe Mitleid mit Dir.“
„Meiner Waschmaschine ist der Keilriemen gerissen."
„Ich kann Leute schlagen, aber so hassen, dass ich sie töte, kann ich nicht.“
„Dein rotes Kleid, Berge. Spazieren gehen. Gemeinsam Fisch essen. Krankenhaus mit Orchideen.“
„So oft ich Dich schlug, so oft tat es mir selber weh.“
„Ich möchte Dir erlauben, einen total neuen Menschen kennen zu lernen und zu sprechen. Dir mein wahres Ich zu präsentieren. Damals, da war ich ein überaus aggressiver Typ.“
„Gern würde ich mit Dir den Alltag teilen, einen Neuanfang wagen, es ist nie zu spät.“
„Ich habe Dich geliebt, vergöttert, Du warst mein Engel.“
Am 7. November 1997 wird Gorazd B. festgenommen. Die Kripo hält ihn für den Westparkmörder. Diese Worte schrieb er aus der Haft.
„Es ist schwer, im Gefängnis zu sitzen für eine Tat, die man nicht begangen hat.“
„Dein Brief riecht nach Kaugummi.“
„Sie werden alle bezahlen, dass sie meinen Namen in den Dreck gezogen haben. Gott wird sie strafen für ihre Lügen.“
„Scheiße, Steffi, ich liebe Dich noch immer.“
„Ich bin bis heute ein schüchterner Junge.“
Gutachter müssen jetzt prüfen, was diese Briefe über Gorazd B. aussagen. Ihre Erkenntnisse werden für den 12. September erwartet.
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