Westpark-Mörder: 12.000 Euro Entschädigung

Der Täter wird wohl nach Slowenien abgeschoben – und erhält für seine Zeit im Knast eine fünfstellige Summe. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Urteil.
John Schneider |
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Nur noch wenige Schritte zur Freiheit: Der gebürtige Slowene Gorazd B. (36) darf laut Landgericht nicht länger untergebracht werden
Ronald Zimmermann Nur noch wenige Schritte zur Freiheit: Der gebürtige Slowene Gorazd B. (36) darf laut Landgericht nicht länger untergebracht werden

Sicherungsverwahrung abgelehnt: Der Täter wird wohl nach Slowenien abgeschoben – und erhält für seine Zeit im Knast eine fünfstellige Summe. Vorher läuft noch ein anderes Verfahren gegen ihn.

München - Er gilt für manche als tickende Zeitbombe. Trotzdem soll Gorazd B. (36), der so genannte Westpark-Mörder, bald wieder frei kommen. Das entschied gestern das Landgericht. Die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – so wie sie die Staatsanwaltschaft beantragt hatte – lehnte die Jugendkammer ab.

Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Urteil:




Warum keine Sicherungsverwahrung?

Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichtes sind die Hürden für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung sehr hoch (siehe Kasten unten). Nur eine psychische Störung oder eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten rechtfertigen das Festhalten eines Straftäters, der seine Strafe verbüßt hat.

 




Ist der Westpark-Mörder inzwischen wirklich ungefährlich?

 

Jein – sagen die Gutachter. Eine akute Gefahr konnten sie nicht erkennen. Zwar erklärte der Sachverständige Henning Sass, dass B. wahrscheinlich wieder zur Gefahr würde, wenn es in seinem Leben und in seiner Partnerschaft nicht gut laufe. Einen Wahrscheinlichkeitsgrad für eine neue Gewalttat nannte er aber nicht. Ein weiterer Gutachter erklärte sogar, dass von B. in den letzten Jahren immer weniger Gefahr ausgegangen sei.

Josef Wilfling, der Ex-Chef der Mordkommission, die den Westpark-Mörder festgenommen hat, ist da anderer Meinung. Er bezeichnete den Täter als „tickende Zeitbombe“: Er habe aus Mordlust getötet, was selten sei. Einem Kollegen habe er gedroht, er würde ihn aufschlitzen. Wilfling: „Es ist nicht auszuschließen, dass er wieder Angst und Schrecken verbreitet, wenn er wieder frei kommt.“

 


 

Wann hätte der Täter frei kommen sollen?

Am 8. Mai 2010 hatte Gorazd B. die zehn Jahre Jugendstrafe abgesessen. Doch die Staatsanwaltschaft erwirkte eine einstweilige Unterbringung – die mit Unterbrechung bis gestern galt, ehe sie vom Gericht kassiert wurde.

 




Bekommt er jetzt sogar eine Entschädigung?

 

Ja. Gorazd B. steht für die anderthalb Jahre, die er seit Mai 2010 noch hinter Verschluss war, eine Entschädigung zu. Bis gestern war B. knapp 500 Tage nach Verbüßung seiner ursprünglichen Haftstrafe im Gefängnis. Das macht bei einem Regel-Tagessatz von 25 Euro insgesamt 12.450 Euro Entschädigung. Mindestens. Denn darüber hinaus könnte er weitere materielle Schäden geltend machen. Etwa wenn er konkret belegen kann, dass er nach seiner Entlassung eine Arbeitsstelle hätte antreten können.

 




Kommt er sofort frei?

 

Der verurteilte Mörder hatte eine Beisitzerin im Prozess als „Hure“ beschimpft. Dafür gab’s einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr. Denn, so lautet die Begründung, es sei nicht damit zu rechnen, dass sich B. dem Prozess wegen Beleidigung freiwillig stelle. Statt frei zu kommen, wanderte der Mörder gestern also wieder zurück nach Stadelheim. Diesmal allerdings als Untersuchungshäftling.
Zudem steht die Abschiebung nach Slowenien und die damit verbundene Abschiebehaft im Raum. So wird es wohl kommen.


Nochmal zusammengefasst: Der Fall

Jogger (40) im Westpark erstochen: Es hätte jeden treffen können. Vor fast genau 18Jahren, am 15. Oktober 1993, ging Gorazd B. in den Westpark, um sich ein Opfer zu suchen. „Ich hatte einfach nur Hass. Jemand sollte dran glauben!“, soll er später gesagt haben. Es traf den Familienvater Konrad H.. Der Architekt kam aus der Sauna, wollte quer durch den Westpark nach Hause joggen. Sein damals 18-jähriger Mörder schlug ihn mit der Faust nieder und stach zwölf Mal auf den Jogger ein. Der Vater von zwei kleinen Söhnen verblutete nach wenigen Minuten.

Gorazd B. war eigentlich wütend auf den Vater seiner Ex-Freundin. Die damals 17-Jährige hatte mit ihm Schluss gemacht, ihr Vater hatte ihn aus der Wohnung geworfen. Erst vier Jahre später kam man Gorazd B. auf die Schliche. Nach drei spektakulären Prozessen – in dem es vor allem strittig war, ob er nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen sei – wurde er schließlich im Jahre 2003 zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt. Weil ihm die verbüßte Haftzeit angerechnet wurde, hätte er eigentlich am 8. Mai 2010 entlassen werden müssen.


Die Rechtslage: Rüge für deutsche Verwahrung

Die Sicherungsverwahrung soll die Bevölkerung vor gefährlichen Tätern schützen, die ihre Strafe abgesessen haben. Voraussetzung für die Anordnung ist, dass psychiatrische Gutachter den Verurteilten als weiterhin gefährlich einstufen. Die deutsche Praxis wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt und trotz eines neuen Gesetzes vom Bundesverfassungsgericht (BVG) für nicht verfassungsgemäß erklärt. Das BVG verlangt einen „freiheitsorientierten und therapiegerechten Vollzug“.

 

 

 

 

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