Werner Friedmann: Ein Münchner Menschenfreund
MÜNCHEN - Vor 100 Jahren wurde Werner Friedmann, Gründer der Abendzeitung, geboren. Er war ein kritischer Journalisten aus Leidenschaft und Helfer für Bedürftige.
Die Räume der Abendzeitung haben sich verändert: In der Hopfenpost residiert die Redaktion in modernem Ambiente, ein Großraumbüro hat die siebenstöckige AZ der Sendlinger Straße abgelöst. Aber das erste Bild, das Besucher an der Wand sehen, wenn sie die Abendzeitung betreten, ist das von Werner Friedmann: Anlässlich des 20. Geburtstages des Blattes verteilt er da höchstpersönlich die Abendzeitung.
Inzwischen ist die AZ 60 Jahre alt – die Idee des Werner Friedmann von einer Boulevardzeitung besonderer Art lebt. An diesem 12. Mai wäre der Gründer der AZ, der Mitgesellschafter und langjährige Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, 100 Jahre alt geworden.
1909 in München als Sohn eines jüdischen Kinderarztes geboren, besuchte Friedmann das humanistische Wilhelmgymnasium und gründete dort eine Schülerzeitung. Während seines Studiums fing er als Reporter der „Münchner Neuesten Nachrichten“ an, danach arbeitete er für die „Süddeutsche Sonntagspost“.
Während der Herrschaft der Nationalsozialisten hatte Friedmann Berufsverbot
Der journalistische Durchbruch gelang ihm mit einem Beitrag über Adolf Hitler: Friedmann deckte auf, dass sich der gebürtige Österreicher die deutsche Staatsbürgerschaft hatte erschleichen wollen, um bei der Reichspräsidentenwahl kandidieren zu können. Im März 1933 verhafteten die Nazis Friedmann, danach bekam er Berufsverbot.
Nach dem Krieg wurde Friedmann 1946 vierter Lizenzträger der Süddeutschen Zeitung und Gesellschafter des Süddeutschen Verlages, ab 1951 war er Chefredakteur der SZ. Der Kampf für Demokratie und Toleranz waren Mittelpunkt seiner Berufsauffassung. Gefragt nach den Aufgaben der Presse nannte er unter anderem: „Zur Demokratie und Meinungsfreiheit zu erziehen“ und „Zur Toleranz und Achtung vor Religion und Rasse zu erziehen“.
Friedmann war prägende Figur der unabhängigen Nachkriegspresse. „Es gab in Deutschland drei maßgebliche Journalisten: Henri Nannen, Rudolf Augstein und Werner Friedmann“, sagt Udo Flade, der sich am Werner-Friedmann-Institut ausbilden ließ und später Chefredakteur der Abendzeitung war.
Franz Freisleder, langjähriger Lokalchef der SZ, kam 1956 als junger Reporter zur Zeitung. Werner Friedmann hatte er schon als Abiturient 1950 erlebt. Bei einem Referat an der Universität. „Ich war sehr beeindruckt von seiner Art, über den Beruf zu sprechen. Er sagte: ,Unabhängig, kritisch und munter muss eine Zeitung sein.’ Und die Standlfrau am Viktualienmarkt müsse sich ebenso angesprochen fühlen wie der Universitätsprofessor.“
Später arbeitete Freisleder unter dem Chefredakteur Friedmann. „Er hat an seine Redakteure gerne Zettel verteilt - mit Lob oder auch Tadel. Friedmann war ein Mann von klarem Urteil, er hat intern deutlich gesprochen, immer aber stand er nach außen zu seinen Mitarbeitern.“
Friedmann erdachte die "chemische Formel" der Abendzeitung
Im Jahr 1948 entstand die Abendzeitung, die erste Tageszeitung Bayerns. Damals hieß sie noch „Tageszeitung“ und war, wie ihr Chefredakteur Friedmann sagte, schon am Tag des Erscheinens zum Sterben verurteilt“. Mit einer Deutschen Presseausstellung wollte die amerikanische Militärregierung im Mai 1948 das Bewusstsein für eine demokratische Presse wecken. 40 Tage lang, jeden Tag, brachte Chefredakteur Friedmann mit seinem Team dort das Blatt heraus, das er einen „bunten, allzu früh geschlüpften Schmetterling“ nannte. Schon damals wagte die „Tageszeitung“ den Fotowettbewerb „Die schöne Münchnerin“.
Die Menschen liebten diese frische, junge Zeitung, sie hungerten nicht nur nach Essen, sondern auch nach der neuen Zeit, nach Information und Unterhaltung. Friedmann wollte weitermachen mit seinem Schmetterling, trug seine Idee den Amerikanern vor. Am 16. Juni 1948 konnte die erste „Abendzeitung“ erscheinen, deren Erlös Friedmann großteils in die Journalistenausbildung an dem von ihm gegründeten Werner-Friedmann-Institut (heute Deutsche Journalistenschule) steckte.
Ab 1961 widmete sich Herausgeber Friedmann der AZ besonders intensiv. Sein Konzept nannte er die „chemische Formel“, die bis heute die Idee dieser Zeitung ist: „Im fertigen Blatt muss alles im rechten Verhältnis sein. Wichtig, dass die Mischung alle Elemente enthält, die sich der Leser zu seiner Information und Unterhaltung wünscht.“ Die Abendzeitung möchte „eine junge, lebendige, unkonventionelle Zeitung sein, die zwar die Schlagzeile nicht scheut, aber bei allem Temperament solide, bei allem Pfeffer intelligent gemacht ist“.
"Was er sagte und schrieb, hatte Gewicht", sagt Alt-OB Hans-Jochen Vogel
Die Unabhängigkeit von Parteien und Regierung war für Friedmann Maxime. Michael Jürgs, einst AZ-Redakteur und später Chefredakteur des „Stern“, sagt, er habe von Friedmann gelernt, „dass für einen Journalisten im Umgang mit den Mächtigen die gleiche Augenhöhe wesentlich ist“.
Der ehemalige Münchner OB Hans-Jochen Vogel erinnert sich an Friedmann als einen „garantiert parteipolitisch unabhängigen Mann“, der in München wichtige Stimme war gegen die Konservativen und deswegen Feindbild für die CSU. „Was Friedmann sagte und schrieb, hatte Gewicht. Die Klugheit und Entschiedenheit seiner Gedanken haben ihm lebhaftes Echo verschafft“, sagt Vogel.
Das hat auch Vogels Lebensweg entscheidend beeinflusst. 1960 wurde der junge Rechtsreferent der Stadt als Nachfolger von Thomas Wimmer mit nur 34 Jahren Oberbürgermeister. „Friedmann hat sich sehr frühzeitig für meine Kandidatur eingesetzt. Schon bevor ich mich überhaupt selbst dazu entschlossen hatte“, sagt Hans-Jochen Vogel heute.
Trotz des Blicks auf die Mächtigen hat Werner Friedmann nie diejenigen aus den Augen verloren, für die Zeitung gemacht wird. „Er hatte immer das Gespür dafür, was die Menschen bewegt“, sagt Franz Freisleder. Und je besser es den Deutschen ging, umso mehr setzte sich Friedmann für die Schwachen ein. Alle „Güter und Lasten des Daseins“, so schrieb er 1949, sollten „den Schultern, die da tragen, gleichmäßig aufgebürdet werden.“
Noch heute werden Journalisten in Friedmanns Sinne ausgebildet
Schon 1949 rief er in der SZ den „Adventskalender für gute Werke“ ins Leben. Und der Zirkusfreund hatte die Idee zu „Stars in der Manege“, der großen Wohltätigkeitsveranstaltung im Circus Krone. Den Reinerlös überwies Friedmann an die Münchner Altenhilfe der Stadt. Aus seinem Engagement erwuchs die Werner-Friedmann-Stiftung, 1975 wurde am Viktualienmarkt der Grundstein gelegt für das „Wohnheim für Münchner Künstler und Journalisten“. Inzwischen traten 46 Mal Stars im Zirkus auf, verzichteten auf ihre Gage zugunsten der Werner-Friedmann-Stiftung und bedürftiger Münchner Kinder.
Franz Freisleder nennt Friedmann einen „Menschenfreund, dem Gerechtigkeit sehr wichtig war“. 1969 starb Friedmann wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag an einem Herzinfarkt. Franz Freisleder teilte mit ihm die Leidenschaft für den Trabsport, er war mit Friedmann an dessen Todestag auf der Rennbahn Daglfing verabredet. „Als ich aus der SZ kam, sah ich Friedmanns Wagen im Hof stehen - die Rennzeitung lag bereit und sein Fernglas. Doch er ist in Daglfing nie angekommen“, erzählt er. „Für mich wird er immer das journalistische Vorbild schlechthin bleiben.“
Vorbild ist er auch bis heute für den Nachwuchs, der an der von ihm gegründeten Deutschen Journalistenschule (DJS) ausgebildet wird. „Werner Friedmann hat mit dem Märchen aufgeräumt, dass Journalismus reine Begabung sei. Er ist der Gründervater aller Journalistenschulen. Seine Grundsätze gelten noch heute“, sagt Schulleiter Ulrich Brenner.
Und wenn die DJS im Juni ihr 60-jähriges Bestehen feiert, wird die Festschrift eingerahmt sein von einem Zitat Werner Friedmanns: „Entscheidend ist die Flamme der Leidenschaft, die in einem wahren Journalisten brennen muss. Nur jemand, der die Wahrheit und Gerechtigkeit leidenschaftlich liebt, kommt dem Ideal des Zeitungsmannes nahe.“
Tina Angerer
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