Wer will in München "Stadtminister" bei OB Ude werden?
MÜNCHEN - Es wird immer schwieriger, geeignete Top-Kandidaten für das politische Amt zu finden. Im Herbst wählt der Stadtrat nach rot-grünem Parteienproporz die neue Regierungsmannschaft
Im Herbst wählt der Stadtrat die neue Regierungsmannschaft an der Seite von OB Ude. Gestern wurde dafür die Ausschreibung beschlossen. Das hört sich gut an. Ist es aber nicht. Nicht nur, weil sieben von acht Positionen schon als besetzt gelten. Das Problem ist seit einigen Jahren: Es wird immer schwieriger, Topleute dafür zu finden.
Die Wahl des Stadtbaurats hat vor zwei Jahren die ganze Problematik offen gezeigt. Obwohl die Stelle bundesweit ausgeschrieben war, konnte sie nur mit Mühe besetzt werden. Die Großen der Szene hatten sich alle nicht gemeldet. Es kam dann die junge Elisabeth Merk, die in die Position hineinwachsen musste.
Was sind die Gründe? Die einen schreckt die Stadtregierung ab: Manch junger Aspirant fürchtet, die Arbeit für Rot-Grün könne ein Makel werden. Andere wollen den täglichen Kampf mit Lobbyisten und den politischen Ebenen von der Bürgerversammlung über den Bezirksausschuss bis zum Stadtrat nicht.
Vielen ist das Gehalt zu niedrig
Die dritten lachen über das Gehalt von circa 8700 Euro brutto. Da wird der Kämmerer bemitleidet, der einen Fünf-Milliarden-Haushalt zu verantworten hat. Oder der Sozialreferent, der 4500 Mitarbeiter führt und mehr als eine Milliarde Euro verteilt. Oder die Schulreferentin mit 300 Kindertagesstätten und 120 Schulen. „Das sind sehr verantwortungsvolle Positionen und sehr viel Arbeit“, so SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. Und schließlich sortieren SPD und Grüne gemäß ihrem Bündnisvertrag nach Parteienproporz aus. Da braucht es auch die richtige Einstellung.
„Die Erfahrung lehrt, dass Referent sein nicht mehr so attraktiv ist wie noch vor 20 Jahren“, klagt ein Spitzenbeamter. Da bleiben Idealisten, Beamte oder solche, die über die Politik versorgt werden.
Insgesamt hat OB Ude elf Referenten als „Stadtminister“. Sie werden jeweils auf sechs Jahre gewählt. Drei wurden außer der Reihe bestimmt und stehen im November nicht zur Wahl an (Wirtschaft, Stadtplanung, Kultur). Bei den acht übrigen bewerben sich sechs Amtsinhaber (Rosemarie Hingerl, parteilos: Baureferat; Ernst Wolowicz, SPD: Kämmerei; Gabriele Friderich, Grüne: Kommunalreferat; Joachim Lorenz, Grüne: Gesundheit und Umwelt, Wilfried Blume-Beyerle, parteilos: KVR; Thomas Böhle, SPD: Personal). Rot-Grün will sie wieder wählen.
Echt neue Referenten gibt es nur für Soziales und Schule. Da gehen Frieder Graffe (61, SPD) und Elisabeth Weiß-Söllner (63, SPD) in Pension.
Als Graffe-Nachfolgerin bewirbt sich Stadträtin Brigitte Meier (43, SPD) als Sozialreferentin. Ihr trauten wichtige Genossen früher das Amt nicht zu. Die Grünen verhinderten sie vor zwei Jahren als Jugendamtsleiterin. Als jahrelange Sozialpolitikerin kennt sie sich im Referat und in der Szene bestens aus. Wenn sie sich bewirbt, müssen die Grünen sie jetzt gemäß Vertrag wählen.
Offen ist nur, wer Chef im Schulreferat wird. Die Grünen setzten durch, dass der Posten nicht wie früher von der SPD besetzt wird. Deshalb sucht eine rot-grüne Kommission bundesweit nach Kandidaten. Die steht unter Erfolgsdruck: Für dieses wichtige Bildungsressort darf man sich keine Pleite erlauben.
Der Kommentar
Der Kommentar dazu: Nein, früher war nicht alles besser. Die „gute alte Zeit“ ist etwas für jene, die alles schon wieder vergessen haben. Aber eines war im Münchner Rathaus „früher“ eben besser: Die gute alte Diskussionskultur. Da saßen auch schwarze Referenten neben dem roten Oberbürgermeister, da wurde überparteilich im Stadtrat heftig und deftig um Inhalte gestritten. Da wusste man als Zuhörer, warum eine Entscheidung getroffen wird. Heute passiert das meiste davon hinter verschlossenen Türen. Das gehört auch zum Prinzip des OB Christian Ude: Alles so lange glatt bügeln, zurückstellen oder absprechen, bis er möglichst konfliktfrei (was die eigenen Reihen betrifft) in die Sitzung gehen kann. Das betrifft auch seine elf „Stadtminister“, mit denen Ude regiert. Ende November soll die alte Mannschaft mit zwei neuen Gesichtern wieder gewählt werden. Aber auch dort fehlt es an Streitkultur: Alle sind auf Rot-Grün eingeschworen. (Fast) alle sind linientreu. Weniger als eine Handvoll traut sich, auch im kleinen Kreis Ude zu widersprechen. Früher verstanden sich die Referenten als politische Menschen. Heute wollen sie nur Verwalter sein. Kein Wunder, dass manche Referate immer verschlafener wirken. Dabei haben sie fürs Verwalten ihre Stellvertreter, die Stadtdirektoren. So wird es Zeit, dass sich die „Stadtminister“ wieder als politische Ideengeber verstehen, die München mit ihren Vorschlägen weiterbringen. Dazu werden sie gewählt. Auch ein OB Ude braucht den Widerspruch seiner Minister.
Willi Bock