Wer mit wem? Wie es im Rathaus jetzt weitergehen wird

München - Es sind ungewöhnliche Tage, die Corona-Krise überschattet alles. Und so ist auch dieser Montag nach der OB-Stichwahl ganz anders als gewöhnliche Nach-Stichwahl-Tage. Immerhin: Die Stadt meldet ein offizielles Endergebnis, der OB tritt vor die Presse – und es konkretisiert sich, wie es weitergeht.
Zunächst zu den Fakten: Wie vom KVR bereits am Sonntag angedeutet, hat die Wahlbeteiligung eine erfreuliche Entwicklung genommen: 50,7 Prozent beteiligten sich bei der reinen Briefwahl, ein Plus von mehr als zehn Prozent gegenüber der Stichwahl 2014. Dieter Reiter holte nach Auszählung aller Stimmen 71,7 Prozent, Kristina Frank musste sich mit 28,3 Prozent begnügen.
Grüne wollen zu Gesprächen einladen
Wie geht es jetzt weiter? Die Grünen als künftig stärkste Fraktion wollen SPD und CSU zu Gesprächen einladen. Der Oberbürgermeister akzeptiert diese selbstbewusste Vorgehensweise. "Die Grünen werden als stärkste Fraktion auf uns zugehen", sagte er gestern. Und erklärte überraschend deutlich, dass er für Grün-Rot ist. "Wichtig bei den Gesprächen werden die zwei großen Themen Wohnungsnot und Verkehr werden", sagte Reiter. "Und mit wem ich mir eine nachhaltige Verkehrswende vorstellen kann, ist ja wohl leicht auszumalen."
Katrin Habenschaden würde in einem solchen Bündnis wohl Zweite Bürgermeisterin werden. Reiter könne auf ihre Unterstützung und die der Grünen zählen, erklärte sie gestern. Aus der SPD ist zu hören, dass die bisherigen Fraktionschefs Christian Müller und Verena Dietl die Sondierungsgespräche (mit) führen sollen. Die Grünen wollen auch mit der CSU sondieren.
Doch bei den Christsozialen sieht man nur sehr geringe eigene Chancen für ein schwarz-grünes Bündnis gegen einen SPD-OB. Auch das Grummeln über die gescheiterte OB-Kandidatin wird intern wieder lauter. Klar sei, dass Manuel Pretzl Fraktionschef bleiben wolle und werde – und künftig alleine der starke CSU-Mann im Rathaus sei. Die einzige einigermaßen realistische Hoffnung für die CSU ist nun, dass Reiter am Ende auf ein ganz großes Bündnis mit beiden Partnern setzt. Oder Gespräche zwischen SPD und Grünen scheitern und ein Bündnis aus SPD, CSU und FDP schmiedet. Man habe "signalisiert, produktiv in möglichen Bündnissen mitwirken zu wollen", hieß es aus der FDP.
Grün-Rot? Volt will mitmachen
Sollte sich das aktuell von vielen Seiten favorisierte grün-rote Bündnis bewahrheiten, wird aller Voraussicht nach neben der Rosa Liste, die sich traditionell den Grünen in einer Fraktionsgemeinschaft anschließt, noch eine im Rathaus ganz neue Partei mitregieren: die paneuropäische Volt, die mit Felix Sproll einen Sitz bekommen hat.
Der zukünftige Stadtrat Felix Sproll bestätigt der AZ auf Anfrage, von beiden hätte es bereits konkrete Angebote gegeben. Für ihn gebe es viele Berührungspunkte sowohl mit der SPD als auch den Grünen. Bei den Grünen wären das die Themen autoreduzierte Mobilität, Umweltschutz und gewisse Bereiche der Stadtplanung – darunter die autofreien Superblocks, wie es sie in Barcelona gibt.
Die würde Sproll am liebsten in Sendling sehen – und auch Grünen-Chef Florian Roth hatte im vergangenen Jahr zu den Superblocks einen Stadtratsantrag gestellt. Er sagt: "Wir sehen keinerlei Widersprüche zum Grünen-Programm – daher das Angebot einer Fraktionsgemeinschaft."
"Viele gute Gespräche"
Für die Sozialdemokraten wäre es im Münchner Rathaus historisch das erste Mal, eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden. Die bisherige Fraktionschefin Verena Dietl spricht von "vielen guten Gesprächen", die es bereits mit Volt gegeben habe.
Der europäische Zusammenhalt, für den Volt stehe, sowie viele Themen und kreative Ideen rund um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum seien schließlich auch für die SPD wichtig – daher das Angebot. Und, gibt Dietl zu: "Natürlich wären wir mit dem Volt-Stadtrat auch ein bisschen stärker." Denn die SPD wird aktuell ab Mai mit nur noch 18 Stadträten im Rathaus sitzen.
Sproll hat jetzt die Qual der Wahl. Er sagt, er werde im Team überlegen, zu wem er am besten passe. Bis zum Wochenende wolle er sich entscheiden. Sproll sagt erfreut: "Dass ich mitregieren werde, hatte ich so erst nicht erwartet."
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