Wer hilft der Helferin?

Altenpflegerin Heike H. ist verzweifelt und weiß nicht mehr weiter: Die 46-Jährige Münchnerin sucht seit acht Monaten händeringend nach einem neuen Job – und bekommt keine Chance.
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Heike H. ist hoch qualifiziert - und trotzdem arbeitslos.
Martha Schlüter Heike H. ist hoch qualifiziert - und trotzdem arbeitslos.

MÜNCHEN - Altenpflegerin Heike H. ist verzweifelt und weiß nicht mehr weiter: Die 46-Jährige Münchnerin sucht seit acht Monaten händeringend nach einem neuen Job – und bekommt keine Chance.

Ihre Existenzangst wird jeden Tag schlimmer. Ihre Angst, nicht mehr dazu zu gehören. Ihre Angst vor Hartz IV. Seit acht Monaten ist Heike H. arbeitslos. Sie wusste, dass es schwierig sein würde, einen neuen Job zu finden. Trotzdem hat sie gekündigt. Weil sie die Zustände in einem Münchner Altenheim nicht mehr ertrug. „Es war für mich menschlich einfach nicht mehr vertretbar.“ Die Pflege dort sei „hundsmiserabel“ gewesen – und Kritik daran verpönt.

Als Heike H. sich als junges Mädchen dazu entschloss, Altenpflegerin zu werden, war das ihr Traumberuf. Sie wollte helfen. Da sein. Jetzt ist sie 46 Jahre alt. Und ihr Traumberuf ist ihr zur Geißel geworden. Fast jede Nacht hat sie Albträume. Das Szenario ist immer dasselbe: „Dass ich Nachtschicht habe – und mit der Arbeit nicht hinkomme.“

Der hohe Druck hat der Münchnerin körperlich und seelisch zugesetzt

Heike H. hat 30 Jahre Berufserfahrung – davon arbeitete sie alleine neun Jahre als Dauernachtwache. Der Arbeitsdruck sei in dieser Zeit immer größer geworden, erzählt sie. Ihre enttäuschte Bilanz: „Wissen, Berufserfahrung, Motivation zählen in der Altenpflege nicht. Hauptsache, man ist körperlich belastbar wie ein Stahlarbeiter am Hochofen.“ Als Altenpfleger sei man ein Mensch zweiter Klasse.

Heike H. kann nicht mehr. Herzrhythmus-Störungen. Depressionen. Jedes Jahr geht es ihr schlechter. „Mein Körper hat das nicht mehr mitgemacht.“ Sie sucht nach anderen Wegen. Macht zahlreiche Fortbildungen. Mit Erfolg: Sie bekommt eine Stelle in der sozialen Therapie. Doch die Arbeit in dem Münchner Heim, in dem sie zuletzt beschäftigt war, ist zunehmend frustrierend . „Die Pflege war unter jedem Standard.“ Heike H. zieht den Schlussstrich. Reicht die Kündigung ein.

Sie will und kann nicht mehr als Pflegerin arbeiten

Rund 50 Bewerbungen hat sie in den letzten Monaten geschrieben. Alle vergeblich. Die 46-Jährige will weiter in der Pflege arbeiten – ihre jahrzehntelange Erfahrung nutzbar machen. Aber nur noch im administrativen Bereich. Als Mitarbeiterin im gerontopsychiatrischen Dienst zum Beispiel. Oder als Pflegeüberleitungskraft, die die Verlegung von Patienten aus dem Krankenhaus in ein Heim organisiert. Das Problem dabei: Oft werde für solche administrative Tätigkeiten ein abgeschlossenes Studium verlangt, erzählt Heike H. Die Pflege selbst kommt für sie aber nicht mehr in Frage. „Ich will mir mit 46 Jahren das Recht rausnehmen, wie ein Mensch zu leben.“

Einmal hat sie es noch probiert. Nachdem sie monatelang vergeblich auf ein Job-Angebot durch die Arbeitsagentur gehofft hatte. Und all ihre Initiativbewerbungen fehlgeschlagen waren. Zum 1. Januar trat sie noch einmal eine Stelle in der Pflege an. Doch es ging einfach nicht mehr. Sie brach nach nur einem Tag zusammen.

Sogar als Putzfrau hat sie sich beworben - trotz hoher Qualifikation

Hartz IV rückt jeden Tag näher. Eine Perspektive, die Heike H. zur Verzweiflung bringt. Nicht allein deshalb, weil sie nicht weiß, wie sie dann finanziell über die Runden kommen soll. Oder weil sie Angst davor hat, im Alter arm zu sein. „Es ist nicht nur das verdammte Geld. Ich möchte einfach nicht nur daheim sitzen.“ Eine Arbeit, so findet sie, sei doch notwendig, um zur Gesellschaft zu gehören. Deswegen hat sie sich mittlerweile sogar als Putzfrau beworben. Trotz ihrer körperlichen Einschränkungen. Dabei bestätigt sogar die Arbeitsagentur: „Sie ist hoch qualifiziert. Es wäre wirklich schade, wenn sie für den Pflegebereich nicht mehr zur Verfügung stünde und ihr Wissen verloren geht.“ Heike H. hofft, dass sie noch einmal eine Chance bekommt. Die Chance auf eine Arbeit, die zu ihr passt.

Julia Lenders

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