Wenn der Klapperstorch einfach nicht klappern will

Viele Frauen werden nicht mehr schwanger. Mediziner helfen daher der Natur auf die Sprünge. Und die Nachfrage steigt: Die Wartezimmer der Spezial-Kliniken sind voll.
In sieben Jahren hat Jörg Puchta 2000 Frauen zu einem Baby verholfen – nicht als omnipotenter Romeo, sondern als Mediziner am Hormonzentrum München. Obwohl die gesetzlichen Kassen seit 2004 nur noch die Hälfte der Kosten für eine künstliche Befruchtung zahlen, sind die Wartezimmer der Spezial-Kliniken voll.
Warum? „Weil die Frauen immer länger warten“, sagt Puchta. „Die meisten, die zu uns kommen, sind 38 bis 40 Jahre alt.“ Doch auch schlechte Samenqualität, Hormon- oder Eileiterstörungen können schuld daran sein, dass deutschlandweit jährlich 10000 Kinder zur Welt kommen, deren Eltern der Natur auf die Sprünge helfen mussten.
Bei Dalisa (35) und Ronald Kirch-Collins (38) funktionierte das bestens: Schon nach der ersten IVF-Behandlung hatte es sich Sophia (heute neun Monate) in Dalisas Bauch bequem gemacht – das Ende einer langen Leidenszeit.
Die Sales-Analystin aus London und der Software-Salesmanager aus Freising hatten sich 2001 kennen gelernt und 2003 geheiratet. „Wir wollten Kinder und haben zeitnah angefangen loszulegen”, sagt Ronald.
Dalisa wurde schwanger und verlor das Baby. Das Paar stürzte in eine Krise. „Dalisa hat das sehr mitgenommen. Ich dachte: das kommt schon mal vor”, gesteht Ronald. Sie rauften sich zusammen – und gingen das „Projekt“ von allen Seiten an. Dalisa: „Ich war bei einer Heilpraktikerin zum Entgiften und bei der Akupunktur. Wir hatten Sex nach Zeitplan. Ich habe alles gemacht, um ein Baby zu bekommen.” Ergebnis: „Ich hatte lauter Pickel, wurde aber nicht schwanger.” Erst nach acht Monaten und einem Wochenende in Italien blieb ihre Periode aus. „Wir waren sicher, dass diesmal alles passt.”
An ihrem 32. Geburtstag kollabierte Dalisa. Sie war in der neunten Woche. „Das wurde im Krankenhaus auch festgestellt“, sagt Ronald. Aber niemand merkte, dass sich – neben dem Fötus in Dalisas Gebärmutter – ein zweiter in ihrem Eileiter eingenistet hatte. Erst als das Gewebe riss und sie 800 Milliliter Blut verlor, entdeckten die Mediziner die Ursache. Drei Tage später starb auch das Baby in Dalisas Gebärmutter.
Neun schwangere Kolleginnen. Nur Dalisa nicht.
Trotzdem probierten die beiden weiter – zwei Jahre lang. „Ich weiß nicht, wie oft ich geweint habe, weil ich meine Periode bekam”, sagt die zarte Engländerin. Während Dalisa und Ronald verzweifelten, wurden neun Kolleginnen schwanger.
Schließlich wandte sich das Paar ans Kinderwunsch Zentrum – und machte zwei überraschende Entdeckungen: „Wir mussten zweieinhalb Monate auf einen Termin warten und das hieß: Es gibt viele wie uns“, erinnert sich Ronald Kirch-Collins. Außerdem fanden die Ärzte heraus, dass beide Partner mit Klamydien infiziert waren, einer verbreiteten Bakterien-Infektion, von der man in der Regel nichts mitbekommt, die aber häufig für Abgänge verantwortlich ist. „Vorher sind wir nie darauf untersucht worden.”
Die Klamydien waren mit Antibiotika rasch ausgerottet, die Behandlung konnte beginnen: Die Ärzte entnahmen Dalisa vier Eizellen, befruchteten sie mit Ronalds Sperma und brachten ein Pärchen an seinen Bestimmungsort. Schon beim ersten Versuch landeten die Kirch-Collins einen Volltreffer. „Er“ heißt Sophia, hat blonde Haare und blaue Augen.
Barbara (36) und Martin (37) wollten anfangs keine Kinder – damals, 1997, als das frisch verheiratete Paar nach München zog. Die Krankenschwester und der Unternehmensberater hatten neue Jobs und genossen nach langer Fernbeziehung ihr Leben zu zweit. „Wir haben nichts vermisst”, sagt Barbara. Dass sie an einer Hormonschwäche leidet und auch ohne Verhütung nicht schwanger wurde, störte nicht. Zunächst.
Nur noch Eltern im Bekanntenkreis
Denn plötzlich, so Anfang 30, bestand der Bekanntenkreis nur noch aus Eltern. Als Freunde durch künstliche Befruchtung ein Kind bekamen, fragten sich Barbara und Martin: „Wollen wir das auch versuchen?” Erst zögerte Barbara, dann ging sie zur Frauenärztin – und ins Hormonzentrum.
Die zwei entschieden sich für die Insemination, bei der das Sperma in den Genitaltrakt der Frau gespritzt wird. Die Folge war eine emotionale Achterbahnfahrt: Barbara musste Artzney schlucken, um ihren Hormonmangel auszugleichen. Sie bekam starke Stimmungsschwankungen und leichte Depressionen. Trotzdem ließ sie sieben Behandlungen über sich ergehen – und wurde sieben Mal enttäuscht: Nicht schwanger. Ein Dreivierteljahr immer dasselbe Ergebnis: Nicht schwanger. „Beim achten Versuch hab’ ich gar nicht mehr nachgefragt.“ Was Barbara nicht wusste: Diesmal hatte es geklappt. Ihr Wunschkind war endlich unterwegs.
Mittlerweile ist Töchterchen Katarina zwei Jahre alt, putzmunter und der ganze Stolz ihrer Eltern. „Heute ärgere ich mich, dass wir das Thema nicht früher angegangen sind. Da hätte es vielleicht besser geklappt“, sagt Barbara. Zumal das Ehepaar gerne noch ein zweites Kind hätte – und der Erfolg diesmal bereits eineinhalb Jahre auf sich warten lässt. Barbara schlug Martin eine Adoption vor. „Aber er hat Angst, dass er ein Adoptivkind nicht so lieben kann wie sein eigenes.“ Also wird weiterprobiert. So lange das Geld reicht. Denn obwohl die Kasse die Hälfte zahlt, schlägt jeder Versuch mit 250 Euro plus Narkose und Artzney zu Buche.
Auch deshalb schmiss Doris (40, Name geändert) die Behandlung irgendwann hin. „Ich wurde schwanger – und verlor das Kind in der ersten Woche. Der nächste Versuch: das gleiche Drama. Es war schrecklich.“ Tapfer blieb sie dabei. „Nach dem sechsten Mal lagen die Nerven blank, wir hatten tausende Euro in unseren Traum von einer Familie investiert – vergeblich. Wir gaben auf.“ Und dann? Doris wurde schwanger und bekam Quirin. Einfach so.
Natalie Kettinger