Wenn der akademische Ghostwriter zum Problem wird

In den letzten Jahren gab es den ein oder anderen Skandal um akademisches Ghostwriting und Plagiate.
Herr von Guttenberg bekam die Folgen genauso zu spüren wie Frau Schavan. Trotzdem muss man nicht einmal gezielt danach suchen, sondern wird von den Angeboten für akademisches Ghostwriting förmlich angesprungen. Der Markt scheint in den letzten Jahren eher zu wachsen, und das hat mehrere Gründe.
Legal, aber vielleicht moralisch nicht ganz korrekt
Akademisches Ghostwriting ist keine Straftat, und dementsprechend auch nicht eindeutig moralisch zu verwerfen. Man könnte sagen, es ist eine Gradwanderung. Zumindest sehen das die Vertreter und Vertreterinnen der deutschen Hochschulen und Universitäten so. Denn zuerst einmal spricht nichts dagegen, sich eine akademische Facharbeit jedweder Art gegen Geld schreiben zu lassen. Das ist soweit eine ganz normale Dienstleistung, und in diesem Rahmen ist die vertragliche Verschriftlichung des Handels auch völlig in Ordnung. Dass die jeweiligen Ghostwriter beiderlei Geschlechts die Nutzungsrechte für ihre Texte im Rahmen des Vertrags abtreten, ist auch nicht problematisch. Man kann es mit einer Werbeanzeige vergleichen: Die wird nicht vom Firmeninhaber einer Marke geschrieben, meist nicht einmal von der Marketingabteilung selbiger, sondern meist von anonymen Freiberuflern, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Das ist weder illegal, noch verwerflich oder gar unüblich. Sogar dieser Text hier ist von einer Ghostwriterin verfasst und nicht von der im Impressum dieser Webseite genannten Person. Soweit ist also alles legal und rechtens.
Schwierig wird es dagegen, wenn Studierende oder Poststudierende eine von einem Ghostwriter oder einer Ghostwriterin verfasste Arbeit unverändert unter dem eigenen Namen abgeben. Das ist eine Verletzung des Urheberrechts, und in diesem Fall liegt auch ein Betrug vor. Denn die Prüfungsordnungen aller Hochschulen und Universitäten schreiben vor, dass jede eingereichte Arbeit vom Verfasser oder von der Verfasserin auch wirklich selbst geschrieben sein muss. Das meint keineswegs nur das eigenhändige Abtippen oder Formatieren, sondern die gesamte Schreibleistung inklusive der Recherche- und Denkarbeit. Immerhin dienen die Arbeiten der Leistungskontrolle und der Vorbereitung auf die akademische Abschlussarbeit. Mit letzterer soll das gesamte an der Hochschule oder Universität erworbene Wissen und Können in einem hoffentlich eindrucksvollen Finale bewiesen werden.
Kurz zusammengefasst: Die Bemühung eines Ghostwriters oder einer Ghostwriterin ist legal, das Einreichen des so erworbenen Texts unter eigenem Namen ist es nicht. Da die Geschäftsbedingungen der Ghostwriter-Agenturen genau das auch ausdrücklich untersagen, machen sich weder die Agenturen, noch die Ghostwriter oder Ghostwriterinnen strafbar. Das ist die rein juristische Seite der Angelegenheit.
Aber was passiert wirklich mit den Texten?
Genau weiß das niemand, und es will auch niemand wissen. Sowohl befragte Ghostwriter als auch der Chef der Ghostwriting-Agentur ACAD WRITE (einsehbar unter www.acad-write.com), Thomas Nemet, sind sich aber sicher, dass die meisten Studierenden durchaus die Arbeiten unter ihrem Namen einreichen. Dabei ist der Rat der Unternehmen wie auch der studentischen Beratungsstellen grundsätzlich, genau dies nicht zu tun. Die von einem Ghostwriter oder einer Ghostwriterin erstellten akademischen Arbeiten sollten vielmehr als eine Recherche-Grundlage dienen, als ein Vorbild, wie man es machen könnte, oder vielleicht als Leitfaden. Denn den meisten Studierenden ist schon enorm geholfen, wenn sie wenigstens die äußere Form einer Hausarbeit, Seminararbeit oder Bachelorarbeit zu ihrem Thema sehen. Sie werden von der enthaltenen Literaturliste profitieren und können sich am roten Faden der Arbeit entlanghangeln. Der Sinn liegt also eher darin, auf der Grundlage der bestellten Arbeit eine sehr viel bessere eigene Arbeit erstellen zu können und sich viel Vorarbeit in Sachen Literaturrecherche und -auswertung zu ersparen. Und genau diese Art der Verwendung ist auch vollkommen legal und damit unproblematisch.
Thomas Nemet sagte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung aber auch, dass weder er noch seine freiberuflichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die tatsächliche Verwendung der erstellten Arbeiten überprüfen oder kontrollieren könnten. Und er ist sich sicher: Wenn er und seine Mitarbeiter/-innen diese Arbeiten nicht schreiben, macht es jemand anderes. Der Markt ist groß, die Nachfrage ebenfalls. Dann lieber auf eine qualitativ hochwertig arbeitende und seriöse Agentur bauen, so der Konsens. Acad Write bietet denn auch nicht nur die vollständigen Haus-, Seminar- und Abschlussarbeiten an, sondern ermöglicht das schrittweise gemeinsame Erarbeiten von Bruchstücken. Von einer fachlichen Beratung über das Erstellen des Inhaltsverzeichnisses und der Literaturliste bis hin zu einem abschließenden Lektorat oder reinen Korrektorat kann alles einzeln gebucht werden. Wie groß allerdings der Geschäftsanteil dieser auch aus Hochschulsicht sehr sinnvollen Teilleistungen sind, darüber erfährt man nichts.
Schwarze Schafe frühzeitig erkennen
Seriöse Ghostwriting-Agenturen arbeiten sauber, wissenschaftlich fundiert und sind kostenintensiv. Die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Ghostwriter/-in ist sehr eng. Aber es fallen auch immer wieder Arbeiten auf, die Plagiate sind. Die Agenturen garantieren zwar dafür, dass eine oder mehrere Computerprogramme zum Auffinden von Plagiaten eingesetzt werden, aber die Programme taugen erfahrungsgemäß nicht viel. Es ist schon vorgenommen, dass Ghostwriter über Jahrzehnte im gleichen Themengebiet tätig waren und eine einmal geschriebene Arbeit einfach immer wieder etwas überarbeitet, die einzelnen Kapitel anders angeordnet und die Literaturliste aktualisiert haben und dieses Flickenwerk dann jeweils als "Unique Content" verkauften. Bekannt werden diese Fälle, weil die Plagiate an der Hochschule oder Universität erkannt wurden. Den Studierenden droht in diesem Fall Exmatrikulation und ein Bußgeld. Und sie sind natürlich durch die Prüfung gefallen.
Ein anderes Problem ist, dass man sich mit der Unterschrift unter dem Vertrag für das Erstellen der Master- oder Diplomarbeit eben auch erpressbar macht. Wer seine akademischen Lorbeeren nur mit der Hilfe anderer erwerben konnte, bleibt ein Leben lang angreifbar. Seriöse Agenturen erkennt man nicht so leicht. Unseriöse dagegen manchmal schon: Wenn das Impressum nicht vorhanden ist, der Firmensitz im nicht-deutschsprachigen Ausland ist, ein Postfach statt einer Adresse angegeben wurde, eine 0800-Telefonnummer oder eine gefälschte Telefonnummer angegeben werden, dann handelt es sich in der Regel nicht um einen seriösen Betrieb. Auch dann, wenn ausschließlich PayPal als Zahlungsweise zugelassen ist oder die Internetseite sprachliche Mängel aufweist, ist der Anbieter eher nicht seriös. Und die Preise können ein weiterer Hinweis sein: Auf einem ausreichenden wissenschaftlichen Niveau für Hausarbeiten werden etwa 70 Euro je Seite verlangt. Bei Abschlussarbeiten (Bachelor, Master, Dissertation etc.) sind es eher 100 bis 150 Euro. Keine billige Angelegenheit für eine grobe Schreibhilfe ...