Wenn das Heilmittel zum Horror wird
München - Dieser Appell soll Leben retten: Nach Ansicht der bayerischen Landesapothekerkammer unterschätzen viele Menschen die Wechselwirkungen von Medikamente. Mit manchmal tödlichen Folgen. Das ist das Ergebnis einer groß angelegten Befragung von Kunden in 100 bayerischen Apotheken. Dabei lassen sich die meisten Wechselwirkungen vorhersehen und dementsprechend schnell abstellen.
Was sind Wechselwirkungen? Zwei oder mehr parallel eingenommene Arzneimittel können sich in ihrer Wirkung verstärken, abschwächen oder sogar ganz aufheben.
Gibt es auch Wechselwirkungen von Medikamenten und Lebensmitteln? Ja. Am bekanntesten ist die gegenseitige Wirkungsverstärkung von Alkohol und Beruhigungsmitteln. Aber auch Nikotin und Koffein haben Wirkung auf die Arzneimitteleinnahme. So führt Rauchen zum beschleunigten Abbau und kürzerer Wirkung, schwarzer Tee verringert die Aufnahme vieler Wirkstoffe in den Körper. Essen reduziert allgemein die Aufnahme vieler Arzneimittel. Umgekehrter Effekt: Grapefruitsaft hemmt den Abbau vieler Arzneistoffe und führt damit zu einer verlängerten Wirkung.
Wie gefährlich sind Wechselwirkungen? Manchmal lebensgefährlich. So kann die gemeinsame Einnahme von Blutverdünnern und Schmerzmitteln zu einer erhöhten Blutungsneigung und Magen- oder Hirnblutungen führen. Aber auch der Wegfall eines Wirkstoffes kann zur Gefahr werden. So berichtet Markus Zieglmeier, Apotheker im Klinikum Bogenhausen, von dem Fall eines verurteilten Arztes: Der hatte bei seinem Patienten ein altes Medikament durch ein besser verträglicheres ersetzt. Doch damit wurde bei dem Patienten die Wirkung des ebenfalls eingenommenen Antidepressivums geschwächt. Der Mann erhängte sich.
Wie häufig sind Wechselwirkungen? In der Studie der Apothekerkammer waren 3347 von 20890 Kunden betroffen. Das ist umgerechnet jeder 6. Kunde einer bayerischen Apotheke. Bei jedem 200. traten lebensgefährliche Folgen auf. Bei 680000 Apothekenkunden jedes Jahr, sind das alleine in Bayern 3400 Fälle.
Welche Stoffe sind besonders gefährlich? Probleme gibt es vor allem mit Mineralstoffpräparaten, Blutdruck-, Schmerzmitteln und Antidepressiva.
Welche Kombinationen kommen am häufigsten vor? Die Kombination von Schmerzmitteln mit Diuretika (Wassertabletten) und Blutdruckmitteln wie Beta-Blockern und ACE-Hemmern. Zusammen machen diese drei Gruppen 21 Prozent aller Fälle aus.
Wie kann man sich schützen? Die Kammer empfiehlt ein Gespräch mit dem Apotheker. 82 Prozent der Probleme mit Wechselwirkungen könnten so gelöst werden. Wechselwirkungen sind meist vorhersehbar. Den Arzt bei der Verschreibung neuer Medikamente darauf ansprechen. Lässt man sich von verschiedenen Ärzten behandeln und Medikamente verschreiben, sollte immer die Problematik der Wechselwirkungen angesprochen werden.
Ist Selbstbehandlung zu riskant? Beim Einkauf rezeptfreier Arzneimittel mit dem Apotheker reden. Dabei immer alle eingenommenen Mittel nennen, auch scheinbar harmlose Kopfschmerzmittel, Nahrungsergänzungen und pflanzliche Arzneimittel.
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