Weniger Gärten in Neubaugebieten: Der Grün-Kahlschlag

München - Ein bisschen bleibt einem schon die (ohnehin verpestete) Luft weg bei diesem Vorschlag aus dem Planungsreferat: Künftig soll für alle Münchner Neubaugebiete ein Drittel weniger an Gärten, Parks und grünen Freiflächen eingeplant werden als das bisher üblich war.
Zugunsten von: dichterer Bebauung, mehr Wohnungen, mehr Beton.
Wegen der "enormen Notwendigkeit, Wohnraum zu schaffen" könnten so "hohe bauliche Dichten generiert" werden – so steht es in einer Beschlussvorlage, über die der Planungsausschuss des Stadtrats heute entscheiden soll. Titel: "Neue Orientierungswerte für Stadtplanung und Bauordnung".
Seit Mitte der 90er Jahre galt für München: Wenn neue Baugebiete geplant werden, sollen pro künftigem Einwohner mindestens 17 Quadratmeter öffentliche Grünflächen entstehen plus 15 Quadratmeter private. Macht also insgesamt 32 Quadratmeter Grün für jeden Einwohner.
Richtwerte halbiert
Mit diesen Richtwerten soll es vorbei sein. Die städtischen Planer wollen innerhalb des Mittleren Rings nur noch 15 Quadratmeter pro Einwohner als "Orientierungswert" festlegen – also halb so viel wie bisher. Und für außerhalb des Rings nur noch 20 Quadratmeter – ein Drittel weniger.
"Das geht überhaupt nicht", ärgert sich Grünen-Stadtrat Herbert Danner. "Die Stadt wird immer voller, weil laufend Neubürger zuziehen, da können wir doch nicht die Erholungsflächen reduzieren!" In heißen Sommern glühe die Stadt besonders da, wo viel Beton ist. Es brauche grüne Kühlungsflächen und Flächen, die beitragen, die Schadstoffe in der Luft zu reduzieren. "Die Münchner", sagt Danner, "wollen ganz sicher keine graue Stadt voller Beton."
Was der neue Orientierungswert konkret etwa für das geplante Neubaugebiet "Nordost" in Bogenhausen bedeuten würde, rechnet der Bund Naturschutz (BN) vor: Auf dem 600 Hektar großen Areal östlich der S-8-Trasse zwischen Riem, Daglfing, Englschalking, Johanneskirchen und der Stadtgrenze könnten einmal rund 30.000 Menschen wohnen und rund 10.000 arbeiten. "Mit dem neuen Grün-Wert würden wir dort rund 36 Hektar Erholungsflächen verlieren", schätzt BN-München-Geschäftsführer Rudolf Nützel. "Das ist eine Fläche so groß wie der Hirschgarten – oder 50 Fußballfelder!"
Mindest-Standard von 32 Quadratmetern
"Damit würde der Stadtrat die Lebensqualität der Bürger verschlechtern. Bei immer mehr Hitzetagen und Tropennächten in München brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Grünflächen", protestiert auch der Chef der Kreisgruppe München, Christian Hierneis, und fordert vom Stadtrat, den bisherigen Mindest-Standard von 32 Quadratmetern pro Einwohner einzuhalten: "Es ist unglaublich, dass die Stadt diese Tatsachen zu Lasten der Münchner schlicht ignoriert."
Immerhin, für viele schon längst überplanten Neubaugebiete wie den Campus Süd in Obersendling (1270 Wohnungen), den Prinz-Eugen-Park (1800) in Bogenhausen oder die Bayernkaserne in Freimann (5500) wird die neue Regel nicht mehr greifen.
Wohl aber noch fürs neue Stadtviertel Freiham (8800), wo im Bereich Freiham-Nord erst die Hälfte der Bebauung fix festgezurrt ist. Und natürlich fürs künftige Entwicklungsgebiet Nord in Feldmoching, wo auf 900 Hektar Ackerflächen Wohnungen entstehen sollen.
Die Stadtrats-Grünen wollen heute zwar noch mit einem Änderungsantrag den Grün-Kahlschlag verhindern. Große Chancen haben sie nicht: Die schwarz-rote Rathauskoalition hat sich längst festgelegt, dem Vorschlag zuzustimmen. "Wir brauchen nun einmal Platz für Wohnungen", argumentier CSU-Stadtrat und Planungssprecher Walter Zöller. "Und wenn wir auf einem Grundstück zum Beispiel ein Stockwerk höher bauen anstatt in die Breite, bleibt die Grünfläche ja gleich groß. Sie wird eben nur von mehr Menschen genutzt."
Die Debatte könnte also laut werden.