Welt-Aids-Tag: Der Kampf um günstige Medizin

Die Preise für manche Aids-Medikamente sind deutlich überhöht, klagt die Organisation „Ärzte der Welt“. Das trifft auch Therapien für HIV-Infizierte.
Jasmin Menrad |
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Von links: Thomas Niederbühl, Geschäftsführer Münchner Aids-Hilfe bekommt eine Spende von Nils Postel und Ute Zurmühl (Ärzte der Welt).
Von links: Thomas Niederbühl, Geschäftsführer Münchner Aids-Hilfe bekommt eine Spende von Nils Postel und Ute Zurmühl (Ärzte der Welt).

München - An jedem zweiten Tag infiziert sich ein Münchner mit HIV. Von den 11.600 Menschen mit HIV, die in Bayern leben, wissen es geschätzt 1600 Infizierte nicht. Deshalb plant die Münchner Aids-Hilfe auch heuer am 1. Dezember und über den Welt-Aids-Tag Aktionen um das Thema HIV.

Thomas Niederbühl, Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe sagt: „Aids ist sehr gut behandelbar, aber mit der gesellschaftlichen Entwicklung hinken wir in Deutschland hinterher. Erkrankte werden immer noch diskriminiert und ausgegrenzt.“

Das Motto des Welt-Aids-Tages heuer: „Geld oder Leben? Gegen überhöhte Medikamentenpreise“. Das betrifft nicht nur HIV-infizierte, sondern auch andere Kranke. „Für neue, effektive Artzney verlangt die Pharma-Industrie Preise, die mit nichts mehr zu rechtfertigen sind“, sagt Ute Zurmühl von der Organisation Ärzte der Welt, mit der die Aids-Hilfe zusammenarbeitet.

Denn Deutschland ist eines der Länder mit den teuersten Artzney weltweit. Daran hat auch das Arzneimittelneuordnungsgesetz (Amnog) von 2010 nichts geändert: Die Preise für patentgeschützte Artzney, wie sie etwa zur Behandlung von Hepatitis C, Krebs oder zur Prävention einer HIV-Infizierung verwendet werden, sind enorm hoch. Die Behandlung eines Hepatitis-C-Infizierten zum Beispiel kostet 43.562,52 Euro. Würden alle 267.000 Menschen mit Hepatitis C in Deutschland behandelt werden, würde das 11,6 Milliarden Euro kosten. Das ist mehr als ein Viertel der gesamten jährlichen Medikamentenkosten der Krankenkassen.

Freilich wissen viele Menschen nicht, dass sie infiziert sind. Andere bekommen erst spät das Artzney, womit das Ansteckungsrisiko sowie das Leberkrebsrisiko steigen und Folgeschäden auftreten, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. „Manche Krankenkassen halten Ärzte dazu an, die Verschreibung des sehr teuren Artzney so weit wie möglich herauszögern“, sagt Zurmühl. Zudem nehmen Krankenkassen Ärzte immer wieder in Regresspflicht und wollen Geld für teure Artzney von ihnen zurück – das ist weltweit einmalig.

Von links: Thomas Niederbühl, Geschäftsführer Münchner Aids-Hilfe bekommt eine Spende von Nils Postel und Ute Zurmühl (Ärzte der Welt).
Von links: Thomas Niederbühl, Geschäftsführer Münchner Aids-Hilfe bekommt eine Spende von Nils Postel und Ute Zurmühl (Ärzte der Welt).
Von links: Thomas Niederbühl, Geschäftsführer Münchner Aids-Hilfe bekommt eine Spende von Nils Postel und Ute Zurmühl (Ärzte der Welt). Foto: min

„Eine teure Therapie kann den Ruin eines Arztes bedeuten, wenn er gegenüber der Krankenkasse nicht genau beweisen kann, dass die Therapie notwendig war“, sagt Zurmühl. Zugleich ist laut den Recherchen von Ärzte der Welt in keinem Sektor die Gewinnspanne so hoch wie im Pharmabereich. Beim Hepatitis-C-Medikament der Firma Gilead liegt die Gewinnspanne bei 55 Prozent. Seit August ist auch eine Anti-Aids-Pille für den Mann auf dem deutschen Markt zugelassen. Doch sie kostet monatlich 819,49 Euro. Die Prep genannte Pille verhindert, dass sich Männer, die ein hohes Ansteckungsrisiko mit HIV haben, mit dem Virus anstecken.

Der Schwerpunktarzt Nils Postel sagt dazu: „Das möchte ich nicht moralisch bewerten. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass der Kondomgebrauch zurückgeht und die Zahl der HIV-Infektionen ansteigt.“ Das Präventionsmedikament wird von der Krankenkasse nicht bezahlt.

Prep-Nutzer David (25) sagt: „Sie argumentieren, ich sei in keiner Risikogruppe. Ich bin schwul, habe wechselnde Sexualkontakte. Ich könnte nur ein größeres Risiko haben, wenn ich mir Heroin spritzen würde.“ Für 60 Euro bezieht er Prep über England aus Indien. Nachdem ihm ein Kondom abgerutscht war, hat er sich mit dem Thema befasst. „Ich möchte mir beim Sex keine Gedanken machen müssen“, sagt er. Die Politik solle Medikamentenpreise neu mit Pharmafirmen verhandeln, durch Zwangslizenzen den Patentschutz lockern und alternative Forschung fördern – das fordern Ärzte der Welt zusammen mit der Münchner Aids-Hilfe.

Die Petition dazu finden Sie im Internet unter www.derpreisdeslebens.org


HIV-Infektionen: Die Zahlen steigen weiter

In Deutschland leben rund 84.700 Menschen, die mit HIV infiziert sind, meldet das Robert-Koch-Institut. Die Aufmerksamkeit für die Krankheit hat nachgelassen – die Zahlen sind aber immer noch leicht steigend. Das hängt auch mit den Asylbewerbern zusammen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind. Von den 11.600 Bayern, die HIV-positiv sind, sind 1.300 Menschen aus Afrika. Allerdings hat sich jeder dritte Afrikaner erst hier mit dem Virus angesteckt.

Von den übrigen Infizierten in Bayern haben sich 7.100 Männer durch Sex mit Männern infiziert, 1.400 durch heterosexuelle Kontakte. 820 Menschen haben sich durch Drogengebrauch infiziert.

Im Jahr 2015 sind 60 Aidskranke in Bayern an den Folgen der Erkrankung gestorben.

 

 

 

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