Welt-Aids-Konferenz 2024 in München: Das sind die Risikogruppen

Selbst in Deutschland wird etwa jede fünfte Diagnose erst gestellt, wenn die Immunschwäche-Krankheit Aids bereits ausgebrochen ist. Die Welt-Aids-Konferenz in München Mitte 2024 will dem HI-Virus neuerlich den Kampf ansagen.
von  AZ/mit dpa-Material
Die rote Schleife ist ein weltweit anerkanntes Symbol für die Solidarität mit HIV-Infizierten. (Archivbild)
Die rote Schleife ist ein weltweit anerkanntes Symbol für die Solidarität mit HIV-Infizierten. (Archivbild) © Sunil Pradhan/SOPA Images/Zuma Wire/dpa

München - Millionen Menschen leben mit dem Virus, Hunderttausende sterben alljährlich weiter daran: Auch wenn kaum noch über die Gefahr einer Infektion mit dem HI-Virus gesprochen wird, die Krankheit Aids ist nicht gebannt. In diesem Jahr wird München Treffpunkt der weltgrößten wissenschaftlichen Zusammenkunft zum Thema HIV. Vom 22. bis 26. Juli 2024 werden zur 25. Welt-Aids-Konferenz mehr als 15.000 Teilnehmer erwartet.  

HIV: Vor allem in Osteuropa steigen die Infektionszahlen wieder an

Wissenschaftler, Mediziner, Gesundheitsexperten und Aktivisten aus mehr als 175 Ländern wollen auf Einladung der Internationalen Aids-Gesellschaft IAS (International Aids Society) in der bayerischen Landeshauptstadt über Möglichkeiten beraten, HIV und das erworbene Immunschwächesyndrom Aids einzudämmen.  

Vor allem in Osteuropa steigen die Infektionszahlen wieder an; in Afrika sind sie weiter hoch. Rund zwei Drittel aller weltweiten Infektionen würden in Afrika registriert, sagt Christoph Spinner vom Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, der den örtlichen Kongressvorsitz übernimmt.  

Münchner Mediziner Spinner: "Menschen mit HIV können dank moderner Therapie ein normales Leben führen und gesund altern"

Weltweit lebten rund 40 Millionen Menschen mit dem Virus, rund 9,2 Millionen hätten keinen oder keinen ausreichenden Zugang zur Therapie. Nur die Hälfte der Kinder mit HIV könne lebensrettende Medikamente erhalten. Die Ungleichheit bei der Behandlung zwischen Kindern und Erwachsenen nehme eher zu. Rund 630.000 Menschen seien 2022 an Aids-bedingten Todesursachen gestorben.  

Es gebe heute gute Behandlungsmöglichkeiten, sagt Spinner. Gerade in ärmeren Ländern seien die Medikamente aber nicht überall verfügbar. Aids 2024 wolle unter dem Motto "Put people and communities first" politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Kräfte mobilisieren, um Infizierten weltweit eine Therapie zu ermöglichen.  

"Menschen mit HIV können dank moderner Therapie ein normales Leben führen und gesund altern", sagt Spinner. "Die erfolgreiche HIV-Therapie unterdrückt die Virusvermehrung und verhindert damit auch die potenzielle Übertragung einer HIV-Infektion." Betroffene könnten damit in allen Berufen arbeiten – auch im Gesundheitswesen.  

HIV: Anstieg bei intravenös Drogen-Konsumierenden und bei Heterosexuellen mit oft wechselnden Partnern

Nötig seien auch mehr Informationen über vorbeugende Medikamente, die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), sagt Spinner. Darauf verweist auch das Robert Koch-Institut (RKI). Es registriert seit Jahren einen Rückgang der Infektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben.

Dr. Christoph Spinner.
Dr. Christoph Spinner. © argum / Falk Heller

Dass es nach den wegen Corona eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten 2022 nicht zu einem neuen Anstieg kam, könnte auf vermehrter Nutzung der PrEP beruhen, folgert das RKI. Fast gänzlich unbekannt sei PrEP bei Sexarbeitenden, bei intravenös Drogen-Konsumierenden und bei Heterosexuellen mit oft wechselnden Partnerinnen und Partnern.

Gerade in den beiden letzten Gruppen sei kein Rückgang der Neuinfektionen erkennbar, vielmehr stiegen die Zahlen leicht an. Diese Gruppen müssten gezielt über die PrEP aufgeklärt werden, verlangt Spinner.  Verschiedene Generika-Hersteller meldeten allerdings Lieferengpässe der HIV-PrEP. "Unsere klinische Erfahrung zeigt, dass aktuell noch auf alternative Präparate ausgewichen werden kann. Dennoch ist dieser Vorgang bedenklich und gefährdet die Prävention, insbesondere bei Risikogruppen, und die Therapie von Menschen mit HIV", sagt Spinner.  

Kondome zu benutzen bleibt ein Grundpfeiler der Prävention von HIV 

2022 infizierten sich nach seinen Worten bundesweit etwa 520 Menschen auf heterosexuellem Weg (310 Frauen und 210 Männer), rund 370 weitere Menschen beim intravenösen Drogengebrauch. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren sei in Deutschland eine Halbierung der Neuinfektionszahlen gelungen, sagt Spinner unter Verweis auf RKI-Zahlen. Von fast 4.000 Personen pro Jahr Ende der 1980er seien die Zahlen auf rund 1.900 im Jahr 2022 gesunken.  

Aber selbst in Deutschland werde etwa jede fünfte Diagnose erst gestellt, wenn die Immunschwäche-Krankheit ausgebrochen sei. Auch hierzulande wisse etwa jeder zehnte Betroffene noch nichts von seiner Infektion – mit dem Risiko, das Virus unwissentlich weiterzugeben.

"HIV wird in erster Linie durch Menschen übertragen, deren HIV-Infektion noch nicht diagnostiziert wurde. Zudem ist bei Spätdiagnosen die Sterblichkeit höher. Kondome zu benutzen bleibt ein Grundpfeiler der Prävention von HIV und weiteren sexuell übertragbaren Erregern", erläuterte das RKI Ende 2022.  

Welt-Aids-Konferenz rotiert zwischen den Kontinenten

Aus Osteuropa, wo die Infektionszahlen markant ansteigen, wird Andriy Klepikov als ein Co-Vorsitzender des 25. Welt-Aids-Kongresses dabei sein. Die Zunahme in Osteuropa werde unter anderem durch mangelnden Zugang zu Gesundheitsdiensten und durch Drogenkonsum verursacht – und durch den Ukraine-Krieg verschärft, sagte Klepikov. Teils fehle der Zugang zur Versorgung oder sie sei durch den Krieg zusammengebrochen ist – oder HIV und die Übertragungswege würden kriminalisiert.  

Die erste Welt-Aids-Konferenz fand 1985 statt. In der Pandemie lief sie online; 2022 gab es im kanadischen Montreal ein Treffen teils vor Ort. Die Konferenz rotiere zwischen den Kontinenten, damit möglichst viele Menschen aus der ganzen Welt teilnehmen können, erläutert der Verband IAS. Aids 2026 soll in Lateinamerika stattfinden.

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