Weißwurst & Untergiesinger
"München ist immer eine Reisewert", sagt das Internet. Wie aber schaut’s aus,wenn es einen wie mich plötzlich beruflich in die bayerische Landeshauptstadt spült? Eine Neumünchnerin auf der Suche nach den Geheimnissen des Millionendorfs.
„Alles südlich der Elbe ist der Schritt über den Weißwurst- Äquator", höhnen meine netten Stuttgarter Freunde. Ihren Unkenrufen zum Trotz bin ich schneller nach München gezogen, als die überhaupt „Weißwurst“ sagen konnten. Apropos: Die gehört doch zu München, wie die beiden Türme der Frauenkirche, oder? Zumindest, wenn man dem Münchner Weißwurst-Lied der selbigen Schutzgemeinschaft glaubt: „Wenn ich durch München geh’, und die Frau'ntürme seh, seh ichWeißwürscht.“
München mit dem Rad
Von Weißwürsten habe ich noch nicht viel gesehen, dafür aber die Stadt für mich entdeckt. Ein hilfreicher Ratgeber ist die Lektüre der „Gebrauchsanweisung für München". Weniger ein Reiseführer, denn ein schmunzelnder Rundumschlag über die Eigenarten der Stadt und ihrer Bewohner. Und dann geht's auch schon los mit dem Entdecken. Prima ließe sich die Stadt mit dem Rad erkunden, kündet die München- Lektüre. Und Recht hat sie: Kreuz und quer bringen mich die Radwege durch die Stadt, und vor allem: eben. Kein Hügel muss mühsam erklommen werden. Für mich als ehemalige Stuttgarterin eine Wohltat.
Fast schon heimisch fühle ich mich auf dem Markt auf dem Elisabethplatz in Schwabing: klein, überschaubar und so gar nicht großstädtisch. Ein Muss ist für mich jedes Mal der Besuch der „Biokäsemanufaktur“ mit jeder Menge regionalen Käsespezialitäten im Angebot. Unbedingt probieren: Fein-würzigen Rohmilch-Käse mit Bockshorn. Da ich schon in der richtigen Ecke bin, führt kein Weg an „Donuts & Candies" in der Georgenstraße 41 vorbei: Bestimmt ein Dutzend verschiedene Donut-Sorten warten nur darauf, probiert zu werden, ganz zu schweigen von den rosaroten Eclairs in Herzchenform. Nach gefühlten 3000 Kalorien mehr auf den Hüften kann ich die Schoko-Walnuss- Donuts wärmstens empfehlen.
Die perfekte Brezel
Als wesentlich schwieriger gestaltet sich da schon die Suche nach der perfekten Brezel. Hier geht meine schwäbische Meinung und die der Münchner Bäcker doch gehörig auseinander: Das Laugengebäck muss einen dicken Bauch haben und dünne, knusprige Ärmchen. Die Münchner Brezn ist leider oft das Gegenteil. So ganz gegen das Münchner Naturell denke ich und finde sie dann doch noch, die Traumbrezel: Die Bäckerei Ziegler (Leonrodstraße 81) backt sie so, dass sie ihrer großen schwäbischen Schwester recht nahe kommt. Aberwen wundert's: Der Gründer der Bäckerei, Georg Ziegler, siedelte Ende des 19. Jahrhunderts aus einem schwäbischen Städtchen nach München über.
Da aber zu einer reschen Brezel auch ein ordentliches Bier gehört, gehe ich dem Tipp einer Arbeitskollegin nach, der Geschichte einer Garagenbrauerei in Giesing, die sich angeblich vor allem bei all jenen, die sich an lauen Sommerabenden mit Picknick oder Grillwürstchen ans Isarufer setzen, großer Beliebtheit erfreut. Und tatsächlich: In einem Hinterhof in der Birkenau 5 verbirgt sich das Bierlaboratorium. Zwei Kessel, zwei Brauer und jede Menge guter Ideen. Ich entscheide mich gegen das angepriesene Weißbier mit Himbeerlimo und für die „Untergiesinger Erhellung“. Eine gute Wahl: Ein süffiges Kellerbier, das für 1,50 Euro inklusive Pfand und sehr charmanter Beratung ein Gewinn für meine „Läden-mit-Stammkunden- Potenzial“-Liste ist.
Jetzt ist Kino angesagt
Auf ein richtiges Kleinod stoße ich im Glockenbachviertel: „Neues Arena“ (Hans-Sachs-Straße 7) heißt's und ist ein echtes Programmkino jenseits von Blockbustern à la „Spiderman“ und Co., das mit seinen zwei Minisälen jede Menge morbiden Charme versprüht. Ebenfalls groß in Sachen Kultur ist das Improvisationstheater „Fast Food“: Die unvorhersehbaren Szenen auf der Bühne lassen herrliche Spontansituationen entstehen – zum Schlapplachen. Die Termine verrät die Webseite des Ensembles. (www.fastfood-theater.de).
Neumünchner haben es also nicht schwer, sich mit der Stadt anzufreunden. Und trotzdem bleibt einiges noch rätselhaft – oder wie erklären sich die Selbstbedienungs-Zeitungskästen an jeder Straßenecke, die Heerscharen von älteren Damen mit Rauhaardackeln inmitten einer deutschen Großstadt oder die Dichte von Touristen aus Fernost, von denen es mehr zu geben scheint als Einheimische? Bestimmt werde ich es noch herausfinden – ich bin ja eben erst angekommen.
Annely Dufner
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- Glockenbachviertel