Weißenburger Straße in München: "Friss oder stirb – das geht nicht!"
Haidhausen - Das Thema Fußgängerzone hat in der Weißenburger Straße ja ganz schön Wellen geschlagen. Das finde ich gar nicht gut.“ Mit diesen Worten empfängt Christian Horn die AZ-Reporter in seinem Büro im Kaufring-Gebäude, hoch über dem Orleansplatz.
Der 65-Jährige ist Vorsitzender Interessengemeinschaft Unser Haidhausen der Gewerbetreibenden im Viertel, die sich seit fast 15 Jahren dafür einsetzt, den lokalen Handel im Stadtbezirk zu schützen und zukunftsfit zu machen.
An die 40 Mitglieder aus ganz Haidhausen hat der Verein, auch einige aus der Weißenburger Straße.
Die teils feindselige Stimmung treibt ihn um
Christian Horn ist selbst in Haidhausen zur Schule gegangen, hat, wie er erzählt, sein ganzes Leben hier verbracht. Schon als Kind besuchte er regelmäßig seinen Vater und die Großmutter im Kaufhaus der Familie, dem früheren Kaufhaus Horn am Orleansplatz. 1979 gab der Vater das Kaufhaus auf und vermietete an die Firma Kaufring, die hier bis heute eines ihrer Münchner Häuser betreibt. Alte Haidhauser sprechen indes auch nach fast 45 Jahren noch vom „Horn“, wenn sie das Kaufhaus am Ostbahnhof meinen.
Genauso eng verbunden fühlt sich umgekehrt auch Christian Horn mit dem Viertel, das wird im Gespräch schnell deutlich. Der von ihm mitgegründete Verein engagiert sich nicht nur für die lokale Wirtschaft, sondern auch für Kultur und Soziales. Denn all das gehöre zu einem lebenswerten Viertel, sagt Horn.
Dass im Stadtbezirk nun dank des Dauerbrenner-Themas Fußgängerzone Weißenburger Straße eine so angespannte, teils feindselige Stimmung herrscht, treibt ihn um. „Das hätte man vermeiden können“, sagt Horn. „Wenn es nicht eine Versammlung gegeben hätte, wo das den Leuten einfach mitgeteilt wurde.“
Was Christian Horn meint: Die Haidhauser Gewerbetreibenden wurden im Vorfeld des Fußgängerzonen-Versuchs nicht ins Boot geholt, so seine Ansicht. „Grundvoraussetzung für so etwas ist, dass man mit den Geschäftsleuten redet“, sagt Horn. „Wenn man so etwas von oben verordnet, macht man sich keine Freunde.“
"Das macht den Leuten Existenzängste"
Kann man wirklich davon sprechen, dass zu wenig auf die Menschen zugegangen wurde, wenn es zahlreiche Informationsveranstaltungen der Stadt gab? Horn findet, ja. „Der Vorlauf war zu kurz“, sagt er. Es habe zwar diverse Informations- und Diskussionsveranstaltungen gegeben, aber erst, als der Verkehrsversuch schon beschlossen war, so Horn.
Dass sich die betroffenen Händler in der Straße darüber ärgern, versteht er. „Von heute auf morgen bestand da ein anderes Geschäftsleben“, so Christian Horn. Und das sei für manche Geschäfte schwieriger als für andere. Wer Stammkundschaft hat, habe vielleicht weniger Probleme. „Aber der Schlosser oder der Getränkemarkt, die tun sich da schwer, die haben Einbußen“, sagt Horn.
Denn „dass es Umsatzeinbußen gibt, ist für mich völlig klar“, so Horn. „Und das finde ich regelrecht unverschämt, so in private Existenzen einzugreifen. Friss oder stirb – so kann man nicht mit Leuten umgehen.“

Christian Horn betont, viele der Geschäftsleute seien „kleine Privatunternehmer“. „Es ist schon ein Hammer, solche Unternehmen quasi vor die Türe zu setzen, indem man einfach hinnimmt, dass die Umsätze schwinden. Das macht den Leuten Existenzängste.“
Natürlich würde sich nach einer gewissen Zeit alles einspielen, so Horn. „Dann zeigt sich, wer überlebt und wer nicht.“ Und es siedele sich nur noch das an, was überlebt. „So darf es aber nicht laufen“, findet er. „Es wird Geschäfte geben, die werden sterben – und was machen die Leute dann?“
Es sei klar, wenn etwas einmal beschlossen sei, müsse es auch umgesetzt werden. „Aber man muss den Leuten Zeit geben, sich darauf vorzubereiten, auch im Kopf“, so Horn. Stattdessen sei man nicht auf die Geschäftsleute zugegangen. „Man müsste sie fragen, was wäre dein Wunsch, was soll vor deinem Laden passieren, wie soll es da ausschauen?“, sagt Horn.
"Ich bin dafür, dass hier ein gewisser Lifestyle entsteht"
Christian Horn betont: Er sei ein Freund von Fußgängerzonen. „Grundsätzlich ist eine Fußgängerzone immer gut. Das funktioniert in Barcelona, in Paris will man das jetzt auch. Ich bin völlig dafür, dass die Straße beruhigt wird, dass da ein gewisser Lifestyle entsteht“, sagt Horn. „Das geht aber nur, wenn man die Bürger mit einbezieht.“
Genau das sei beim Projekt in der Weißenburger Straße nicht passiert. „Was reingehauen hat, war diese Umsetzung ad hoc“, so Horn. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Bezirksausschuss und das Mobilitätsreferat gesagt hätten: Lasst es uns zusammen machen. Wie kann das aussehen?“
Horn ist sich sicher, dass dabei gute Ergebnisse herausgekommen wären: „Die Leute sind ja sehr rege und fantasievoll, da brauchen wir uns gar nicht zu verstecken. Sonst wäre Haidhausen ja nicht so, wie es heute dasteht – international, multikulti und entspannt.“
Spricht er vom Viertel, kommt er ins Schwärmen: „Wir haben hier so viel internationale Gastronomie, so viele verschiedene Geschäfte – das macht es so lebenswert in Haidhausen.“ Im Viertel lebten viele junge Familien, auf der Straße höre man die verschiedensten Sprachen. „Im Sommer mit den Schanigärten ist das herzallerliebst, gemütlich, heimelig.“ Doch in der Weißenburger Straße sei genau das gestorben, sagt Horn.
Klare Regeln, die möglichst für alle gelten
Denn auch die Umsetzung der Fußgängerzone gefällt ihm, wie vielen, nicht so wirklich. Auch hier, so findet er, hätte man die Haidhauser noch mehr miteinbeziehen können. „Es gibt in Haidhausen so viele Kunstsinnige, warum fragt man nicht die Leute, ob sie hier etwas gestalten mögen“, sagt Horn, der selbst begeisterter Musiker ist und sich auch in der Stadtteilkultur engagiert. „Man könnte da viel machen, auch Sommer- oder Winterfeste mit Bands oder Ähnliches.“
Wie geht es also nun weiter in der Weißenburger Straße in Haidhausen? Wie das Projekt am Ende wirklich ankomme, könne man vermutlich wirklich erst nach dem Versuchsjahr sagen, meint Horn. „Ich stehe für Versöhnung. Mir geht es um den Frieden, dass man den wieder herstellt.“
Könnte das mit individuellen Ausnahmeregelungen gelingen, wie etwa einzelnen Kundenparkplätzen? Das sieht Horn eher nicht so. „Zu viele Ausnahmen verderben den Brei“, meint er. „Ich bin da für eine klare Struktur, Regeln, die dann möglichst für alle gelten.“
Was zielführender und aus seiner Sicht wichtig wäre: Stadt und Bezirksausschuss müssten auf die Leute zugehen, so Horn. „Warum geht die Stadt nicht zu den Leuten in die Läden rein und fragt, was sie brauchen?“ Er ist sich sicher, „auch der Versuch würde schon geschätzt werden.“
"Mir geht es um das Miteinander"
Nach dem einjährigen Verkehrsversuch, der noch bis zum 29. Juli dauert, soll eine Evaluierung stattfinden, bevor eine endgültige Entscheidung über eine Fußgängerzone in der Weißenburger Straße fällt.
Für Christian Horn ist klar, was er sich wünscht: „Ich hätte gerne, dass es weitergeht“, sagt er. „Ich finde es spannend. Fußgängerzonen werden kommen, Autos werden langsam aber sicher aus den Innenstädten verdrängt, was völlig in Ordnung ist“, so seine Einschätzung.

Wenn man es dann in der Weißenburger Straße besser mache als bisher, dann könne er sich auch eine Fußgängerzone bis hinauf zum Orleansplatz, wie es früher schon einmal geplant war, gut vorstellen, so Horn. Tatsächlich wurde in der Haidhauser Bürgerversammlung am 1. April ein Antrag genau dazu mehrheitlich übernommen – neben diversen anderen zum Thema Fußgängerzone. Wie es damit weitergeht, ist freilich noch offen.
„Ich wünsche mir, dass der Ladenbetreiber morgens aufsperrt und sich freut, dass es vor seinem Geschäft so schön ist, mit netten Sitzgruppen, mit Grün, dass Kinder da spielen“, sagt Christian Horn. „Mir geht es um das Miteinander. Lasst es uns gemeinsam machen!“
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