Weishäupl: „First Lady“ feiert Abschieds-Wiesn

Mehr als ein Vierteljahrhundert leitet sie das größte Volksfest der Welt: Oktoberfest-Chefin Gabriele Weishäupl hat Akzente gesetzt. Volkstümlich und modern zugleich hat sie „ihre“ Wiesn gestaltet. Am Wochenende startet das letzte Oktoberfest unter ihrer Leitung.
München – Sie setzt sich notfalls gegen murrende Wirte und eigenwillige Stadträte durch, kämpft für Tradition und Fortschritt gleichermaßen: Mehr als ein Vierteljahrhundert hat Oktoberfest-Chefin Gabriele Weishäupl das größte Volksfest der Welt geleitet. Dieses Jahr wird Deutschlands derzeit dienstälteste Tourismuschefin die Wiesn zum letzten Mal leiten: 2012 wird Weishäupl 65.
„Das menschliche Gesicht der Wiesn muss bleiben, der historische Bezug muss erhalten werden, Abzocke muss abgewehrt, der grenzenlosen Vermarktung Einhalt geboten werden“, verlangt die Vizepräsidentin des Deutschen Tourismusverbandes für die weitere Entwicklung der Wiesn. „Behutsam mit sensiblen Händen muss dieses Erbe der Volksfestkultur in die Zukunft getragen werden“, ist Weishäupls Credo.
Am Samstag (17. September) wird sie wieder im Dirndl – ihrer „Berufskleidung“ – in der Anzapfboxe stehen, wenn Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) um 12.00 Uhr das erste Fass Bier anzapft, die Mass dem Ministerpräsidenten reicht und das Fest eröffnet.
In all den Jahren hat Gabriele Weishäupl die Entwicklung des Volksfestes entscheidend geprägt. Sie führte Familientage ein, kämpfte gegen Ballermann-Stimmung und brachte die Ökologie auf die Theresienwiese. 1997 erhielt das Oktoberfest für sein Umweltkonzept den Bundesprojektpreis. Etwa wird Spülwasser in manchen Zelten für die Klospülung „zweitverwertet“, viele Fahrgeschäfte wirbeln mit Ökostrom durch die Lüfte.
Zugleich setzte die Festleiterin einen Schwerpunkt beim Brauchtum. Tatsächlich ist Tradition, auch einem allgemeinen Trend folgend, immer mehr zurückgekehrt auf die Theresienwiese. Nach dem 200-jährigen Wiesn-Jubiläum 2010 forderten die Münchner vehement mehr Tradition. Erstmals ist deshalb heuer die „Oide Wiesn“ mit Blasmusik und zünftigen Zelten Bestandteil des Oktoberfests. „Es ist praktisch ein Prototyp, wie das Fest sich entwickelt könnte“, hofft Weishäupl.
Als die Wiesn-Chefin schon vor Jahren für die Festzelte niedrigere Dezibel-Werte und traditionellere Musik verlangte, muckten die Wirte erst auf – und fügten sich dann doch. „Es sind bayerische Bierzelte - wir wollen keine Diskotheken-Mentalität“, sagt Weishäupl. Auch gegen Werbepartys und Glitzer-Rummel griff sie beherzt durch. Sie untersagte Veranstaltungen diverser Promis von Paris Hilton bis David Copperfield und machte dem Dosenmilch-Hersteller Bärenmarke einen Strich durch die Rechnung, der für den Schutz von Bären Unterschriften sammeln wollte. „Alle müssen sich an die Regeln halten.“ Die lauten: Werbeveranstaltungen sind verboten, auch wenn sie gemeinnützigen Zwecken dienen.
Beim München-Tourismus ging Weishäupl, die unter anderem den Bayerischen Verdienstorden und das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt, bewusst weg vom Bier- und Brezn-Image, setzte mit Geschichte und Kultur einen anderen Schwerpunkt. In diesem Jahr etwa hat sie das „Blaue Jahr“ ausgerufen: Wegen des 125. Todestags des sagenumwobenen „Märchenkönigs“ Ludwig II, der blau so sehr liebte, und wegen des 100. Geburtstags der Künstler-Gruppierung „Blauer Reiter“.
Schlösser, Musik, Museen waren die Themen, mit denen sie München unter dem Motto „Munich is more“ im In- und Ausland präsentierte. Sie schaffte damit den Spagat zwischen Münchens Anspruch als einer deutschen Kultur-Hauptstadt und Hofbräuhaus-Image.
Als Parteilose hatte sich die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin 1985 bei der Wahl zur Tourismus-Chefin im Stadtrat gegen den Widerstand von CSU und Grünen durchgesetzt – gegen 40 männliche Mitbewerber. Sie wurde die erste Frau in einer Spitzenstellung in der Stadt München.
Just in dem Jahr ihrer Amtsübernahme überrannten sieben Millionen Besucher die Wiesn. „Ich habe sofort die Werbung eingestellt.“ Denn Weishäupl wollte keine neuen Rekorde. Sie hat die Vision einer „sanften Wiesn“: „Achtsamkeit und Respekt vor dem Fest, seiner Geschichte und seinen Menschen liegen mir am Herzen.“
Wer ihr Erbe antritt, ist noch offen. Für Weishäupl ist es jedenfalls mehr als ein Amt. „Es ist eine Verpflichtung, der man mit Herz, Mut und Leidenschaft nachkommen muss.“